Acht Jahre Unschuldsvermutung

Keiner Schuld bewusst: News zu Besuch bei Meinl-Bank-Chef Peter Weinzierl

In der Affäre um Anleger, die Millionen verloren haben, ist sich Meinl-Bank-Chef Peter Weinzierl immer noch keiner Schuld bewusst. Besuch bei einem Mann, der sich vom Rest der Welt verfolgt fühlt.

von Peter Weinzierl © Bild: Sebastian Reich

Sein Vater war Richter beim Oberlandesgericht Wien. Peter Weinzierl, Vorstand der Meinl Bank, hätte sich trotzdem nie vorstellen können, dass er einmal so viel mit der Justiz zu tun haben würde. "Natürlich hätte er mich viel lieber auf dem Richterstuhl als auf der Beklagtenseite gesehen", erinnert sich Weinzierl an seinen vor vier Jahren verstorbenen Vater. Auch daran, dass Vater Weinzierl ihm gesagt habe: "Du erzählst mir da nicht ALLES, ich kann mir das nicht vorstellen, dass die Justiz so funktioniert." Und meinte natürlich: jenseitig. So, wie Sohn Peter es erst vor einigen Monaten auch im "Prozess" von Franz Kafka nachgelesen hat. "Die Art und Weise, wie Kafka das beschreibt, findet sich in meiner Realität fast wieder." Der Schriftsteller stellte in seinem Roman die dunklen Seiten der Macht in den Vordergrund und sezierte dabei die Tiefen der menschlichen Seele.

Der Vorstandsvorsitzende der Meinl Bank sitzt mit aufgekrempeltem hellblauem Hemd und grauen Hosen im Vorzimmer seines Büros mit mächtigem Holztisch und getäfelten Ebenholzhalbwänden. Als in den unverkennbaren roten Meinl-Tassen der Tee serviert wird, hebt er verärgert die Augenbrauen, weil das Milchkännchen leer ist. Dann reibt sich der Banker immer wieder die Hände und versucht mit leiser Stimme, seine Seite der Medaille in der ewigen Causa Meinl zu beschreiben. Acht Jahre seines Lebens habe ihn das alles gekostet.

Alles begann im Jahr 2007 und ist noch immer nicht zu Ende. Die Meinl Bank geriet in die Mühlen der Justiz. Besonders bekannt wurden die Geschäfte zwischen der Bank und ihren Infrastrukturtöchtern Meinl European Land (MEL), Meinl Airports International (MAI) und Meinl International Power (MIP). Bei MIP war knapp zwei Jahre lang auch der frühere Finanzminister Karl-Heinz Grasser tätig. Die Bank kassierte großzügige Provisionen von den Töchtern, die Anleger blieben am Ende mit großen Verlusten zurück. Mitschuldig waren auch die Marktbedingungen, Fakt ist jedenfalls: Seitdem wehrt sich die Meinl Bank - allen voran ihr Vorstand Peter Weinzierl - verbissen gegen unzählige Anschuldigungen und Anklagen.

Der Wiener steht seit 23 Jahren im Sold der Meinl Bank; seit 1999 sitzt er im Vorstand. Persönliche Wegbegleiter bezeichnen ihn als "ehrlich und loyal". Böse Stimmen meinen, er müsse an der Spitze als Statthalter von Julius Meinl V. ausharren. Schließlich wisse er zu viel von all dem, was schiefgelaufen ist. Der Banker lächelt, wenn man ihn darauf anspricht: "Wenn man sich einmal so exponiert hat, dann ist es sicher nicht einfach, von dem eingeschlagenen Weg abzugehen. Wenn man ein paar Tage loslässt, dann fängt die Verfolgung von vorne an. Ohne meine Rolle überbewerten zu wollen: Unter diesem Gesichtspunkt sehe ich auch die Aktionen gegen meine Person. Die Staatsanwaltschaft weiß: Wenn sie mich rausschießt, wird es für die einfacher." Der Mann fühlt sich verfolgt, egal was passiert. Seit acht Jahren wird gegen ihn und seinen Vorstandskollegen wegen des Verdachts der Untreue und der betrügerischen Krida ermittelt. Der Vorwurf: Sie hätten die Meinl Bank durch die Ausschüttung von Sachdividenden Anfang 2009 geschädigt, die Rückstellungen sollen zu gering, der Jahresabschluss fehlerhaft gewesen sein. Die Rückstellungen brauchte die Bank wegen der MEL-Zertifikate, die Anlegern als sicheres Anlageprodukt verkauft wurden und plötzlich, im Jahr 2007, rapide an Wert verloren. Ende 2008 lagen die Forderungen der wütenden Anleger schließlich bei rund 90 Millionen Euro. Es gab eine Anklage, die aber zurückgewiesen wurde. Der Vorstand ist sich keiner Schuld bewusst.

»Die Art und Weise, wie Kafka das beschreibt, findet sich in meiner Realität wieder«

Seit einem Jahr prüft die Finanzmarktaufsicht (FMA), ob der Vorstand der Meinl Bank den sogenannten "Fit &Proper"-Test besteht. Dieser ist quasi ein Pickerl für die Fähigkeit eines Managers, ein Unternehmen zu führen. Die FMA zweifelt an seiner "Zuverlässigkeit, Aufrichtigkeit und Unvoreingenommenheit". Die Aufsichtsbehörde habe dazu jedes Recht, gibt sich Weinzierl gelassen und schießt dann doch in Richtung Behörden: "Ich gehe schon davon aus, dass bestimmte Akteure von Finanz, FMA und Staatsanwaltschaft nicht ganz unkoordiniert sind." Sagt's, schaut sich auf die Hände und scheint sich sicher zu sein: Die Bösen sind die anderen.

Seit acht Jahren kämpft der Banker an mehreren Fronten: Nicht nur will er beweisen, dass die Geschäfte um MEL, MIP, MAI, Bank und mit den Anlegern rechtens waren; mit etwa 70 Rechtsbeschwerden hat er auch gegen rechtliche Verfahren angekämpft - und 50-mal recht bekommen. Das will er besonders betonen. Auch die Vorwürfe gegen seine Person, er habe auch zu seinem persönlichen Vorteil agiert, seien unrichtig. Eine Beschwerde hat er eingereicht, als ihm vorgeworfen wurde, Anleger um 16 Millionen Euro geschädigt und die Hälfte des Geldes selbst eingesteckt zu haben. Das sieht Weinzierl anders: "Ich habe aus manchen Geschäften zusätzliche Erträge gehabt, aber nicht in dieser Höhe. Was zu versteuern war, habe ich versteuert. Was nicht zu versteuern war, war eben steuerfreies Einkommen."

Mag sein. Die Anleger haben ihr Geld trotzdem nicht mehr gesehen. Versteht der Mann ihren Zorn? Zum wiederholten Mal lautet die Antwort "Jein". Es gebe einen Unterschied zwischen Menschen, die von unabhängigen Finanzberatern schlecht beraten wurden, und Unternehmern, Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern, die "im Nachhinein vor Gericht sagen, sie hätten nicht gewusst, dass eine Aktie im Wert fallen kann". In jenen Jahren seien auch viele andere Immobilienwerte stark gefallen, nur an Meinl reibe man sich heute noch.

Peter Weinzierl
© Sebastian Reich

Weinzierl knetet die Hände. Er spricht wieder leise und behutsam, um die richtigen Worte zu finden: "Es mag nach Paranoia klingen, aber natürlich war bei dem klingenden Namen Meinl der Aspekt Neid dabei." Mit dem Resultat, dass Julius Meinl V. kaum noch in Wien zu sehen ist. Weinzierl hat seinen Wohnsitz 2012 offiziell nach Tschechien verlegt. "2009 und 2010 wurde ich fast wie ein Paria behandelt, wenn ich auf einem öffentlichen Event war. Das ist jetzt vorbei." Vor fünf Jahren hat er eine Rechtsanwältin geheiratet. Die Frage, wie seine Frau die Lage einschätzt, entlockt ihm ein Schmunzeln. "Sie kennt das Thema und sieht die Sache genauso wie ich."

Weinzierl bezeichnet sich selbst nicht nur als ehrlichen, sondern auch als "eigentlich sehr friedfertigen Menschen". Er lege sich nicht mit jedem an. Trotzdem hat er in den vergangenen Jahren nicht nur Staatsanwälte und Finanzberater geklagt, sondern auch Beschwerden eingelegt, wann immer es möglich war. Dem Mann ist fast jedes Mittel recht, um seine Unschuld zu beweisen. Er lässt Staatsanwälte und andere Kritiker bespitzeln. Um die Hintergründe zu erläutern, holt er noch einmal aus und gesteht schließlich, man habe legale Mittel eingesetzt, um sich über die Gegenseite zu informieren. Weinzierl ist überzeugt, dass die Staatsanwaltschaft "den Streit angefangen und Dinge getan hat, die weit über den üblichen Job hinausgehen". Damit meint er in erster Linie die Festnahme Julius V., mit dem ihn durch die vielen Jahre der Zusammenarbeit "ein sehr freundschaftliches, professionell korrektes Verhältnis verbindet". Insider sagen, die zwei sind heute noch per Sie. Unerhört fand Weinzierl die Kaution von 100 Millionen Euro, die Meinl entrichten musste, um der Untersuchungshaft zu entgehen. 2009 habe eine Hausdurchsuchung stattgefunden, gleichzeitig sei die Öffentlichkeit darüber informiert worden, was gesucht wurde. Bis jetzt habe man nichts gefunden. Deshalb beschäftigt er eine Armada von Anwälten, die ihn, Meinl und die Bank durch die rechtlichen Unwägbarkeiten begleiten. Die Kosten für Beratungen schätzt er auf 35 Millionen Euro. "Für ein funktionierendes Bankinstitut unserer Größe eine ordentliche Belastung."

»2009 und 2010 wurde ich wie ein Paria behandelt, wenn ich auf ein Event ging«

Eigene Fehler scheint es aus Sicht der Meinl Bank kaum gegeben zu haben. Ein Versäumnis immerhin räumt Weinzierl ein: "Rückblickend betrachtet, hätte man eine Good und eine Bad Bank machen sollen. Jetzt ist es zu spät dafür." Damit hätte man "schlechte" Geschäfte in der Bad Bank abwickeln und das gesunde Geschäft in die "Good Bank" retten können. Die Bilanz zeigt mit 3,1 Millionen Euro 2014 ein positives Ergebnis - nach einem Verlust von 5,6 Millionen Euro 2013. Dank der Kunden vor allem in Osteuropa scheint das Institut wieder Fuß zu fassen. Ob der Vorstand "fit & proper" ist, wird sich bald weisen.

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