Herr Leitl und die Frauen

Jetzt ist er Avantgarde, zumindest für heimische Politik- und ÖVP-Verhältnisse

von Julia Ortner © Bild: News

Christoph Leitl lächelt. Vor einem akkurat gestutzten Rosenbusch oder in der Bauernküche mit seiner Ehefrau oder beim Streicheln einer Katze. Bilder des Wirtschaftskammerpräsidenten, die ihn in der vor ein paar Jahren entstandenen privaten Fotostrecke als zufriedenen Herrn des Hauses zeigen. Leitl ist ein Mann der eher klassischen Rollenverteilung, privat und beruflich. Unternehmer und Sozialpartnerschaftsfreund, so, wie die mächtigen Männer hierzulande eben sind.

Aber jetzt ist Christoph Leitl Avantgarde, zumindest für heimische Politik- und ÖVP-Verhältnisse. Er unterstützt gleich zwei Frauen bei ihrer Karriere: Oberösterreichs abgelöste Landesrätin Doris Hummer wird Wirtschaftsbund-Chefin im Land; Ulrike Rabmer-Koller entsendet er als neue Vorstandsvorsitzende in den Hauptverband der Sozialversicherungsträger. Und damit ist Leitl weiter als seine Gesinnungsgemeinschaft, genau: Das ist jene Truppe, die dauernd „jünger, weiblicher, moderner“ werden will und dann zum Beispiel eine oberösterreichische Landesregierung mit neun Männern und null Frauen anführt, es ist sich leiderleider nicht anders ausgegangen. Alleine das Gruppenbild der schwarz-blauen Herren erinnert schon an die wackeren Sechzigerjahre-Männer aus „Mad Men“, nur leider sitzen die Anzüge nicht so scharf.

Jetzt kann man natürlich sagen, Leitl ist vielleicht gar kein hundertprozentiger Frauenversteher, weil er für seine Frauenförderung wohl auch machtpolitische Gründe hat. Und vielleicht zieht er seine Vorstellungen gegen die anderen in der Partei auch durch, weil er manchmal gerne den Unbequemen gibt – zuletzt wieder mit seinem Widerstand gegen jene Maßnahmen der Steuerreform der Bundesregierung, die Unternehmer treffen. Ich sage nur das böse Wort Registrierkassenpflicht.

Oder man könnte sagen: Christoph Leitl, der Kammerfunktionär, versteht die Zeichen der Zeit. Man muss kein überzeugter Feminist sein, um Frauen Aufstiegsmöglichkeiten zu geben. Es ist eben kaum mehr zu argumentieren, dass Frauen mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmachen, als Wählerinnen, Kundinnen und Zielgruppen begehrt sind, sich im Job aber weiter hinten anstellen sollen.

Wenn die wirtschaftlichen Zeiten schlechter sind und die Ressourcen knapper werden, wird allerdings der Wettbewerb um Funktionen und Einfluss härter. Da sind Frauen, die mitspielen, für Männer besonders mühsam, weil sie ihnen was wegnehmen könnten. Da wird der Ton hämischer. Da reduziert man Frauen auf ihr Äußeres – geh bitte, fesch ist die aber nicht! Aber vielleicht ist es ja so: Wer tüchtige Frauen genauso fördert wie tüchtige Männer, ist kein Frauenversteher und kein Katzenstreichler. Er ist einfach schlau.

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