Das Sterben der Olivenhaine

In Süditalien grassiert eine rätselhafte Olivenbaumkrankheit

Ein rätselhaftes Bakterium rafft in Süditalien hektarweise Olivenplantagen dahin. Die EU ist alarmiert und will elf Millionen Bäume fällen, um zumindest die Ernten im Norden zu retten. Eine Reportage aus dem Krisengebiet. Und: Wie man sich am besten mit gutem Öl eindeckt.

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Ölkrise - Das Sterben der Olivenhaine

Wenn die Sägen kommen, kette ich mich an die Bäume“, sagt der alte Mann und ballt die Hand zur Faust. Aber Olivenbauer Leonardo Ciola aus Alberobello in Apulien wirkt mehr verzweifelt als drohend. Jederzeit können sie bei ihm auftauchen, die vom italienischen Staat in Absprache mit der EU verordneten Einsatztrupps samt ihren Motorsägen. Wenn es nach den Hardlinern in der EU geht, sollen sie hier, am Absatz des italienischen Stiefels, Europa vor einer Katastrophe bewahren. Denn die Gefahr, die von dort auf die Olivenölproduzenten Europas zukommt, könnte tatsächlich apokalyptisch anmutende Ausmaße annehmen.

Nichts bestimmt das Bild der Gegend so sehr wie die endlos scheinenden Olivenhaine. Bis zu elf Millionen dieser Bäume - fast der gesamte Bestand der Region Salento - könnten demnächst gerodet werden. Der Grund ist eine rätselhafte Krankheit, die durch das Bakterium Xylella fastidiosa (siehe Kasten auf S. 19) hervorgerufen wird. Es führt zu einer Verstopfung der Saftkanäle; erst welken die Blätter, dann verkümmern die Früchte, schließlich stirbt der ganze Baum. Zikaden und andere Insekten, die saftführende Kanäle des Olivenbaums anzapfen, sind Überträger, ein wirksames Mittel gegen das Bakterium existiert bis dato nicht.

In Salento werden 40 Prozent des italienischen Olivenöls produziert. Allein in der Provinz Lecce, dem meistbetroffenen Gebiet, wurde eine "Vernichtungszone“ von einer Million Hektar definiert, auf der die Bäume mittels rot aufgesprühter Kreuze zum Fällen freigegeben wurden. Nur eine einstweilige Verfügung, die aufgebrachte Bauern gegen den Erlass erwirken konnten, schützt sie vor dem Ende - noch. Ein akuter Engpass ist dennoch nicht zu erwarten: Seit Jahren füllen italienische Firmen auch tunesisches und marokkanisches Öl unter ihrem Markennamen ab.

Hardliner in der EU

"Würden Sie solche Bäume fällen?“, fragt Ciola und deutet auf die Oliven-Methusalems in seinem Hain. Noch scheinen seine Bäume von der mysteriösen Krankheit, die in Apulien wütet, verschont worden zu sein. Wie lange noch, ist ungewiss, denn die Seuche verbreitet sich rapide. Was heute wie ein gesunder Hain wirkt, kann in zwei Monaten dürr und welk sein. Um ein Übergreifen des aus Amerika eingeschleppten Bakteriums auf andere Pflanzen und auf ganz Europa zu verhindern, verlangen speziell Frankreich und Spanien, in Apulien radikal durchzugreifen. Die Nervosität ist groß: Frankreich hat vor wenigen Tagen einen Importstopp für Obst und Gemüse aus Apulien erlassen.

Der Krankheit soll mit massiven Rodungen und der Schaffung eines mehrere Kilometer breiten "Cordon sanitaire“ quer über die Halbinsel Einhalt geboten werden. Mit Insektenschutzmitteln - jenen Neonicotinoiden, die für das Bienensterben auch in Österreich verantwortlich sein sollen - wird versucht, die Ausbreitung gen Norden zu verhindern.

Ob das die Lösung sein kann und was genau die Bäume eigentlich umbringt, darüber wird aber noch heftig gestritten im südöstlichen Italien. Schließlich wird Salento seit der Kolonisierung durch das antike Griechenland vom Anbau dieser uralten Kulturpflanze bestimmt.

Dass das Feuerbakterium Xylella fastidiosa an der Katastrophe schuld ist, gilt als unbestritten. Uneinigkeit herrscht über alles andere: ob es alleine verantwortlich ist, auf welchem Weg es nach Apulien kam - und wie ihm beizukommen wäre. Die Unsicherheit nährt Spekulationen und abstruse Verschwörungstheorien. Manche sehen die Schuld wie stets in Brüssel, andere bei den Norditalienern, die - wieder einmal - verdächtigt werden, sich auf Kosten des Südens bereichern zu wollen, seit sie dank Klimawandel selbst Oliven anbauen können. Wieder andere verdächtigen die Agrarindustrie, die Pflanzenschutz- und Insektenvertilgungsmittel verkaufen will. Oder es stecken, wie so oft bei irren Verschwörungstheoretikern, "die Juden“ dahinter: Israelische Agronomen hielten angeblich genetisch manipulierte Setzlinge bereit, um nach erfolgreicher Vernichtung ins Geschäft zu kommen.

Segnung der Olivenzweige abgesagt

Ivano Gioffreda kann über solchen Unsinn nur den Kopf schütteln: "Wir Süditaliener brauchen immer einen Sündenbock von außerhalb.“ Auch Gioffreda ist Olivenzüchter, seine Haine liegen nahe Lecce. Hier wütet Xylella besonders hart.

Den Kampf gegen die Rodungen hat Gioffreda längst aufgenommen. Seit Wochen tourt er durch die Region, beruft Versammlungen ein, spricht auf einer Piazza nach der anderen, verteilt Infomaterial. "Am Palmsonntag haben wir allein in Lecce 8.000 Menschen zusammengetrommelt, um gegen die Pläne von EU und Regierung zu protestieren“, erzählt er. An diesem Tag hatte der Landwirtschaftsverband Coldiretti aufgerufen, die traditionelle Segnung der Olivenzweige in ganz Italien abzusagen, um die Verbreitung zu verhindern. "Daran hat sich in Lecce so gut wie niemand gehalten“, sagt Gioffreda, "wir alle hatten Olivenzweige dabei.“

Gioffreda hat seine eigene Theorie, wie der Katastrophe beizukommen sei. "Natürlich ist Xylella eine Gefahr. Aber erstens weiß man ja gar nicht genau, ob die Krankheit nur von ihr alleine ausgeht. Und zweitens kann niemand mit Sicherheit sagen, ob das Bakterium tatsächlich verschwindet, nur weil die Bäume abgeholzt werden.“ Es gehe ja nicht um ein x-beliebiges Obstbäumchen, das man ausreißen und ersetzen könne, sondern um ein regelrechtes Kulturdenkmal: das Symbol nicht nur seiner Region, sondern des gesamten Mittelmeerraums.

Auch Schlagerstar Al Bano betroffen

Darin ist Gioffreda sich mit dem ergrauten Schlagerstar Al Bano Carrisi ("Al Bano & Romina Power“) einig, der im Herzen der Krisenregion ein Gut mit Wein- und Ölproduktion betreibt. "Ausreißen und Fällen kann keine Lösung sein“, sagt Carrisi, die Wissenschaft müsse schleunigst bessere Lösungen finden. "Salento ohne Olivenhaine, das ist so unvorstellbar wie der Vatikan ohne Papst!“

Tatsächlich gibt es kaum eine Pflanze, die so symbolbeladen ist wie der Ölbaum. In der Bibel ist es ein Olivenzweig im Schnabel einer Taube, der Noah vom Ende der Sintflut überzeugt. In mehreren Weltreligionen steht der Baum für Frieden und Spiritualität, ja für das Leben überhaupt. Nicht zufällig wird sein Öl traditionell für rituelle Salbungen verwendet. Und natürlich ist der Olivenbaum auch ein Symbol für Dauerhaftigkeit und gesunde Ernährung schlechthin.

"Kommen Sie, ich zeige Ihnen etwas“, sagt Ivano Gioffreda und steuert seinen Fiat vorbei an endlos scheinenden Olivenhainen mit unzähligen, durch Jahrhunderte von Zeit, Wetter und Menschenhand geformten Bäumen mit bizarr geschwungenen Stämmen. Dann biegt er in eine Nebenstraße und hält den Wagen an. "Das hier nennt man den Friedhof der Olivenbäume“, sagt der Bauer und deutet nach links, wo sich hinter einer kleinen Steinmauer ein desolater Anblick auftut.

Dutzende vertrocknete Olivenbäume mit Stämmen so alt und knorrig wie jene von Signore Ciola, stehen ohne Laub und Leben in der Landschaft Apuliens. "Und jetzt“, sagt Gioffreda, "zeige ich Ihnen noch etwas.“ Auf der anderen Seite des Feldwegs, nur wenige Meter entfernt, stehen augenscheinlich gesunde Bäume mit üppig grünem Laub. "Diese hier haben wir mit biologischen Methoden bearbeitet“, sagt der Bauer, "mit Kupfer und Kalk. Und mit einer Gründüngung des Bodens. Ihnen geht es blendend.“

Was ad hoc unmöglich scheint, nämlich derartigen Befall mit so simplen Methoden zu bekämpfen, soll tatsächlich wissenschaftlich belegt sein. "Wenn der Boden gesund genug ist und die Bäume richtig geschnitten und desinfiziert werden, können sie sehr wohl Resistenzen entwickeln und sich gegen das Insekt wehren, das dem Bakterium als Wirt dient“, sagt Cristos Xiloyannis, Professor für Pflanzenbau an der Universität der apulischen Nachbarregion Basilikata. Doch nach 50 Jahren intensiver Anwendung von Pflanzenschutzmitteln seien die Böden zu dicht, um zu atmen, die Bäume zu geschwächt, um sich wehren zu können.

Spekulanten würden profitieren

"Möglich, dass es bereits zu spät ist“, meint Xiloyannis, "aber den Versuch ist es allemal wert.“ Nur: Wieso greifen Regierung und EU zu so drastischen Lösungen wie Rodung, wenn auch sanftere Methoden anwendbar wären? "Man hat es verabsäumt, das Problem in seiner Ganzheit anzugehen, also das gesamte Ökosystem zu betrachten“, sagt der Biologe. "Vermutlich gibt es aber auch Leute, denen sehr geholfen wäre, wenn sie die zum Teil denkmalgeschützten Bäume loswerden könnten.“ Gemeint sind damit nicht etwa Ausländer oder Bürokraten, Nordländer oder gar Israelis. Sondern lokale apulische Großgrundbesitzer und Spekulanten, die auf ihrem Grund gern Golfplätze oder sonst irgendwas Einträglicheres errichten würden - statt wie Signore Ciola mühevoll die jahrhundertealten Bäume zu pflegen.

Kommentare

strizzi1949
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Wer sitz in der EU-Kommission? Fachleute? Ich denke nicht! Das ist die größte Ansammlung von Laien, die es in Europa gibt! Und was machen die? Sie wenden sich nicht an Profis, die sich mit der Materie auskennen - nein - sie wenden sich an Lobyisten, die davon profitieren, wenn dort alle Bäume abgeholzt werden! Wenn sich das dann als Irrtum herausstellt, waschen sie ihre Hände in Unschuld!

strizzi1949
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Man sollte diese Hansln haftbar machen können, für den Unsinn, den sie anstellen! Haftbar mit ihrem Privatvermögen! Dann würden sie sich sicher an Fachleute wenden, bevor sie Schei... bauen! Aber das ist wohl Wunschdenken!
Ich hoffe, die Abwehr steigt gegen diese unsinnige Abholzerei!

strizzi1949
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Man sollte diese Hansln haftbar machen können, für den Unsinn, den sie anstellen! Haftbar mit ihrem Privatvermögen! Dann würden sie sich sicher an Fachleute wenden, bevor sie Schei... bauen! Aber das ist wohl Wunschdenken!
Ich hoffe, die Abwehr steigt gegen diese unsinnige Abholzerei!

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