Last Exit Gnadenhof

von Fakten - Last Exit Gnadenhof © Bild: News Matt Observe / Matthias Obergruber Auftrag

Es sind schwere Tage für das Gnadenhof-Imperium Gut Aiderbichl. Dort, wo sich bisher Promis zwischen bedürftigen Tieren tummelten, ermittelt nun die Korruptionsstaatsanwaltschaft wegen Betrugsverdachts im Ausmaß von mehr als fünf Millionen Euro. Einem alten, reichen Mann, der seinen Bauernhof im Sinne der Tierliebe an Aiderbichl übergab, soll übel mitgespielt worden sein.

Betroffen von den Ermittlungen sind, wie News und die "Süddeutsche Zeitung" berichtet haben, auch die AiderbichlChefs: der schwer erkrankte Michael Aufhauser und seine rechte Hand Dieter Ehrengruber. Und jetzt gibt es eine neue Entwicklung, die den Gnadenhof-Betreibern wohl mehr als ungelegen kommt. Wieder geht es um einen alten Mann. Wieder geht es um einen Bauernhof, den Gut Aiderbichl unter hinterfragenswerten Umständen übernommen hat. Und auch damit könnte sich bald die Justiz beschäftigen.

© News Matt Observe / Matthias Obergruber Auftrag Leopold W. hat 2008 seinen Hof Gut Aiderbichl überschrieben.

Aus der Decke quillt die Wärmedämmung aus Stroh, der gemusterte Linoleumboden ist aufgerissen, altes Ziegelmauerwerk klafft großflächig aus der Wand. Die weißen Fensterrahmen sind morsch, der alte Küchenherd ist rostig und schon länger nicht geputzt worden. In diesem alten Bauernhaus in Niederösterreich lebt Leopold W., der den Hof 1976 übernommen hat. In seiner Küche stapeln sich die Holzscheite in Schachteln, denn der Bauer heizt trotz seiner 73 Jahre noch immer beschwerlich mit Holz. Im Vorraum des Hauses stehen Paletten mit Katzenfutter, an der Wand hängt ein gerahmtes Foto von einem Stier, der durch eine grüne Wiese rennt. "Pezi heißt er", sagt der Bauer. Leopold W. hat ein großes Herz für Tiere -und damit fing sein Verhängnis an.

Anzeige in Vorbereitung

Warum, zeigt ein Blick zurück ins Jahr 2008. Damals stand Leopold W. massiv unter Druck. Einige Jahre zuvor war seine Mutter verstorben. Von da an kümmerte er sich alleine um die Rinder auf seinem Hof. Und kam mit der Arbeit nicht nach. Der Hof verfiel, doch anstatt ihm zu helfen, zeigten ihn die Nachbarn bei der Polizei an, wenn zum Beispiel seine Kühe über die Straße liefen. Der Amtstierarzt schaltete sich ein und die zuständige Bezirkshauptmannschaft regte die Bestellung eines Sachwalters an.

Das erste Mal wurde dieses Ansinnen vom Gericht brüsk zurückgewiesen. Es wurden "keine Anzeichen einer psychischen Erkrankung oder geistigen Behinderung" gefunden, lautete die Begründung. Das wäre freilich die Grundvoraussetzung für eine Besachwalterung gewesen.

Dennoch versuchte es die Behörde kurz darauf mit veränderter Argumentation erneut. Und nun trat Gut Aiderbichl auf den Plan. Dessen Chef Michael Aufhauser signalisierte, dass Aiderbichl den Hof als Geschenk von Herrn W. übernehmen werde. Aufhauser sicherte nicht nur eine tierschutzgemäße Behandlung der Rinder zu, was deren Schlachtung verhinderte; er schrieb im März 2008 der Bezirkshauptmannschaft auch großspurig: "Herr W. soll ein würdiges und gutes Leben auf diesem Hof führen können. Dafür verbürgt sich die Gut Aiderbichl Stiftung." Man wolle mit Herrn W. besprechen, wie die Renovierung seiner Wohnräume aussehen könne.

© News Matt Observe / Matthias Obergruber Auftrag Von Renovierung kann noch keine Rede sein.

Sieht man sich heute bei dem Landwirt um, dürfte Aufhausers Bürgschaft im Endeffekt nicht zu viel geführt haben. Das Dach wurde zwar neu gedeckt und zwei zusätzliche Heizkörper wurden montiert. Sonst haust Herr W. jedoch unter den oben beschriebenen Zuständen. Hinzu kommen immer stärkere Zweifel, was die Hofübergabe an Aiderbichl betrifft: Als Gegenleistung für die Übertragung seines Hofs wurde Leopold W. unter anderem ein lebenslanges Wohnrecht zugesichert. Außerdem erhält er ein Handgeld von ein paar Hundert Euro pro Monat. Gerechnet auf die durchschnittliche Lebenserwartung summiert sich das aber wohl nur auf einen Bruchteil des Werts der rund 34 Hektar Land, die Leopold W. besaß. Es stellt sich die Frage, ob der Tierfreund der Übergabe überhaupt nur deshalb zugestimmt hat, weil er massiv unter Druck stand.

Rechtsanwalt Gerold Rauscher von der Kanzlei Sauerzopf und Partner hat sich nun im Auftrag von Herrn W. mit der Angelegenheit intensiv auseinandergesetzt. Und dabei hat der Anwalt genug fragwürdige Punkte gefunden, um eine Anzeige zu verfassen, die dieser Tage bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft eingebracht werden soll. News liegt ein Entwurf der Sachverhaltsdarstellung vor. Darin wird der wahre Wert der Grundstücke, die vor der Übergabe an Aiderbichl Leopold W. gehört haben, mit rund einer Million Euro angesetzt. Die von Aiderbichl bisher erbrachten Gegenleistungen würden in Summe nicht mehr als "wenige Zehntausend Euro" ausmachen. Der Vorteil für Gut Aiderbichl belaufe sich demnach auf einen hohen sechsstelligen Eurobetrag.

© News Matt Observe / Matthias Obergruber Auftrag Bislang gibt es nur geringe Gegenleistungen seitens Gut Aiderbichl.

Dies alleine muss noch nicht verdächtig sein. Anwalt Rauscher ortet jedoch einige weitere fragwürdige Umstände. Im Rückblick sei entscheidend, dass in den Wochen vor der Hofübergabe ein "enormer Druck" durch die im Raum stehende Besachwalterung aufgebaut worden sei, heißt es im Anzeigenentwurf.

Man könne sich des Eindrucks nicht erwehren, Herr W. sei "durch das Zusammenwirken mehrerer Personen derart unter Druck gesetzt" worden, dass er sein gesamtes Vermögen verschleudert habe. Als er dann nichts mehr besaß, stellte das Gericht fest, dass ein Sachwalter nicht erforderlich sei. Laut Anwalt Rauscher gibt es jedoch Hinweise darauf, dass Herr W. seinen Hof und seine Tiere gerne behalten hätte.

"Rechtlich korrekte Verträge"

An dieser Stelle muss man betonen, dass im Anzeigenentwurf keine Verdächtigen beim Namen genannt sind. Auffallend ist die Scheu einzelner involvierter Personen, über die Angelegenheit zu sprechen.

News fragte bei Ingrid S. nach. Die frühere Obfrau eines Sozialberatungsvereins mit dem Schwerpunkt "Mensch -Tier" soll den Kontakt zwischen Herrn W. und Gut Aiderbichl angebahnt haben. Nun will sie dazu allerdings keinerlei Kommentar abgeben. Interessant ist auch die personelle Situation am Hof: Gutsverwalter ist ausgerechnet ein hochrangiger Gemeindepolitiker.

Sowohl seitens des zuständigen Gerichts als auch der Bezirkshauptmannschaft betont man, dass man sich nichts vorzuwerfen habe. Die "Anregung auf Sachwalterbestellung" sei "nicht nur angemessen, sondern geboten" gewesen, meint der jetzige Bezirkshauptmann. Herrn W. sei außerdem Unterstützung angeboten worden, die dieser nicht angenommen habe.

Aiderbichl-Geschäftsführer Ehrengruber erklärt, dass jede Schenkung und jede Erbschaft an Aiderbichl auf "ordentlichen, von Juristen errichteten und rechtlich korrekten Verträgen" beruhe. Bei Schenkungen wähle man die "formal strengste Form des Notariatsaktes", wo sich mehrere handelnde Personen einen Eindruck über die Geschäftsfähigkeit und den Willen des Gebers "verschaffen können und müssen". Ehrengruber: "Wir vertrauen auf die Arbeit der Juristen und Behörden und konzentrieren uns darauf, das Wohlergehen der Tiere sicherzustellen und den Willen des Gebers voll zu erfüllen."

© News Matt Observe / Matthias Obergruber Auftrag "Rechtlich korrekte Verträge" mit Leopold W.

Tatsache ist, dass die Aiderbichl-Führung in den vergangenen Wochen im eingangs erwähnten Ermittlungsverfahren der Korruptionsstaatsanwaltschaft massiv unter Druck gekommen ist. Wie berichtet werden Aufhauser und Ehrengruber unter anderem verdächtigt, gemeinsam mit anderen Personen 2010 den damals 87-jährigen Gerd V., der in Oberösterreich auf einem heruntergekommen Hof lebte, durch eine Täuschung zur Schenkung von vier Millionen Euro veranlasst zu haben. Außerdem soll Herrn V. vorgemacht worden sein, Gut Aiderbichl würde dringend Geld für einzelne Bauprojekte benötigen. Dadurch sollen ihm Spenden von mehreren Hunderttausend Euro herausgelockt und das Geld zweckwidrig verwendet worden sein. Darüber hinaus ist die Rede von einem möglicherweise ungültigen Testament, das Aiderbichl rund 1,3 Millionen Euro beschert hat.

Die Aiderbichl-Führung hat sämtliche Vorwürfe immer vehement bestritten. Ende Juli haben die Ermittler Hausdurchsuchungen an insgesamt vier Orten im Einflussbereich der Aiderbichler durchgeführt. Darunter war auch die Salzburger Millionenvilla von Michael Aufhauser, der sich derzeit nach einer Herzoperation in Rehabilitation befindet.

Aufhauser und Ehrengruber sind übrigens seit 2013 Geschäftsführer einer Firma in Deutschland, die früher Fahrradteile hergestellt hat. Die deutsche Aiderbichl-Stiftung hat das einstige Familienunternehmen übernommen. Ex- Geschäftsführerin Marion S. ist über 80 Jahre alt und soll -laut News vorliegenden Informationen -Aiderbichl gegenüber sehr großzügig gewesen sein. Marion S. soll, ähnlich wie Landwirt Leopold W. aus Niederösterreich, ebenfalls schon knapp vor einer Entmündigung gestanden sein. Dazu dürfte es dann doch nicht gekommen sein. Und interessanterweise gehört ihre Firma jetzt Gut Aiderbichl. Dort gab man auf Anfrage dazu keine Stellungnahme ab.

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