Bierschaum vorm Mund

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Fakten - Bierschaum vorm Mund

Das Innviertel in Oberösterreich ist eine heiß umfehdete und wild umstrittene Bierregion. In keinem anderen Landstrich Österreichs herrscht eine höhere Dichte an Brauereien, nirgendwo sonst wird derart intensiv um Marktanteile gerungen. Besonders verhaltensoriginell tritt seit zwei Jahren die Baumgartner Brauerei in Schärding auf: Immer wieder werden die Gerichte bemüht, vom Innviertel bis nach Wien.

Schauplatz Landesgericht Ried, Saal 21, 27. Oktober. Vor dem Arbeitsgericht prozessiert der ehemalige Geschäftsführer gegen die Schärdinger Brauerei. Der Manager war mehr als 30 Jahre bei Baumgartner beschäftigt, hatte sich vom Lehrling ins Management hochgedient - umso überraschender kam das Ende. Im Oktober 2014 wird er gekündigt. Als Gerüchte auftauchen, er könnte zur Konkurrenz wechseln, lassen die Schärdinger Brauer ihre abservierte Führungskraft während der laufenden Kündigungsfrist durch einen Detektiv beschatten - fünf Tage vor Ende der Frist wird aus der Kündigung eine fristlose. Heute wird über die Abfertigung verhandelt. Die Brauerei will sich nicht nur diese ersparen, sondern sich von ihrem ehemaligen Mitarbeiter auch jene Kosten ersetzen lassen, die dessen Observierung durch eine Detektei verursacht hat: 18.800 Euro. Heiteres Bezirksgericht, möchte man meinen.

Im Guiness-Buch der Rekorde

Baumgartner führt einen Kampf, der an den regionalen Stammtischen schon als "Bierkrieg" tituliert wurde und sogar den Obersten Gerichtshof beschäftigte: Durch alle Instanzen prozessierte der Mittelbetrieb um ein kleines Braugasthaus in Ried, das Kellerbräu, das als älteste Braustätte des Landes schon einmal im Guinness-Buch der Rekorde aufschien.

Im Kellerbräu wurde ab 1446 Gerstensaft gebraut. 567 Jahre lang ging das gut, nach uralter Rezeptur, dann braute sich auf dem Markt etwas zusammen: Die Brauerei wurde zu klein, 2013 war Schluss. Seit damals schickt sich der Braugasthof an, österreichweit Berühmtheit zu erlangen.

Alles begann vor zwei Jahren, mit dem Verkauf des Traditionsgasthauses. Die Baumgartner Brauerei aus Schärding erwarb das Kellerbräu, mitten in Ried, wo sich die örtliche Brauereigenossenschaft traditionell als Platzhirsch wähnt. Aus Sicht der Rieder Brauerei ist es ein Affront, wenn der regionale Konkurrent Baumgartner hier sein Bier ausschenken will.

Was die Schärdinger nicht bedachten: Sie hatten die Rechnung ohne den Wirt gemacht - im Gegensatz zur Rieder Konkurrenz. Im Namen der Republik hat der Oberste Gerichtshof mittlerweile festgestellt: Nur mit dem Erwerb eines Braugasthofes kauft sich eine Brauerei noch lange kein Recht, dort ihr Bier auszuschenken. Ein juristischer Kniff des Braugasthof-Pächters und der Rieder Brauerei verwehrte den Brauern aus Schärding als neuem Hauseigentümer das Ausschankrecht.

© News/Netta Österreichs Bierlandschaft und ein kurioser Rechtsstreit.

Das bedeutet: In dem von der Baumgartner Brauerei um rund 700.000 Euro erworbenen Braugasthof schenkt ein schlitzohriger Pächter weiterhin das Bier des schärfsten lokalen Konkurrenten aus - und ist mit seiner Betreibergesellschaft auf ewige Zeiten mietrechtlich kündigungsgeschützt. Heiteres Bezirksgericht, möchte man wieder meinen.

Tatsächlich aber gerichtlich durch drei Instanzen entschieden. Zum Entsetzen der Schärdinger Hauseigentümer, die nach dem Richterspruch auch noch, quasi strafverschärfend, die Erhaltungspflicht des großen, historischen Gebäudes mit meterdickem Gemäuer trifft - kein lukratives Investment, wenn man den Erhaltungsaufwand mit dem vor Gericht erörterten Friedenszins vergleicht, den der Pächter monatlich entrichten muss: nicht einmal 800 Euro für alles, Gastgarten inklusive.

Verblüffendes Kaufgeschäft

Es ist an und für sich schon kurios, dass eine Brauerei ein Wirtshaus kauft, in dem sie ihr Bier nicht zapfen darf. Es setzt dem Bierfass aber die Krone auf, wenn besagte Brauerei einen Braugasthof zugesprochen bekommt, obwohl ein Mitbieter für das Objekt sage und schreibe 180.000 Euro mehr auf den Tisch geblättert hätte. Unterlagen, die News vorliegen, zeigen jedenfalls verblüffende Details auf. Konkret legte einer der Kaufinteressenten dem damaligen Kellerbräu-Eigentümer Ende 2012 ein verbindliches, schriftliches Angebot in Höhe von 875.000 Euro. Den Zuschlag für das historische Gebäude aber erhielt die Baumgartner Brauerei - um schlappe 695.000 Euro. Zumindest laut offiziellem Kaufvertrag, der im Grundbuch aufliegt.

Wie konnte es dazu kommen? Hatte der Verkäufer zu tief ins Bierglas geschaut und hernach etwas zu verschenken? Wollte er als Feind seines eigenen Geldes noch einmal ins Guinness-Buch der Rekorde kommen? Oder war der sagenhafte Preisnachlass in Höhe von 180.000 Euro bloß dem Charme der Schärdinger Käufer geschuldet?

Der Verkäufer sagt zu dieser bemerkenswerten Immobilientransaktion nur: "Dazu geben wir nichts nach außen." Die Brauerei Baumgartner lässt dazu ausrichten, dass man exakt den Preis für das Kellerbräu bezahlt habe, den ein Immobiliensachverständiger dafür in einem Gutachten festgelegt hätte. Das Gerücht, wonach die Baumgartner-Brauer nach den verlorenen Prozessen mit dem Wirten nunmehr mit dem Verkäufer des Kellerbräus prozessieren sollen, ist möglicherweise ihrer Innviertler Streitlust geschuldet, entspricht jedoch nicht der Realität. Keine Mär ist jedoch, dass sich das Finanzamt inzwischen für den Verkäufer interessiert.

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