Schwimmverband: Geld her!

Auf den Schwimmverband kommen in der Affäre hohe Schadenersatzforderungen zu

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Sportbetrugs-Verdacht - Schwimmverband: Geld her!

Also sprach Markus Rogan Mitte Juli, nachdem ein Gutachter der Staatsanwaltschaft den Verdacht auf systematischen Förderbetrug im Schwimmverband aufgedeckt hatte, als frisch gekürter Berater des Verbandes: „Wir stecken tief in der Scheiße, aber das ist auch eine fantastische Chance.“ Und: „Wir geben Gas und schauennach vorne“, meinte er und sagte zu den aktuellen Funktionären: „Ihr habt momentan den schlechtesten Job Österreichs. Ich bewundere euch.“

Der beschuldigte Verband

Rogan soll retten, was zu retten ist. Auch wenn möglicherweise nichts mehr zu retten ist. Game over, Land unter? Nie zuvor hat sich in einem nationalen österreichischen Sportverband der Verdacht auf ähnlich massive Malversationen offenbart wie im Schwimmverband, kurz OSV. Nie zuvor wurde ein nationaler Sportverband im Gesamten als Beschuldigter der Staatsanwaltschaft geführt. Nie zuvor wurden Indizien für derart systematische Betrügereien an die Oberfläche gespült wie in dem ehemaligen Biotop der Spitzenschwimmer rund um Rogan und die Geschwister Jukic, die zumindest hätten erahnen können, dass in ihrem Umfeld nicht alles mit rechten Dingen zugeht – schließlich haben auch sie Blankounterschriften geleistet, die von den administrativen Kräften im OSV letztlich für die Abrechnung von Fördergeldern verwendet werden sollten.

Was Rogan und die Verbandsführung Mitte Juli in Linz nicht wissen konnten: Beinahe gleichzeitig mit Rogans starker Ansage ließ die Staatsanwaltschaft Wien weitere Erhebungen durchführen, um dem Skandal endgültig auf den Grund zu gehen und die Höhe des Schadens für Staat und Steuerzahler aufzuarbeiten. Nach eingehender Analyse des gesamten Strafaktes, der News vorliegt, steht fest: Der Schwimmverband wird seit Juni 2015 von den Behörden nicht nur im Gesamten als Beschuldigter wegen schweren Betrugs geführt, es wird wohl auch massiver bilanzieller Verrenkungen bedürfen, um einen Jahresabschluss für 2014 erstellen zu können – wenn dieser nicht ohnehin von einem Insolvenzverwalter zu erstellen sein wird. Das soll heißen: Schon der Jahresabschluss 2013 war tiefrot gewesen und nur dank einer äußerst optimistisch erscheinenden Fortführungsprognose ohne Konkursantrag durchgegangen; für 2014 müsste die Bilanz eigentlich nach dem Stand der staatsanwaltlichen Ermittlungen noch roter ausfallen. Mehr noch, es ist nicht auszuschließen, dass sich die aktuellen Vorstandsmitglieder bereits zum heutigen Tag der Konkursverschleppung schuldig machen. Ein kollektives „Nach-vorne-Schauen“, wie Rogan Mitte Juli so schön formulierte, ist jedenfalls angesichts der Altlasten schlicht unmöglich. „Einen derartigen Schweinestall habe ich noch nie gesehen“, sagt ein über viele Jahre mit Sportkorruption befasster Beobachter.

Die erste Anzeige

Um die Affäre in ihrer gesamten Dimension zu erfassen, lohnt ein Blick zurück, in den August 2013, als die Staatsanwaltschaft eine Anzeige erreicht. Darin enthalten: der Verdacht auf Förderbetrug bei der Abrechnung von Sportlern; und erste Hinweise auf eine seltsame Firmenkonstruktion, die der Mini-Konzern OSV unterhält. Konkret geht es um eine von Funktionären des Schwimmverbandes gegründete Pool-GmbH, die außerhalb jeder Kontrolle der Rechnungsprüfung des Schwimmverbandes liegt, weil als Alleineigentümer dieser Pool-GmbH ein ebenfalls außerhalb des OSV liegender Verein aufscheint.

Es ist nichts Ungewöhnliches, wenn Sportverbände und -vereine Tochtergesellschaften gründen, um steuerliche Vorteile zu generieren. Es mutet jedoch mehr als dubios an, wenn nicht der Schwimmverband selbst als Muttergesellschaft aufscheint, sondern ein obskurer Verein, in dem sich einige Machthaber ganz offensichtlich ohne jegliche Kontrolle durch die Prüforgane des OSV austoben können. Im Falle des Schwimmverbandes hatte dieses Konstrukt anscheinend eine große Überschrift: Erzeugung von Intransparenz, Verhinderung der Kontrolle. Geschäftszweige der Gesellschaft waren offenkundig, laut den Erkenntnissen der Ermittler: Förderbetrug, unter anderem am Sportministerium; Lukrieren von Privilegien wie zusätzlichen Gehältern oder Dienstfahrzeugen der Nobelmarken Audi und Mercedes. Für das Wohl der Sportler hätte es diese ungewöhnliche Konstruktion nicht gebraucht. Ihnen hätten jene 1,3 Millionen Euro, die die öffentliche Hand jährlich dem Schwimmverband beisteuert, gereicht. Vorausgesetzt, das Geld wäre sauber verwaltet worden.

Die Schlüsselfiguren

Im Schwimmverband und in der diskreten GmbH gab es zwei bestimmende Figuren, die von der Staatsanwaltschaft auch als Beschuldigte geführt werden: Thomas Gangel, Generalsekretär des Schwimmverbandes von 1977 bis Ende 2013; und Walter Benesch, OSV-Finanzreferent von 1991 bis Ende 2013. Beide fungierten als Geschäftsführer der ominösen GmbH und sollen laut dem aktuellen Ermittlungsstand den Förderbetrug mit Kreisüberweisungen und Scheinbuchungen orchestriert haben. Außerdem wurden jahrelang alle Sponsoreneinnahmen des Schwimmverbandes in die GmbH kassiert, in der man sich bediente: Beide Geschäftsführer, Gangel und Benesch, bezogen in dieser bis 2013 außerhalb der Rechnungsprüfung des Verbandes liegenden GmbH Geschäftsführerbezüge, Generalsekretär Gangel hatte parallel überhaupt gleich zwei Dienstverhältnisse, er kam in Summe auf einen Jahresbezug von rund 90.000 Euro und fuhr nebenbei einen Audi A6, der nicht als Sachbezug gemeldet und versteuert wurde. Zum Drüberstreuen wurden auch noch Prämien schwarz ausbezahlt.

Nach der Anzeige vom August 2013 kam erstmals Schwung in die Causa. Sportminister Gerald Klug erteilte seiner Revisionsabteilung den Auftrag, die öffentlichen Förderungen an den Schwimmverband genauer unter die Lupe zu nehmen. Zwei fundierte Sachverhaltsdarstellungen der Revisoren bilden heute einen der Eckpfeiler für die Erhebungen der Staatsanwaltschaft. Die Ermittlungsbehörden müssen sich allerdings die Frage gefallen lassen, ob wirklich alle Möglichkeiten ausgeschöpft wurden, um schnellstmöglich Licht ins Dunkel des Steuergeldmissbrauchs zu bringen.

Denn kurz nach der Erteilung des Prüfauftrages durch den Sportminister kommt es am 18. Dezember 2013 zu einer Besprechung zwischen den zuständigen Sportbeamten und der ermittelnden Hofrätin des Landespolizeikommandos Wien. In den Akten heißt es dazu, den zuständigen Beamten des Sportministers "wäre es am liebsten, wenn (...) wegen des Verdachtes der Verdunkelungsgefahr auch eine Hausdurchsuchung stattfinden könnte". Doch die Hofrätin wiegelt ab. Sie hält fest: "Ich erkläre, dass eine Verdunkelungsgefahr nicht mehr vorliege, da die alten Funktionäre ihrer Ämter enthoben wurden und der OSV selbst nicht angezeigte Partei in diesem Verfahren ist und kooperationsbereit."

Die Schwiegermutter

Das ist pikant, wenn man weiß, wie der OSV den Schlüsselfiguren Gangel und Benesch noch die Mauer machte. Generalsekretär Gangel war im November 2013 zwar aus dem Dienstverhältnis ausgeschieden, erhielt jedoch aufgrund der einvernehmlichen Auflösung noch eine Abfertigung in Höhe von mehr als 60.000 Euro. Dabei war damals bereits eine Selbstanzeige durch den OSV und ein Versuch der tätigen Reue erfolgt, indem über 70.000 Euro an das Sportministerium zurücküberwiesen wurden -nach Ansicht der Staatsanwaltschaft allerdings zu spät. Auch der Rückschluss der Ermittlerin, es liege keine Verdunkelungsgefahr mehr vor, bedarf einer näheren Betrachtung: Gangels Schwiegermutter und ein enger Vertrauter des Generalsekretärs waren zu dem Zeitpunkt, als bereits feststand, dass betrügerisch mit gefälschten Rechnungen staatliche Förderungen abgerechnet worden waren, nach wie vor an entscheidender Stelle (Rechnungswesen) im Schwimmverband tätig. Einer dieser beiden wird vom Staatsanwalt mittlerweile übrigens ebenfalls als Beschuldigter geführt.

Eineinhalb Jahre später hat jedenfalls der Gutachter der Staatsanwaltschaft - dem nicht alle Unterlagen vorliegen -einen möglichen Schaden für das Ministerium in Höhe von 250.000 Euro errechnet. Überdies sei das gesamte Rechnungswesen der Jahre 2006 bis 2012 unvollständig. Rückblickend erscheint somit hinterfragenswert, warum es nicht frühzeitig zu Hausdurchsuchungen gekommen ist, zumal auch vom Buchsachverständigen Konten außerhalb des Rechnungswesens des OSV festgestellt wurden. Schon aus damaliger Sicht erscheint es jedenfalls vollkommen schleierhaft, warum Funktionäre des Schwimmverbandes dem langjährigen Generalsekretär neben einer Abfertigung auch noch einen Generalvergleich zugestanden haben, laut dem am 17. März 2014 wechselseitig auf Ansprüche verzichtet wird. Rechtsexperten halten einen derartigen Verzicht auf Schadenersatz in Anbetracht der zu diesem Zeitpunkt bereits bekannten Malversationen für höchst ungewöhnlich, auf die handelnden Personen im OSV könnte dadurch - ungeachtet der strafrechtlichen Ermittlungen - ein zivilrechtliches Haftungsproblem zukommen. Eine fristlose Entlassung ohne Entlastung wäre in diesem Fall nicht nur berechtigt, sondern sogar geboten gewesen.

Die Kreisüberweisungen

Wie funktionierte nun das System der Kreisüberweisungen, die sich regelmäßig im vierten Quartal, gegen Ende eines jeden Jahres, häuften? Ein Buchhalter des Verbandes sagte dazu in beinahe skurril anmutender Offenheit über die Gepflogenheiten bei seinem Dienstgeber als Zeuge unter Wahrheitspflicht aus: "Ich habe die Rechnung des Vorjahres als Vorlage genommen und kopiert. Ich habe mir nichts dabei gedacht. Ich habe die Rechnung ausgestellt, Herrn Benesch (Finanzreferent, Anm.) gegeben und sie langte am Postweg wieder bei mir ein zur Abrechnung." Diese Schilderung der Fälschung einer Rechnung wäre noch nicht strafbar. Strafbar wird es allerdings dann, wenn die gefälschte Faktura den staatlichen Förderstellen vorgelegt wird. Der Gutachter der Staatsanwaltschaft spricht wörtlich von einer "Buchungstechnik, die für fiktive Aufwendungen angewendet wurde". Diese fiktiven Aufwendungen für den Schwimmsport wurden dann mit konkreten Steuermitteln gefördert. Dazu kommt, dass von den Schwimmfunktionären mit Rechnungen über die GmbH die Umsatzsteuer für Ausgaben des Verbandes zurückgeholt worden sein dürfte. Bei Förderansuchen wiederum wurde laut Gutachter so getan, als wäre eine Umsatzsteuer bezahlt worden. Der Staat dürfte demnach doppelt geschädigt worden sein.

Das erste Eingeständnis

Finanzreferent Benesch, ein Wiener Baumeister, hat mittlerweile ein Teilgeständnis abgelegt. Er belastet neben dem ehemaligen Generalsekretär Gangel auch seinen langjährigen Präsidenten Paul Schauer, der laut dem Strafakt für die diskrete GmbH teilweise Unterschriften tätigte, obwohl er gar nicht zeichnungsberechtigt war. Benesch sagt zu einer Förderabrechnung mit einer gefälschten Faktura einer seiner Firmen: Schauer "war sicher informiert, es hätte ohne Zustimmung des Präsidenten eine solche Vorgehensweise nicht gegeben".

Besonders plakativ ist die Beschuldigteneinvernahme zu einer weiteren gefälschten Rechnung in Höhe von 36.208 Euro, zu der Benesch angibt: "Auch Ende 2012 hat sich die gleiche Situation ergeben. Zu diesem Zeitpunkt war Herr Meidlinger Präsident. Auch er war über diese Vorgehensweise informiert. Als wir ihm gesagt haben, wir haben das letztes Jahr auch so gemacht, hat er sich kurz geziert, aber dann doch zugestimmt." Auf gleiche Art sei "eine Rechnung" einer Firma gefälscht, der BSO (Bundessportorganisation, Anm.) vorgelegt und das Geld auf mein Privatkonto überwiesen worden." Benesch weiter: "Von diesem Geld habe ich 22.000 Euro behoben und am 25.02.2013 auf ein Sparbuch der Raiffeisenbank lautend auf Überbringer mit Losungswort einbezahlt. Das Losungswort war in einem Kuvert und wusste nur Herr Gangel. Das Sparbuch war im Tresor von Herrn Meidlinger in seinem Büro beim ÖGB eingesperrt."

Die ehemaligen Präsidenten Schauer und Meidlinger bestreiten alle Vorwürfe vehement, für sie gilt ebenso die Unschuldsvermutung wie für Ex-Generalsekretär Gangel, der für News nicht erreichbar war. Gegen Meidlinger ist das Strafverfahren im Übrigen eingestellt. Schauer sagt: Zu Anwürfen von Benesch sage er "gar nichts mehr".

Die Zukunftsfrage

Wie geht es mit dem Schwimmverband weiter? Kann sich die Krise, wie Markus Rogan meinte, für die aktuellen Funktionäre noch als Chance entpuppen? Wohl kaum. Die Fortführungsprognose, die der amtierende Generalsekretär Thomas Unger im Frühjahr 2014 mitsamt der Bilanz 2013 abgegeben hatte, war rückblickend das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben steht. Der Verein OSV ist mittlerweile noch höher überschuldet, er besitzt kein nennenswertes Vermögen. Stattdessen müssen die Schwimmfunktionäre wohl ernsthaft über bilanzielle Rückstellungen nachdenken.

Das Sportministerium hat sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligter angeschlossen und fordert Schadenersatz. Alleine für die Jahre 2006 bis 2012 könnten dies nach ersten Berechnungen des Gerichtssachverständigen zumindest 250.000 Euro sein, für die erste Aufräumarbeit des Gerichtsgutachters müssten in der Bilanz wohl weitere 330.000 Euro rückgestellt werden. Als neuerdings Beschuldigtem droht dem OSV nämlich im Falle einer strafrechtlichen Verurteilung überdies Kostenersatz im Strafverfahren. Dazu kommen noch möglicherweise zu Unrecht erhaltene Fördergelder der Stadt Wien sowie diverse Prozesse ausgeschlossener Schwimmvereine in Salzburg und Wien, die vor den Zivilgerichten auf Schadenersatz in sechsstelliger Euro-Höhe pochen. Macht in Summe rund eine Million Euro. Zudem erwartet den OSV mit ziemlicher Sicherheit noch eine Finanzprüfung aufgrund diverser Verstöße gegen steuerliche und bilanzielle Vorschriften.

Die Ermittlungen

Für einen echten Neubeginn bräuchte es auch neue Führungsfiguren. So wird beispielsweise ein Beschuldigter, der nach wie vor im Vorstand des Schwimmverbandes sitzt, vom Rechtsreferenten des OSV rechtlich vertreten.

Die Kriminalpolizei hat zwischenzeitig auch Schwimmer zu den Usancen der Spesenabrechnung unter Schwimmern befragt, warum es Blankounterschriften gab, die von den Funktionären möglicherweise missbräuchlich verwendet werden konnten. Rückenschwimmer Sebastian Stoß sagte dazu als Zeuge: "Es wurde uns nicht erklärt (...) Es hat auch niemand von uns nachgefragt, denn wenn man nachgefragt hat, dann galt das als Misstrauen bzw. gab es danach meist Probleme."

Gröbere Probleme könnten auch die ehemaligen Rechnungsprüfer bekommen, die von den Kriminalisten schon mehrfach intensiv befragt wurden. Dabei waren die beiden Pensionisten gar nicht qualifiziert, dubiose Rechnungskreisläufe zu durchschauen. Der eine war im Brotberuf Lehrer für Leibeserziehung. Der andere Elektromonteur.

Was der Gutachter sagt und warum der Verband für seine Funktionäre haften muss, lesen Sie im aktuellen News - in Ihrem Zeitschriftenhandel oder als E-Paper-Version.

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