New Orleans zehn Jahre nach "Katrina"

80 Prozent der Stadt wurden am 29. August 2005 überflutet

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Hurrikan - New Orleans zehn Jahre nach "Katrina"

Als einer der schwersten Hurrikane der US-Geschichte hatte "Katrina" am 29. August 2005 weite Teile der Stadt New Orleans zerstört. 1.800 Menschen kamen ums Leben. 80 Prozent der Stadt wurden überflutet.

Obama besucht New Orleans

Zehn Jahre nach dem verheerenden Wirbelsturm hat sich einiges getan: Ein Großteil der Gebäude ist wieder aufgebaut worden. US-Präsident Barack Obama ist zum Jahrestag der Katastrophe nach New Orleans gereist. "Wenn Katrina anfangs ein Beispiel für ein Versagen der Regierung war, ist der Wiederaufbau ein Beispiel dafür gewesen, was möglich ist, wenn die Regierung zusammenarbeitet", sagte Obama beim Besuch der Südstaatenmetropole. "Wir werden arbeiten, bis jeder, der nach Hause kommen möchte, nach Hause kommt", sagte der US-Präsident.

"Wir hatten nichts vor dem Hurrikan und nun haben wir noch weniger als nichts", habe eine Frau zu ihm gesagt, als der damalige Senator Obama nach dem Wirbelsturm in die Region reiste. Umso bemerkenswerter seien die Fortschritt der Stadt aus heutiger Sicht, auch wenn Bewohner der betroffenen Gemeinden die Erholung noch nicht so sehr spürten. Dennoch seien Schulen, Krankenhäuser, Straßen wieder aufgebaut und auch der Schutz vor neuen Unwettern verbessert worden.

Die Bewohner erinnern sich

"Als er kam, war sie gerade unterwegs", sagt Shanice Williams. Sie deutet auf ihre neunjährige Tochter, die etwas gelangweilt auf dem Rasen spielt, und mit "er" ist der Sturm gemeint. Der Hurrikan. "Katrina". "Ich war im vierten Monat schwanger", erzählt Shanice. "Ich wollte nicht gehen, aber wir mussten. Und das war gut so. Sonst wäre ich jetzt tot." Sie schweigt einen Moment. "Nicht ich, wir wären jetzt tot", sagt sie mit einem Blick auf ihre Tochter. Als sie wieder zurückdurften, stand das Wasser in ihrem Haus eineinhalb Meter hoch. "Kaum war es nach vier Wochen abgelaufen, haben wir hier wieder geschlafen. Es war furchtbar. Aber es war zu Hause."

"So viele hier hatten alles verloren, obwohl sie kaum etwas hatten", sagt Carolyna Gallup. Sie leitet ein Begegnungszentrum im Ninth Ward, dem ärmsten und am schwersten getroffenen Teil der Stadt. "Es sah hier aus wie nach einem Krieg. Und die Menschen waren weg. Entweder geflohen, von den Behörden in alle Teile der USA gebracht. Oder tot."

Das Städtchen Biloxi ist 150 Kilometer entfernt von New Orleans und liegt im US-Bundesstaat Mississippi. Diesen Ort hatte es noch härter getroffen. Gut 90 Prozent der Gebäude wurden zerstört. "Ich war damals im Gefängnis und habe nicht viel vom Sturm mitbekommen", sagt Jalyn Brown. "Als ich rauskam, sah es aus wie nach einem Krieg, Mann. Wie nach einem Krieg!"

Wie es den Menschen heute geht

Unmittelbar vor dem Sturm hatte New Orleans 480.000 Einwohner. Ein paar Monate später war es noch die Hälfte. Hunderttausende waren während der großen Evakuierung in alle Teile der USA verfrachtet worden. Nicht jeder kehrte zurück. Manche hatten einfach keine Lust mehr auf eine arme, im Sommer kaum erträglich heiße Heimat, über die immer wieder ein Sturm herfällt. Und doch: Nach und nach kehrten die meisten zurück. "Unsere Region hat jetzt wieder etwa 95 Prozent der Einwohner, die sie vor "Katrina" hatte", sagt Mitch Landrieu.

Er muss es wissen, er ist seit fünf Jahren Bürgermeister der Stadt - und ein Optimist. "Die großen Wiederaufbauprojekte sind bereits - oder fast - abgeschlossen, die Region ist deutlich besser in Sachen Kriminalitätsbekämpfung und Strafverfolgung, bietet bessere Bildung, mehr Fördermöglichkeiten für die Wirtschaft und auch zur Belebung der Stadtviertel." New Orleans sei "Amerikas beste Comeback-Story".

Und wie geht es den Bewohnern zehn Jahre nach "Katrina"? "Die Menschen halten jetzt fester zusammen und die Kriminalität ging zurück", sagt Carolyna Gallup, Leiterin des Begegnungszentrums. Sie würdigt die Millionen, die zum Aufbau nach New Orleans gepumpt wurden. "Die Krankenversorgung ist richtig gut, selbst für die Ärmsten." Und es gebe mehr Geld für Bildung.

"Die Stadt wird nie wieder so sein, wie sie war", hört man immer wieder. Die Streetcars fahren wieder, in den Bars der Bourbon Street wird längst wieder guter Jazz gespielt, selbst morgens um elf, wenn die ersten - oder die letzten? - Touristen schon etwas Schräglage haben. Aber außerhalb der Touristengebiete ist es anders. Leerer. Überall stehen neue Häuser, aber dazwischen ist plötzlich eine leere Fläche. Da stand mal ein Haus, da wohnten Menschen.

Der Boom nach der Katastrophe

Die Stadt befindet sich zehn Jahre nach der Katastrophe in einem ungebrochenen Aufschwung. New Orleans ist angesagt, bei Touristen wie Investoren. In den vergangenen fünf Jahren wurden 14.000 neue Jobs geschaffen. Es gibt 600 Restaurants mehr als vor "Katrina", und die Hotels sind besser ausgelastet als damals. Mit ihrem Mix aus ausschweifendem Partyleben, vibrierender Musikszene, kreolischer Küche, Kolonialarchitektur und Flusspanorama zieht die Stadt längst wieder Besucher aus der ganzen Welt an.

Aus den Ruinen ist jedoch nicht einfach das alte New Orleans wiederauferstanden. Die Stadt hat sich gewandelt, wie Sean Cummings, ein am Wiederaufbau der Innenstadt beteiligter Bauunternehmer hervorhebt. "So wie ein Individuum in einer traumatischen Phase" habe sich die Stadt nach "Katrina" die selbstkritische Frage gestellt: "Führe ich das Leben, das ich führen sollte?", begründet er diesen Wandlungsprozess.

Zu den positiven Seiten dieser Wandlung gehört auch die deutlich gesunkene Kriminalität - sie lag 2014 auf dem niedrigsten Stand seit mehr als vier Jahrzehnten. Andererseits sind viele "Katrina"-Schäden längst nicht beseitigt. Weiterhin müssen Häuser, Geschäfte, Spitäler und Deiche aufgebaut werden. Und die sozialen Gegensätze in der Stadt sind nach wie vor extrem: In den Armenvierteln liegt die durchschnittliche Lebenserwartung bei nur 54 Jahren - 25 Jahre niedriger als in wohlhabenden Bezirken.

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