Sklavenarbeit: Nestlé
legt Geständnis ab

Was der Konzern zu den Missständen sagt und wie es zur Enthüllung gekommen ist

Es ist wohl das ungewöhnlichste Geständnis eines internationalen Konzerns seit langem: Der Schweizer Nahrungsmittelriese Nestlé gibt zu, dass zahlreiche Arbeiter seiner Fischlieferanten in Thailand unter sklavereiähnlichen Bedingungen schuften müssen. Doch wie ist es zu dem Geständnis gekommen?

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Fakten - Sklavenarbeit: Nestlé
legt Geständnis ab

Das Geschäft mit den Garnelen

Um der nicht ganz selbstlosen Enthüllung von Nestlé auf den Grund zu gehen, muss man einen Blick zurück auf das Jahr 2014 werfen. Denn im Sommer diesen Jahres hat die britische Zeitung "The Guardian" aufgedeckt, dass in Thailand täglich tausende Menschen wie Sklaven für das Milliardengeschäft mit den Garnelen schuften. Später landen die Garnelen in US-amerikanischen und europäischen Supermärkten. Der Bericht hat weltweit bestürzte Reaktionen und jede Menge Kritik von Experten hervorgerufen. Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Medien berichteten in Folge auch über die Verbindung zwischen thailändischen "Sklavenarbeitern" und Konzernen wie Nestlé.

Nestlé geht in die Offensive

Nestlé bezieht einen Teil seiner Meeresfrüchte über thailändische Lieferanten. Von der international agierenden Firma "Thai Union Frozen Products" hat der Konzern Tonnen an Tiernahrung auf der Basis von Meeresfrüchten gekauft. Ein Teil dieser Meeresfrüchte, wie Garnelen und Krabben, soll unter sklavereiähnlichen Bedingungen gewonnen werden. Um gegen einen möglichen Schlag rechtzeitig gewappnet zu sein, ist Nestlé noch im Dezember 2014 in die Offensive gegangen und hat eine unabhängige Untersuchung der Arbeitsbedingungen auf thailändischen Fischerei-Schiffen in Auftrag gegeben.

Im Zuge des Garnelen-Skandals haben die US-Behörden ebenfalls ein Auge auf den Konzern geworfen. Anfang August 2015 wurde Nestlé schließlich wegen Beihilfe zur Sklaverei angezeigt. Zu dem Zeitpunkt konnte der mittlerweile gut vorbereitete Nahrungsmittelriese bereits auf die Untersuchung durch die Nichtregierungsorganisation Verite verweisen. Jetzt hat der Konzern die Ergebnisse seiner internen Untersuchung veröffentlicht und angekündigt, gegen die unmenschlichen Arbeitsbedingungen vorgehen zu wollen.

Unmenschliche Arbeitsbedingungen

Der Bericht von Verite enthüllt gravierende Missstände. Zwölf Monate lang hat die Nichtregierungsorganisation die Zustände in der thailändischen Fischereiindustrie untersucht und über 100 Betroffene interviewt. Die Organisation kommt zu dem Schluss: Zwangsarbeit und Menschenhandel sind an der Tagesordnung. Betroffen sind vor allem die aus armen Verhältnissen stammenden Arbeitsmigranten aus Burma und Kambodscha. Die meisten von ihnen besitzen keine offizielle Arbeitserlaubnis. Dubiose Arbeitsvermittler fordern von den Migranten illegale Gebühren, um ihnen Arbeit zu beschaffen. Die so entstandenen "Schulden" müssen dann auf Fischerei-Schiffen, in Häfen oder auf Fischfarmen abgearbeitet werden. Die Arbeiter geraten in völlige Abhängigkeit, die wenigsten verdienen genug, um das Geld jemals zurückzahlen zu können. Ein Arbeiter aus Burma sagt gegenüber Verite: "Manchmal ist das Netz zu schwer und Arbeiter werden ins Wasser gezogen und verschwinden einfach. Wenn jemand stirbt, wird der Leichnam einfach ins Wasser geworfen." Ein anderer Arbeiter erzählt: "Ich arbeite seit zehn Jahren auf diesem Schiff. Ersparnisse habe ich keine. Das Leben hier ist sehr hart."

Die Arbeitsbedingungen sind grausam und unmenschlich: Die Arbeiter müssen eine horrende Anzahl an Überstunden leisten, es gibt keine freien Tage und es besteht so gut wie kein Schutz gegen Arbeitsrisiken. Einige Arbeiter hätten berichtet, sie seien an Schiffskapitäne verkauft worden, teilt Verite mit. Die Organisation hat auch festgestellt, dass selbst Kinder gezwungen werden, unter diesen unmenschlichen Bedingungen zu arbeiten.

Nestlés Aktionsplan

"Wie wir immer wieder betont haben, hat Zwangsarbeit keinen Platz in unserer Lieferkette", sagte Magdi Batato, Generaldirektor bei Nestlé in einer aktuellen Stellungnahme. Um etwas an der gegenwärtigen Situation zu ändern, hat der Konzern einen Aktionsplan entworfen. Laut Plan soll künftig besser auf die Herkunft der Produkte geachtet werden, an potentielle Lieferanten sollen höhere Anforderungen gestellt werden, einzelne Fischerboote will man strenger kontrollieren und Bootsbesitzer und Kapitäne sollen in puncto Menschenrechte unterwiesen werden. Halten sich die Arbeitgeber an die Richtlinien beziehungsweise verbessern sich die Arbeitsbedingungen so soll das belohnt werden. Außenstehende Kontrollorgane und sogar Nestlé-Manager sollen zudem überwachen, dass sich an den Arbeitsbedingungen wirklich etwas ändert. Dass sich etwas ändert, geht laut dem Konzern nicht von heute auf morgen. Nestlé zeigt sich zuversichtlich, dass erste Ergebnisse bereits in einigen Monaten sichtbar sind.

Doch der Bericht von Verite zeigt außerdem: Nestlé ist bei weitem nicht der einzige Konzern, der betroffen ist. Viele Firmenketten und Unternehmen beziehen ihre Meeresfrüchte von thailändischen Lieferanten, die wiederum in Zwangsarbeit und Menschenhandel verwickelt sind. In den USA laufen in diesem Zusammenhang gleich mehrere Klagen gegen große Lebensmittelhändler, die Meeresfrüchte aus Thailand importieren.

Kommentare

Nudlsupp melden

Unser Wohlstand muß ja irgendwo her kommen. Beispiele a la Nestle gibt es unzählige Aber wehe, wenn diese Menschen sich mal auf den Weg machen, und einen Teil des Wohlstandes einfordern, den sie geschaffen haben, und vor der Türe stehen. Es wäre manchmal alles gar nicht so kompliziert, wenn Neid, Gier und Mißgunst nicht so einen hohen Stellenwert hätten.

neusiedlersee melden

Ich persönlich brauche keine Garnelen. Gerne würde ich auch eine Pfanne, Glühlampen, Kaffehäferl aus Österreich kaufen, doch wo? Selbst Unterhosen kommen aus China.
Sie haben recht, immer mehr Mneschen werden kommen, die ihren Teil des Wohlstandes fordern, den sie uns ermöglichen.
DieWelle im nächsten Jahrzehnt wird ausChina kommen. Damit wird das sich aufbauende islamische Europa hinweggefegt.

Nudlsupp melden

Ja, da gebe ich Ihnen Recht. Ich habe in der Tat schon mal darüber nachgedacht, wie es sein wird, wenn eines Tages 2,5 Milliarden Inder und Chinesen es nicht mehr als lohnenswert sehen, in der Heimat zu bleiben und aufbrechen. Würde evtl. schon reichen, wenn Indien und Pakistan wieder unruhiger werden.

neusiedlersee melden

Frauen werden in öst. Supermärkten auch ausgebeutet. Man muss nur nachfragen wie sie behandelt werden, wie wenig sie an Bezahlung erhalten, wie schwer sie arbeiten müssen + nicht alle Stunden bezahlt werden.
Man kann in Polen+Tschechien in den Werken deutscher Firmen nach den Löhnen der Arbeiter fragen: € 500,- p.m. ein Spitzenlohn für 45h/p.Woche.
Sind das nicht auch Sklaven, weil abhängig?

Oberon
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Richtig, Ausbeutung gibt es auch in Europa, aber es schreibt sich halt leichter, wenn's um die Dritte Welt geht. Um diese Zustände, die eigentlich in die Vergangenheit gehören, sollte sich die EU kümmern. Da tun sie wenigstens was Vernünftiges!

Lynxx

Nestlé verkauft auch gestohlenes, in Packungen abgefülltes Wasser, nämlich aus Quellen der von Israel besetzten Golan-Höhen, die völkerrechtlich immer noch zu Syrien gehören.

Furchtbar...aber überrascht mich nicht wirklich, da hat es ja schon einmal ein ähnliche Geschichte gegeben...schade das es so ein großer Konzern notwendig hat !!

Oberon
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Die Firma Nestlé zeigt sich überrascht, dass in ihrem Namen Zwangsarbeit verrichtet wird. Sollen wird das wirklich glauben, dass keiner aus der Führungsriege darüber Bescheid wusste? Was jetzt passiert, ist lediglich Schadensbegrenzung, denn um die ausgebeuteten Menschen geht es keinen der Konzernleiter.
Wir arbeiten daran, diese Missstände abzuschaffen, aber - nur Geduld - sooo schnell geht....

Oberon
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....das nicht...
Frage: Worauf muss/will man denn warten? Etwa auf noch billigere Arbeitskräfte??

Wen überrascht das?
Die ganzen Schweizer Großkonzerne (Nestle, UBS, Credit Suisse,....) agieren doch - nennen wir es - moralisch extrem verwerflich!
Nestle ist einer derjenigen der zwar keine Steuerflüchtlinge aufnimmt wie die Banken, aber dafür bedienen sie sich ungeniert auf der Welt - vollig skrupel- und rücksichtlos. Siehe auch: https://www.ethecon.org/de/714

Izmir-Ibel

Jeder der in Thailand Urlaub macht, hat sie schon gesehen, die burmesischen oder kambodschanischen Arbeitssklaven.
Die niedersten Tätigkeiten sogar in Luxushotels werden von diesen Leuten verrichtet. Dito auf den Tauchbooten.

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