Nein heißt nein

Im Netz kommt Frauenverachtung ans Tageslicht, die wir für passé hielten

von Eva Weissenberger © Bild: News/Ian Ehm

Armin Sippel hat recht. Der Grazer Gemeinderat formulierte es in seinem Facebook-Video zwar ungelenk, aber inhaltlich ist dem nichts hinzuzufügen: „Was man bei uns nicht macht, ist es, Frauen provokant nachzuschauen, ihnen provokant nachzupfeifen oder ihnen sonst in irgendeiner Weise nachzustellen – so, dass sie sich unwohl fühlen.“ Noch schlimmer sei es, Frauen einfach so „an den Po zu fassen, oder ihnen an den Busen grapschen“. Ja heißt ja. Nein heißt nein. So einfach ist das beim Ansprechen, Flirten, Schmusen und beim Sex. Zwischen Erwachsenen ist so gut wie alles erlaubt, solange alle Beteiligten einverstanden sind.

Selbstverständlich. Sollte man meinen. In Deutschland wird der Fall der Gina-Lisa Lohfink diskutiert. Die 29-Jährige ist ein Reality-Star, verdient ihr Geld also damit, sich in TV-Serien selbst darzustellen und Clubs mit ihrer Anwesenheit zu beehren. Sie sieht aus wie eine chirurgisch und kosmetisch verschärfte Version Pamela Andersons. Wir bringen in diesem Heft auf Seite 40 die „Chronik einer angekündigten Schändung“ der „Stern“-Redakteurin Sylvia Margret Steinitz: Zwei Männer stellten ein Video ins Netz, auf dem sie beim Geschlechtsverkehr mit Lohfink zu sehen sind, während diese mehrmals dagegen protestiert: „Hör auf!“ Vor zwei Wochen verurteilte ein Berliner Gericht Lohfink wegen falscher Verdächtigung gegen diese beiden Männer. Wir wollen die Schimpftiraden, Fäkalausdrücke und perversen Fantasien hier nicht wiederholen, aber in Internetforen geben viele Männer (und manche Frauen) Lohfink die Schuld an dem, was ihr widerfuhr – ihr Aussehen, ihr Vorleben, ihre wechselnden Sexpartner!

Ja heißt ja. Nein heißt nein. Egal, wie oft eine Frau Ja sagt, es nimmt ihr nicht das Recht, Nein zu sagen. Von wegen Gleichberechtigung! Wut auf Frauen, die für sich in Anspruch nehmen, so zu leben wie Männer, kommt nicht nur bei Gina-Lisa Lohfink ans Tageslicht.

Eine ganz andere Geschichte: Seit dem ORF-Duell kurz vor der Hofburg-Stichwahl wird die beliebte und für ihre Kompetenz geschätzte Moderatorin Ingrid Thurnher in den sozialen Medien beschimpft, wünschen User ihr Gewalterfahrungen an den Hals. Warum werden unauffällige Bürger zu Bestien, sobald sie in die Tasten hauen?Ingrid Brodnig, Autorin des Buches „Hass im Netz“, schreibt das der „Unsichtbarkeit“ zu: Wer im Gesicht des Gegenübers nicht sieht, wie er dieses kränkt, hat weniger Hemmungen, weiterzumachen. In der virtuellen Welt gilt jedoch dasselbe wie im Bierrausch: Was nicht in den Tiefen meiner Seele vorhanden ist, kann auch nicht aus mir herauskommen. Der Hass auf Frauen sitzt auch in unserer Gesellschaft offenbar tief.

Armin Sippel wandte sich in seinem Video übrigens ausschließlich an Flüchtlinge. Sein Anliegen: „Hände weg von unseren Frauen!“ Seine Partei, die FPÖ, war gegen die Verschärfung des „Po-Grapsch-Paragrafen“, Freiheitliche wettern gegen Frauenhäuser, die Schutz vor gewalttätigen Partnern bieten. Die Haltung, die dahintersteht, ist so frauenverachtend wie antiquiert. Sie versteht die Frau als Eigentum des Mannes. Hände weg von unseren Frauen! Wer das sagt, der denkt wie ein Islamist.

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir bitte: weissenberger.eva@news.at

Kommentare