Die rechte Gefahr

Zunächst einmal die nackten Zahlen: Laut letztem Verfassungsschutzbericht wurden im Jahr 2010 im rechtsextremen Bereich 1.040 Anzeigen verzeichnet. Das NS-Verbotsgesetz war dabei in 522 Fällen betroffen. Das bedeutet insgesamt eine Steigerung von 31 Prozent im Vergleich zum Jahr 2009, als es nur zu 791 Anzeigen kam. Die Zahl der Tathandlungen (bei denen mehrere Delikte zur Anzeige kommen können) nahm von 453 auf 580 zu. Die Aufklärungsquote stieg von 44,2 auf 48,6 Prozent.

Dieser Anstieg bedeutet aber nicht automatisch, dass es zu mehr Straftaten kommt, sondern nur, dass sie öfter zur Anzeige gebracht werden, so Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des österreichischen Innenministeriums. Seiner Meinung nach sei die Situation der heimischen rechtsextremen Szene seit längerer Zeit stabil, werde aber natürlich beobachtet. Mit welchen Mitteln dabei gearbeitet wird und ob wie in Deutschland sogenannte V-Leute eingesetzt werden, will Grundböck aus ermittlungstaktischen Gründen aber nicht verraten.

Vorbild Deutschland
Prinzipiell lassen sich die rechtsextremen Szenen in Österreich und Deutschland kaum vergleichen. Hierzulande unterbindet das explizit verfasste NS-Verbotsgesetz ein offenes und sichtbares Auftreten, wie es in Deutschland möglich ist. Auch ist der Rechtsextremismus im Nachbarland größer, ausgeprägter, strukturierter und aggressiver, wie ein Experte des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW) gegenüber NEWS.AT schildert. Allerdings übernimmt die heimische Szene durch ständigen Kontakt immer wieder Tendenzen aus Deutschland, wenn auch in abgeschwächter Form, so der Experte, der anonym bleiben will.

Der daraus folgenden These, dass eine Mordserie wie in Deutschland in naher Zukunft dann auch in Österreich stattfinden könnte, stimmt der Experte aber nicht zu: „Das ist reine Spekulation.“ Auch Karl-Heinz Grundböck spricht von einem „sehr spezifischen Ereignis“. Ganz ausschließen will der Ministeriumssprecher das aber nicht: „Straftaten können immer und überall passieren.“ Ob Verbrechen dieser Größenordnung in der rechten Szene bereits in Österreich passiert sind? Grundböck nennt diesbezüglich die Anschlagserie des Franz Fuchs in den 1990er Jahren, die durchaus eine rechtsextreme Verbindung aufweist. Seitdem aber ist so etwas in Österreich nicht mehr vorgekommen.

Die Zukunft im Netz
Die nationalen Unterschiede in dieser Szene könnten aber bald Vergangenheit sein. Das klassische Bild des Rechtsextremismus, sich in Organisationen zu vereinen, sei zwar immer noch vorhanden, doch der neue Schwerpunkt liege nun in den neuen Medien, so der Experte des DÖW. Im Internet ist seit Jahren eine deutliche Zunahme an Aktivitäten zu verzeichnen. Als Beispiel nennt der Experte die umstrittene Webseite „alpen-donau.info“: „Die Seite wird zwar seit einiger Zeit nicht mehr aktualisiert. Aber dafür tauchen schon wieder neue Seiten auf.“ Information und Meinungsaustausch werden durch das Medium Internet optimiert, der Einstieg in das rechte Milieu dadurch vereinfacht. Online kann man bereits von einer eigenen rechtsextremen Subkultur sprechen, mit eigener Musik, eigenen Codes, Mode-Accessoires und Symbolen. Und darin ist auch die heimische Szene involviert. Nationale Grenzen spielen hier keine Rolle mehr, so das Fazit des DÖW-Experten: „Das ist ein globales Phänomen.“