Nach Kurden-Morden in Wien im Jahr 1989: Staatsanwalt ermittelt gegen Ahmadinejad!

Geflüchteter Iraner belastet iranischen Präsidenten Peter Pilz: Zeuge "in höchstem Maße glaubhaft"

Der "Zeuge D", früher Journalist in Teheran, beruft sich bei seinen Informationen über Planung und Hergang der Morde laut Pilz auf einen anderem mutmaßlichen Angehörigen des "Operationskommandos", den späteren General der iranischen Revolutionsgarden (Pasdaran), Nasser Taghipour. Der Zeuge verfügt laut Pilz über ein "absolut korrektes Insider-Wissen", das er außer über einen damals direkt Beteiligten nur durch Einsicht in die österreichischen Ermittlungsunterlagen zu dem Fall gewonnen haben könne. Letzteres sei aber unwahrscheinlich.

Im Sommer 1989 kam Abdul Rahman Ghassemlou als Generalsekretär der Demokratischen Partei Kurdistans/Iran (DPKI) zu geheimen Verhandlungen mit Vertretern der iranischen Regierung nach Wien. Am 13. Juli wurden er, sein Stellvertreter Abdullah Ghaderi-Azar sowie der in Österreich eingebürgerte Kurde Fadel Rasoul erschossen. Die mutmaßlichen Täter tauchten damals in der iranischen Botschaft unter und konnten offenbar nach massivem Druck Teherans auf die österreichischen Behörden unbehelligt ausreisen.

Wie der "Zeuge D" ihm berichtet habe, habe es damals zwei Kommandos gegeben: ein drei-köpfiges "Verhandlungsteam" und das "Operationsteam", berichtete Pilz weiter. Mit dieser Aussage sieht der Grüne Sicherheitssprecher eine Vermutung der österreichischen Behörden aus den 90er Jahren bekräftigt, wonach es unwahrscheinlich sei, dass das Verhandler-Team allein agierte.

Nach dem Verbrechen wurden laut dem Grünen Politiker zwei Pistolen, die auch als Tatwaffen benutzt wurden, sowie ein Maschinengewehr, aus dem keine Schüsse fielen, in Müllkontainern beim Naschmarkt aufgefunden. Ahmadinejad war laut dem "Zeugen" jene Person, die die Waffen aus der iranischen Botschaft in Wien den Mördern übergab. Zugleich könnte dem als islamistischer Hardliner geltenden designierten Präsidenten damals die Rolle zugefallen sein, mit dem Maschinengewehr bewaffnet, "als Reserve" vor dem Tatort-Gebäude zu warten; er hätte schießen sollen im Fall, dass einem oder mehreren der kurdischen Opfer die Flucht aus der Wohnung, wo die Verhandlungen stattfanden, gelänge. Geschossen hat Ahmadinejad demnach aber offenbar nicht.

Kurdenmord-Zeuge "in höchstem Maße glaubhaft"
Er könne nicht beurteilen, ob die Aussagen des "Zeugen D" stimmten, "sie sind aber in höchstem Maße glaubwürdig", sagte Pilz. Zu Spekulationen, amerikanische Nachrichtendienste könnten nach der Wahl Ahmadinejads zum Präsidenten absichtlich Desinformationen über eine Beteiligung an den Wiener Kurdenmorden, aber auch an der Geiselnahme in der Teheraner US-Botschaft 1979 gestreut haben, erklärte der Nationalratsabgeordnete, der Zeuge werde weder direkt noch via einer Mitgliedschaft bei einer iranischen Widerstandsbewegung von den Vereinigten Staaten unterstützt.

Die Aussage des Zeugen ist Pilz, wie er selbst sagt, von einem Mitarbeiter des im Pariser Exil lebenden iranischen Ex-Präsidenten Abolhassan Bani-Sadr angeboten worden - zu einem Zeitpunkt, als noch nicht bekannt gewesen sei, dass es sich bei Ahmadinejad um einen aussichtsreichen Anwärter auf das Amt des Staatspräsidenten der Islamischen Republik handelte.

Ahmadinejad sei frei gewählt worden und für ihn gelte selbstverständlich die Unschuldsvermutung, ergänzte der Grüne Sicherheitssprecher, bei Mordverdächtigen dürfe man aber "keinen Unterschied machen, ober ein herkömmlicher Bürger oder der Staatspräsident ist". Der Verdacht sei nicht nur ein politisches Problem für den Iran, sondern auch für die EU und den österreichischen EU-Ratsvorsitz im ersten Halbjahr des kommenden Jahres.

Dass der frühere iranische Präsident Ayatollah Ali Akbar Hashemi Rafsanjani (1989-1997) der Auftraggeber der Morde an Ghassemlou und seinen Begleitern war, hält Pilz für erwiesen. Im so genannten Mykonos-Prozess um die Ermordung von Ghassemlous Nachfolger als DPKI-Generalsekretär, Sadegh Charafkandi, in Berlin stellte die deutsche Justiz fest, dass beide Anschläge von der damaligen iranischen Führung angeordnet wurden.

Die Strafjustiz in Österreich müsse entscheiden, ob sie auf Grund der Informationen des "Zeugen D", Rafsanjani oder Ahmadinejad einlade, auszusagen. "Ich hoffe, dass der Rechtsstaat über wirtschaftliche und politische Interessen gestellt wird", meinte Pilz weiter. Für die Demokratiebewegung im Iran sei es wichtig, aus Europa "positive Signale" zu bekommen.

Die beiden Wien-Kommanden von 1989 rekrutierten sich Pilz zufolge aus den so genannten Ghods Pasdaran. Diese Spezialeinheit unterstehe dem iranischen Wächterrat; die Funktion ihrer operativen Abteilung sei es, Anschläge im Ausland durchzuführen und Regimegegner zu liquidieren.

Laut Pilz hat das BVT von der Staatsanwaltschaft den Auftrag bekommen, auf Grundlage der Aussage des "Zeugen D" weitere Ermittlungen durchzuführen und den Zeugen "D" einzuvernehmen. "D" wolle Frankreich nicht verlassen, stehe den österreichischen Behörden aber zur Verfügung.

Der Informant und angebliche Mittäter Taghipour war den Informationen zufolge ein Bekannter des unbekannten Zeugen. Er vertraute sich dem Journalisten Ende 2001 an, da er befürchtete, es könne ihm etwas zustoßen. Als "D" später Nachricht erhielt, dass Taghipour bei einer Tauchübung im Südiran angeblich ertrunken sei und seine Wohnung durchsucht wurde, sei er nach Frankreich geflohen, sagte Pilz.

Nach der Ausreise der mutmaßlichen Attentäter von 1989 war im Außenministerium offen von "erpresserischen Methoden der Iraner" die Rede. Druckmittel auf die österreichischen Behörden könnten Unterlagen über illegale österreichische Waffenlieferungen an den Iran (Noricum-Affäre) im ersten Golfkrieg gegen den Irak gewesen sein. Grüne und Liberale scheiterten 1997 mit ihrer Forderung nach einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung möglicher Vertuschungsversuche am Widerstand der damaligen Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP. (apa)