Nach Ende des Zweiten Weltkriegs: SP-Akdademiker warben um ehemalige Nazis

Grund: Erheblicher Führungskräfte-Mangel in der Partei Historiker erforschen die Vergangenheit des SPÖ

Die Wissenschafter Peter Schwarz und Wolfgang Neugebauer, bis vor kurzem Leiter des Dokumentationsarchives des Österreichischen Widerstandes (DÖW), haben in den letzten Jahren den Umgang des Bundes Sozialdemokratischer Akademiker (BSA) mit den "brauen Flecken" der eigenen Vergangenheit untersucht. In erster Linie haben sie sich dabei auf die Bundesorganisation und die Ärzte und Juristen konzentriert.

Schärf, Pittermann und Co: Mangel an Führungskräften durch ehemalige Nazis wett gemacht
Die Ergebnisse: Der seinerzeitige SP-Chef und spätere Bundespräsident Adolf Schärf, dessen Nachfolger Bruno Pittermann sowie Verstaatlichten-Minister Karl Waldbrunner und Justizminister Christian Broda haben sich laut Neugebauer am massivsten für die "Karriereförderung" ehemaliger Nazis bemüht. Wegen der Vertreibung und Ermordung eines wesentlichen Teils der sozialdemokratisch-jüdischen Intelligenz durch das NS-Regime gab es einen gravierenden Mangel an Führungskräften. Und dieses Problem wurde von den SP-Granden durch die Integration ehemaliger NS-Akademiker gelöst.

Neugebauer: Man habe nicht versucht, Emigranten zurück zu holen. Zum einen habe man politische Konkurrenz aus dem eigenen Lager befürchtet, zum anderen habe man die SPÖ nicht als "Judenpartei" darstellen wollen. Posten seien lieber mit ehemaligen Nazis besetzt worden, als sie der ÖVP bzw. dem Cartellverband (CV) zu überlassen. Außerdem wurde nicht unterschieden zwischen "Minderbelasteten", die nur "einfache" NSDAP-Mitglieder waren und "Belasteten", die verbrecherisch im Regime tätig waren, erläuterte Neugebauer. Es wurden "unterschiedslos" alle ehemaligen Nazis gefördert.

Interventionen auch von der ÖVP-Spitze
Viele der Reintegrierten haben sich früher oder später aber wieder rechtsextremen Vereinen oder Verbänden zugewandt, erläuterte Peter Schwarz. Er verwies auf das SS- und SA-Mitglied Johann Biringer, das nach dem Krieg zum Leiter der Salzburger Bundespolizeidirektion aufstieg. Der Wiener Franz Scheidl, ab 1934 NSDAP-Mitglied, schaffte es mit Hilfe der SPÖ zum Lehrbeauftragten für Arbeitsrecht an der Uni-Wien. Ende der 60er Jahre trat er dann als einer der ersten Leugner des Holocaust auf.

Oftmals Rückfall der Reintegrierten
Die SPÖ habe eine Einzelfallprüfung verabsäumt bzw. von den Ehemaligen keine Abkehr vom NS-Gedankengut verlangt, erklärte Schwarz dazu. Er verwies aber auch auf regionale Unterschiede. Vor allem von den Wiener Fachverbänden habe es immer wieder Widerstand gegen die Integration von Ex-Nazis gegeben.

Die Statistik zeigte folgendes Bild: Beim BSA-Ärztefachverband Wien hatten 19,6 Prozent der Mitglieder eine NS-Verbindung. In Oberösterreich seien es sogar an die 60 Prozent, in der Steiermark rund 70 Prozent gewesen, so Schwarz.

Auch in der ÖVP muss Vergangenheit aufgearbeitet werden
Die SPÖ sei aber freilich nicht die einzige politische Kraft, die betroffen ist. Bei den Recherchen sei man auch auf zahlreiche Interventionen von ÖVP-Funktionären gestoßen. Vor allem im Justizbereich hätten die ÖVP-Spitzen mehr NS-Vertreter in hohe Posten gehievt als die SPÖ, meinte Schwarz. Als Intervenierer erwähnte er namentlich Leopold Figl, Alfons Gorbach und Julius Raab. Es gebe also auch in der ÖVP "Handlungsbedarf" hinsichtlich der Vergangenheits-Aufarbeitung.

BSA-Präsident Caspar Einem meinte, die Offenlegung des Berichtes sei ganz einfach notwendig. Die Aufarbeitung sei natürlich eine "schwere Belastung" für den BSA, ohne sie bestehe aber "keine Chance, dass die Wunden heilen". Ende Jänner oder Anfang Februar soll ein weiterer Bericht zur Rolle der Bundes-SPÖ nach dem Zweiten Weltkrieg vorgelegt werden. Neugebauer: Die Klärung sei eine "unabdingbare politische Notwendigkeit", wenn die SPÖ ihre "antifaschistische Glaubwürdigkeit" nicht weiter verlieren wolle.
(apa/red)