Nach BSE und Schweineskandal jetzt "MKS"

Nach BSE und Schweineskandal jetzt "MKS"

Der Ausbruch der Maul- und Klauenseuche vor zwei Wochen hat Großbritanniens Landwirtschaft eiskalt erwischt. Nach der BSE-Krise, Flutkatastrophen, einer Schweinepest, die zur Schlachtung von 300.000 Tieren führte, glaubten die Bauern im Königreich, das Schlimmste hinter sich zu haben. Zu Unrecht, wie sich herausstellen sollte. Nun herrscht auf dem Land Hoffnungslosigkeit und dumpfe Wut.
Und bei den Verbrauchern Verunsicherung ob der Häufung der Krisen. Ist Europas Landwirtschaft ein großer Seuchenpfuhl, sind die Scheiterhaufen von Essex ein flammendes Fanal? Führt die Industrialisierung der Fleischproduktion, der Agrarmarkt mit seinen langen Transportwegen und dem kontinentalen Viehhandel dazu, daß Krankheiten, die früher lokal begrenzt waren, sich wie ein Lauffeuer verbreiten? Die Fragen drängen sich auf, auch wenn das plötzliche Seuchenstakkato ein Zufall sein mag.

Selbstmorde

Auch wenn keiner von ihnen dem Vergleich zustimmen würde – viele britische Bauern kommen sich im Moment tatsächlich so hilflos und verloren vor wie weggelegte Babys. Jim Morrish, ein Mittzwanziger, der die Telefonhotline des bäuerlichen Antistress Networks betreut, sieht es jedenfalls so. „Normalerweise bekomme ich rund zehn Anrufe am Tag. Seit die Seuche ausgebrochen ist, sind es neunzig. Und da zähle ich nur diejenigen, die bei den ständig besetzten Leitungen durchkommen.“ Sozialpsychologen fassen das Problem in Zahlen: Waren unter Bauern bislang im Schnitt vier Selbstmorde monatlich zu verzeichnen, so hat sich die Zahl inzwischen verdoppelt. Damit gehören Bauern zu den am meisten gefährdeten Gesellschaftsgruppen überhaupt. Daran können auch Tony Blairs Versprechungen nichts ändern, an die von der Seuche Betroffenen schon bald Stützungsgelder in der Höhe von rund 4,2 Milliarden Schilling auszuzahlen.

Die Folgen der Maul- und Klauenseuche haben indessen aber längst auch die Städte erreicht. Rund 10.000 Menschen könnten aufgrund der Krise ihre Arbeit verlieren, warnen die Gewerkschaften. Vor allem die Existenz von kleinen Metzgereien und Schlachtbetrieben ist massiv bedroht. Denn seit die Regierung zur Eindämmung der Epidemie einen Totalstop für Tiertransporte verhängt hat, fehlt es an Nachschub, der verkauft oder verarbeitet werden könnte. Selbst große Supermarktketten haben inzwischen mit Engpässen zu kämpfen.

Grosse wende?

Während über den britischen Schlachthäusern klamme Stille hängt, demonstrieren in Brüssel laut schreiend französische Bauern und fordern noch mehr staatliche und EU-Hilfe bei der Bewältigung der Krise, die sich von Großbritannien über Frankreich bis nach Deutschland zieht; und durch Europas Politik und Medien geht das große Raunen. „Fundamentale Änderungen in der europäischen Landwirtschaft“, mahnt der britische „Economist“, die Hamburger „Zeit“ widmet den brennenden Kühen sogar einen Leitartikel, der bange fragt: „Vergiftet die Zivilisation das Essen?“ Kleinere Einheiten statt Massenproduktion ist freilich eine zu simple Antwort: Gerade auch größere Farmen können biologisch wertvolle Weiden finanzieren, wenn Europa in die richtige Richtung steuert. Freilich: Vor allem die Konzentration in der Mast- und Schlachtindustrie, die dazu führt, daß Tiere immer wieder hin- und hertransportiert werden, hat zur Folge, daß sich Seuchen schnell verbreiten.