Na Servus, die Dritte Republik

Eva Weissenberger über die ersten Symptome eines neuen Österreich

von Eva Weissenberger © Bild: News/Ian Ehm

Dietrich Mateschitz dreht Servus TV ab. Weil in dem Unternehmen mit mehr als 260 Mitarbeitern die Idee kursiert, einen Betriebsrat zu gründen. Die Mitarbeiter, viele davon sehr gut bezahlt, versichern tags darauf, das nicht zu wollen. Mateschitz dreht Servus TV wieder auf. Nur die Laune eines Milliardärs, der kurz den Spaß an seinem mehr als teuren Hobby verlor?

Es geht um mehr als das. In Österreich sind tektonische Verschiebungen im Gange, die an solchen Bruchlinien sichtbar werden. Die Dritte Republik, ein von Jörg Haider geprägter Begriff, ist angebrochen. Auch an dieser Stelle wurde darüber geschrieben, dass die Zweite Republik zu Ende gehe mit einer Bundespräsidentenwahl, bei der die Kandidaten von SPÖ und ÖVP den Einzug in die Stichwahl weit verfehlten. Über die Sozialpartnerschaft wird und kann man diskutieren: Sie bewahrte Österreich den sozialen Frieden, Streikphasen sind hierzulande nur mit Stoppuhr messbar; sie kostete die Österreicher Unternehmergeist und Eigenverantwortung.

Jenseits dieser von manchen durchaus herbeigesehnten Krise der Parteien und Institutionen geht es nun aber ans Eingemachte. Arbeitsverfassungsrecht, Menschenrechte, soziale Absicherung – was lange als sakrosankt galt, wird plötzlich neu verhandelt.

In den sozialen Netzwerken schauen Bruchlinien dann schnell wie Gräben aus. Quasi pragmatisierte ORF-Redakteure verhöhnten die Kollegen von Servus TV als feige. ÖVPler und Liberale schimpften auf wirtschaftsfeindliche Linke. Man erinnerte sich an Attila Doğudan, der unlängst das Catering in den Speisewägen der ÖBB aufgab, weil er mit den geltenden Arbeitszeitregelungen nicht profitabel arbeiten könne. Hier ist jedoch ein entscheidender Unterschied zu beachten: Mateschitz’ Aktion stellt das traditionelle System der Zusammenarbeit zwischen Unternehmern und Arbeitnehmern generell infrage.

Und das ist nur eines mehrerer Symptome: Mit der Verschärfung des Asylrechts (Stichwort Notstand) vergriff sich die Bundesregierung an einem Menschenrecht, unter Zustimmung der Mehrheit der Bevölkerung. Oder: Die Mindestsicherung wurde erst vor ein paar Jahren eingeführt, um den föderalen Wildwuchs an Sozialhilfen zu stutzen. Die schwarz-blaue Koalition in Oberösterreich will diese nun um fast die Hälfte kürzen, zunächst nur für Flüchtlinge. Die Freiheitlichen sagen aber gleich dazu,dass sie auch Inländer, die lange ohne Job bleiben, im Visier haben. Der Konsens, dass niemand in Österreich hungern muss und jeder ein Dach über dem Kopf findet – in Auflösung begriffen.

In zwei Wochen ist Stichwahl. Wer will, dass sich das Österreich, wie wir es kannten, noch rascher, dramatischer verändert, sollte Norbert Hofer wählen. Wer will, dass sich Österreich behutsam weiterentwickelt, wer meint, dass vieles im Land kritikwürdig sei, aber nicht alles schlecht, der sollte seine Stimme Alexander Van der Bellen geben. Wer im ersten Durchgang Rot und Schwarz eine Lektion erteilen wollte – die Botschaft kam an. Die Frage ist nur, ob sich die beiden ehemals staatstragenden Parteien schnell genug von ihrem Schock erholen, um bei der Neuausrichtung des Landes überhaupt noch eine Rolle zu spielen.

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir bitte: weissenberger.eva@news.at

Kommentare

... behutsam weiterentwickelt.... jaja... das macht er , der VDB... so behutsam ...... ich kotze gleich

In den 1930er Jahren die Nazis,
in den 1970er Jahren der soziale Aufschwung unter Kreisky,
in wenigen Jahren nun eine islamische Republik.
Genosse Sarazin warnt uns davor schon seit Jahren. Der ist bestimmt kein "Rechter Hetzer".


Wenn die 2.Rep. zu Ende geht, tut sie das mit einem BP V.d.B. und einem BK Kern, der versucht von seinem alles auussagenden Gesicht mittels fescher Anzügeln und Hemden abzulenken.
Also fröhlich in die neuen rosaroten Zeiten, denn die roten sind längst vorbei.

Oliver-Berg

Sehr geehrte Frau Weissenberger. Wie Herr Mateschitz ausführte, hat er in Summe über 100 Mio EUR in Servus TV versenkt. Würden Sie dann wenn das Unternehmen Servus TV ihnen gehörte nicht auch irgendwann den Stecker ziehen? Da war der gewerkschaftliche Versuch von außen einen Betriebsrat zu installieren, jene Lunte, die das Fass zum Überlaufen brachte. Es lebe der Stillstand in der 2. Republik.

Laleidama
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in Eile erkoren , den Halt verloren... so hat es früher einmal gelautet. Könnte hinkommen , am runden Tisch an dem Sie teilnahmen , Madame wurde ebenso darüber diskutiert. Zufällig ist das alles nicht.

neusiedlersee melden


Weil Zufall gibt's keinen oder: Zufall ist der Gott der Narren!

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