Milchkrise: Wer die Preise steuert

Woher das Preistief kommt und wie der Plan zur Bekämpfung der Krise aussieht

Der Milchpreis ist wieder einmal auf einem Tief angelangt. Das letzte Mal war das 2009 der Fall. Doch wie kommt es dazu und wer steuert die Preise?

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Fakten - Milchkrise: Wer die Preise steuert

1. Seit wann es kriselt

Die letzte große Krise ist noch nicht so lange her: Erst 2009 schlitterten die Preise für Milch in den Keller. Vor der ersten Milchkrise erhielt ein Landwirt im Jahr 2008 noch einen Rekordpreis von 40 Cent/kg für konventionell erzeugte Milch, dann stürzte der Preis aber bis Juli 2009 auf 25 Cent ab, ehe er sich bis zum Jahr 2014 wieder auf 40 Cent erholte. Dann setzte der Milchpreis wieder zum Sinkflug an.

Davor hat es auch in den Jahren 2001 und 2005 derartige Preistiefs gegeben.

2. Welche Folgen die Krise hat

Das aktuelle Tief bei den Milchpreisen ist für viele österreichische Bauern existenzbedrohend, weil die Einnahmen nicht mehr die Kosten decken. "Das Jahr 2016 wird wie 2009 eine Durststrecke", sagte der Agrar-Ökonom Franz Sinabell vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo).

3. Warum die Preise sinken und wer sie steuert

Das aktuelle Preistief in Österreich und Europa liegt am Überangebot an Milch im Gefolge der Liberalisierung des EU-Milchmarkts - Anfang April 2015 wurden die Milchproduktionsquoten abgeschafft - und am Russland-Embargo. Die schwächelnde Nachfrage in China drückt zusätzlich den Weltmarktpreis. Im April erhielten die heimischen Milchbauern von den Molkereien im Schnitt nur noch 28 Cent für konventionell erzeugte Milch, für Bio-Heumilch mit 47 Cent deutlich mehr. In einigen Ländern, etwa Deutschland und Spanien, liegt der Bauern-Milchpreis bereits teilweise unter 20 Cent.

Team-Stronach-Agrarsprecher Leo Steinbichler sieht die Gründe woanders: "Weder das Russlandembargo, noch der chinesische Markt sind schuld daran, dass unsere Bauern nicht mehr kostendeckend arbeiten können." Die Märchen von "Milchseen und Butterbergen" würden verwendet, um die Preise am Bauernhof zu drücken. Der Agrarsprecher forderte erneut die sofortige Wiedereinführung der Bauernmilchquote. Im April 2015 wurde die Milchquote in der EU abgeschafft, seitdem dürfen Milchbauern soviel produzieren wie sie wollen.

In der Milchpreiskrise hat sich Anfang Juni auch Rewe-Chef Frank Hensel zu Wort gemeldet. "Der Einfluss des Handels auf die österreichische Milchproduktion und Preisgestaltung wird deutlich überschätzt", sagte er. Nur ein Viertel der produzierten Milchmenge gehe in den Lebensmittelhandel, bei Rewe seien es neun Prozent. "Die restlichen drei Viertel gehen in Gastronomie, in Großküchen und vor allem in den Export", erklärte der Chef des Handelsriesen. Insbesondere auf dem internationalen Markt herrsche ein äußerst harter Preiskampf - "denn dort hat derjenige die Vormachtstellung, der am günstigsten produzieren kann", so Hensel. Derzeit werde fast überall billiger angeboten als in Österreich. Rewe (Billa, Merkur und Co.) stehe jedenfalls in den aktuell schwierigen Zeiten zu den heimischen Bauern.

4. Was der EU-Beitritt mit der Krise zu tun hat

Der EU-Beitritt Österreichs im Jahr 1995 hat den Strukturwandel in der österreichischen Milchwirtschaft beschleunigt. Vor dem Beitritt lieferte der durchschnittliche Bauer jährlich 26.000 Kilogramm Milch, heute sind es mehr als 86.000 Kilogramm. Im gleichen Zeitraum ist die Zahl der Milchbauern von 86.000 auf 31.000 gesunken. Viele Nebenerwerbsbauern hörten mit der Milchproduktion auf. Im Vergleich zu "Gunstlagen" in Norddeutschland, Holland, Irland und Dänemark haben die österreichischen Milchbauern - vor allem Bergbauern - deutlich höhere Betriebskosten. Auch die gentechnikfreie Fütterung - in anderen EU-Ländern nicht Standard - erhöht zusätzlich die Kosten für die Bauern.

Der heimische Wirtschaftshistoriker Felix Butschek sieht die Auswirkungen des EU-Beitritts auf den heimischen Agrarsektor aber nicht negativ: "Im Vergleich mit anderen Ländern ähnlicher Größe gewinnt man sogar den Eindruck, dass sich die österreichische Landwirtschaft relativ günstig entwickelte: Die Abwanderung vollzog sich langsamer und die Einkommensentwicklung günstiger als in Finnland, Schweden und der Schweiz", schreibt Butschek in seinem Standardwerk "Österreichische Wirtschaftsgeschichte". Das Agrar-Handelsvolumen habe nach dem EU-Beitritt deutlich zugenommen, und die Exporte seien stärker gestiegen als die Importe. Auch die befürchteten Nachteile für den heimischen Agrarsektor durch die EU-Osterweiterung sind laut Butschek ausgeblieben, gerade auf diesen Absatzmärkten reüssierte die österreichische Landwirtschaft mit ihren Produkten.

5. So sollen die Preise wieder steigen

Der heimische Molkereiverband kann sich zur Stabilisierung des Milchpreises nur ein Mengendeckelungssystem auf europäischer Ebene vorstellen. Eine Begrenzung nur in Österreich mache keinen Sinn, weil Österreich 2 Prozent der Milchmenge in der EU produzierte, so Helmut Petschar, Präsident der Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter (VÖM), am Rande des Milchgipfels im Parlament.

Wenn die Molkereien in Österreich weniger Milch verarbeiteten, dann würden ausländische Molkereien verstärkt die österreichische Nahrungsmittelindustrie beliefern, so der VÖM-Präsident und Direktor der Kärntner Milch. Petschar verteidigt die Kostenstruktur der heimischen Molkereien und sieht keinen Handlungsbedarf. Weil die Milch auch von Bauern mit 10 Kühen abgeholt werde und gentechnikfreie Fütterung garantiert sei, habe man höhere Kosten. "Die Milch nicht mehr abzuholen, wäre eine Katastrophe."

6. Das soll der "Milchdialog" bringen

Beim sogenannten "Milchdialog" am Dienstag im Parlament sind neben Politikern, Bauern, Milchverarbeitern und Experten auch die Lebensmittelhändler eingeladen. Mit dabei sind die Chefeinkäufer von Rewe (Billa, Merkur, Penny), Spar, Hofer und Lidl. Der Molkerei-Verbandschef sieht bei den Supermarktketten "ein gewisses Verständnis" für die dramatische Lage der Milchbauern.

Angesichts der gesunkenen Erzeugermilchpreise hat Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) zum Milchdialog am 14. Juni einen „10-Punkte umfassenden Maßnahmenkatalog“ präsentiert, der Produktion, Verarbeitung und Handel umfasst.
„Es war eine sachliche, konstruktive Debatte“, sagt Rupprechter. „Wir wollen den österreichischen Milchbauern eine Zukunftsperspektive eröffnen. Politik, Wirtschaft, Handel und Konsumenten sind aufgefordert Österreichs kleinstrukturierten bäuerlichen Betrieben zu helfen und unterstützen.“

Auch Jakob Auer, Bauernbundpräsident, betont: „Die Milchwirtschaft ist in einer dramatischen Situation, die Verzweiflung bei vielen Bauern groß.“ „Wir müssen die Öffentlichkeit stärker sensibilisieren und Konsumenten über die dramatische Situation informieren.“

Nötig ist ein Mix aus kurzfristigen Maßnahmen zur Unterstützung bäuerlicher Betriebe, sowie mittel- und längerfristige Strategien zur Weiterentwicklung der Milchwirtschaft, sagt Rupprechter.
Als kurzfristige Unterstützung für bäuerliche Betriebe ist die Entlastung beim Sozialversicherungsbeitrag vorgesehen. Der Erlass der Beiträge für ein Quartal bedeutet, dass insgesamt 170 Millionen Euro den bäuerlichen Betrieben zur Verfügung stehen. Durchschnittliche Milchbetriebe ersparen sich dadurch heuer 1.500 bis 2.000 Euro.

Bis zu 50 Millionen Euro stellt Rupprechter über das Programm Ländliche Entwicklung für die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Milchwirtschaft zur Verfügung.

Von den Bundesländern gibt es insgesamt rund 8 Millionen Euro Sonderunterstützungen für die Milchbetriebe im Berggebiet.

Bauernbundpräsident Jakob Auer: „In der derzeitigen Krisensituation brauchen alle bäuerlichen Betriebe Unterstützung. In der Marktkrise stecken neben den Milchbauern auch Schweinebauern oder Obstbauern, die ihrerseits Millionenschäden durch Frost verkraften müssen." Um im 4. Quartal einen 100%igen Rabatt zur SV auszahlen zu können, sollte raschestmöglich ein Novellierungsvorschlag im Parlament eingebracht werden. Auer: „Dieser Rabatt ist leistbar, weil er direkt aus den Rücklagen genommen wird. Das ist die einzige Hilfe, die schnell und akut wirkt. Zudem fordert Auer die Ausweitung des Bestbieterprinzips.

Josef Moosbrugger, Vorsitzender des Ausschusses für Milchwirtschaft und Präsident der LK Vorarlberg betont, dass die Problematik nicht allein in Österreich gelöst werden kann. In Europa wird mehr Milch erzeugt, als der Markt derzeit verträgt“, sagt Moosbrugger. Daher ist eine bessere Milchmengensteuerung notwendig, um zu erreichen, dass vorübergehend und mit Hilfe von EU-Mitteln innerhalb des gesamten Sektors weniger Milch auf den Markt kommt. Der beste Weg dafür kann eine Branchenvereinigung oder eine Dialogplattform Milch sein.“

Helmut Petschar, Präsident der Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter hält es für unbedingt notwendig, die Maßnahmen des 10-Punkte-Programms so schnell wie möglich umzusetzen. Bei dem Milchpreis sind heimischen Bauern aus den Bergregionen nicht überlebensfähig. 70 Prozent an Milch wird im Berggebiet produziert. Petschar betont, dass heimische Konsumenten ebenfalls einen großen Beitrag leisten können. So ist eine konsequente Unterstützung der Qualitätsstrategie durch ein bewusstes Einkaufsverhalten des Konsumenten und des Handels. Zudem gilt ein Stopp mit Lockartikel zu Dumpingpreisen.

Kommentare

Arnold Schenk

Einfach eine Frechheit was die Bauern für die Milch bekommen und wir dafür bezahlen müßen!Am meisten sahnen jene ab welche am wenigsten Arbeit damit haben!Das Bier wird immer teurer aber alle können gut damit leben Hopfenbauern-Brauerei-Wirt!
MILCH? Bauer-MOLKEREI -Verbraucher!2 bleiben über!

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