Tempelstadt Agrigent ist
das neue Lampedusa

Süditalien stöhnt unter Migrationswellen - Tausende Flüchtlinge im Tourismusort

von Weinende Frauen aus Eritrea bei Erinnerungs-Zeremonie für Lampedusa-Opfer © Bild: Tullio M. Puglia/Getty Images

Agrigent ist in den vergangenen Wochen zum neuen Lampedusa avanciert. Wegen des Einsatzes der italienischen Marine, die die Flüchtlingsboote vor Sizilien auffängt, gelangen die Auswanderer aus Nordafrika nicht mehr auf die Insel Lampedusa, sondern werden nach Porto Empedocle, dem Hafen Agrigents, umgeleitet. Vergangene Woche sind in zwei Tagen über 2.000 Migranten eingetroffen. Die meisten von ihnen stammen aus Somalia und Eritrea und können wegen des Kriegs in ihren Ländern den Flüchtlingsstatus beantragen.

Nach ihrem Eintreffen in Agrigent, wandern die Migranten durch die Stadt auf der Suche nach Wegen, um Sizilien zu verlassen. Die meisten von ihnen wollen Angehörige in Norditalien, Deutschland oder Frankreich erreichen. Einige Auswanderer berichteten, aus Libyen abgefahren zu sein und Schlepperbanden bis zu 1.000 Euro pro Kopf für die Überfahrt nach Sizilien gezahlt zu haben. Die dreitägige Fahrt sei wegen des überfüllten Bootes und Wasser- und Lebensmittelmangels äußerst schwierig gewesen. Caritas und Kirche leisten Erste Hilfe. 500 Migranten, darunter mehrere Frauen und Kinder, wurden in den Räumlichkeiten einer Pfarre untergebracht.

Krätze und Malaria als Gesundheitsrisiko

Die Bewohner der Stadt helfen, wo sie nur können, befürchten jedoch zugleich Auswirkungen der Migrantenwelle auf die öffentliche Gesundheit. Bei einigen Flüchtlingen wurde Krätze diagnostiziert, ein Somalier sei an Malaria erkrankt, berichteten italienische Medien. Auch um die öffentliche Sicherheit bangen die Bewohner Agrigents. Hunderte Auswanderer halten sich auf den Straßen der Innenstadt auf, schlafen auf Bänken und versuchen, mit allen Mitteln das italienische Festland zu erreichen. Sieben Migranten, die kein Geld für die Reise nach Palermo hatten, stahlen einen Geländewagen und wurden dann unweit der sizilianischen Hauptstadt von der Polizei festgenommen.

Der Bürgermeister der an Agrigent grenzenden Hafenstadt Porto Empedocle, wo die Marineschiffe mit den geretteten Migranten landen, bittet die Regierung in Rom und die EU um Hilfe. "Wir können diese biblische Auswanderungswelle nicht allein meistern. Die Migrantenankünfte mehren sich von Tag zu Tag. Wir brauchen Unterstützung von den Institutionen", bat der Bürgermeister Calogero Firetto.

In wenigen Tagen sind vergangene Woche auf Sizilien 6.500 Migranten eingetroffen. Laut dem italienischen Innenminister Angelino Alfano warten bereits 700.000 Flüchtlinge in libyschen Lagern auf die Abfahrt nach Europa.

19.000 Migranten seit Oktober gerettet

Eine Flotte aus vier Schiffen der italienischen Marine patrouilliert zur Rettung der Flüchtlinge täglich das Mittelmeer vor Sizilien. 920 Militärs beteiligen sich an der Mission. Die Resultate sind beachtenswert: 19.000 Migranten sind seit Beginn des Einsatzes am 18. Oktober gerettet worden. Seit Oktober musste die Marine 117 Mal ausrücken, um Menschen in Seenot in Sicherheit zu bringen.

Die Mission "Mare Nostrum" hatte im Oktober nach zwei Schiffsunglücken vor Lampedusa mit mehr als 360 Toten begonnen. Der Einsatz kostet den italienischen Staat neun Millionen Euro pro Monat. Die Marine fordert zusätzliche Finanzierungen für Treibstoff, die Erneuerung der Flotte und Ersatzteile für die Schiffe. Außerdem drängt Italien seitens der EU auf mehr Hilfe im Umgang mit dem Flüchtlingsproblem. "Die Migration über das Mittelmeer ist ein Massenphänomen, um das sich auch die EU kümmern müsste", betonte der Admiral der italienischen Marine, Giuseppe De Giorgi.

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