Der frühe Wurm...

...hat einen Vogel. Buchtipp der Woche: Neue Geschichten aus der Kabarettistenfeder

Der Verlag drängte. Ein Erfolg wie Michael Niavaranis Debütroman "Vater Morgana" (2010) schrie förmlich nach einer Verlängerung. Und das möglichst noch vor dem Weihnachtsgeschäft. Dumm nur, dass der Kabarettist nichts wirklich Brennendes auf dem Herzen hatte, das er loswerden wollte. Das erbetene Zweitbuch hat er trotzdem geschrieben.

von
Michael Niavarani - Der frühe Wurm...

Keine Fortsetzung der turbulenten Familiengeschichte jener liebenswerten deutsch-österreichisch-amerikanisch-schwedisch-britisch-persischen Mischpoche, mit denen er die Leser seines Erstlings begeistert hatte, sondern "Vermischte Schriften" mit allerlei Arabesken zur Streckung und Ausschmückung.

Plaudern im Kaffeehaus
Michael Niavarani versucht sich, vor dem Schreiben zu drücken - als Ich-Erzähler der Auftaktgeschichte seines Buches jedenfalls. Lieber lässt er sich von Leser oder Leserin (wobei nur allzu deutlich ist, dass er seine Fantasien lieber den Damen widmet) ins Kaffeehaus einladen, um ein wenig zu plaudern. Manchen seiner Geschichten merkt man an, dass er selbst nicht ganz von ihnen überzeugt ist. Andere sind ausgebaute Sketches oder, wie "Menage a Cinq", so offensichtlich auf eine Pointe hin (über-)konstruiert, dass sie kein Eigenleben entwickeln.

Zwischen Fabulieren und Weiterspinnen

Dann aber stößt man auf Geschichten, bei denen Niavarani wirklich ins Erzählen kommt, ins Fabulieren und Weiterspinnen. In "Es war einmal" haben sich Märchenfiguren als Migranten in die Realwelt geflüchtet. Dort versuchen sie, unerkannt ein unauffälliges Leben zu führen - was nicht nur dem bösen Wolf schwerfällt. In "Die Leiter in der Hüpfburg" trifft ein vom Burnout-Syndrom geplagter Manager in einer Burnout-Klinik seinen Arzt, der ein Burnout simuliert, um endlich aus seinem verhassten Beruf aussteigen zu können. Dass sie sich dort mit einem Therapeuten anfreunden, dessen Lebenskrise mindestens genauso tief ist wie ihre eigene, mutet zunächst wie die Exposition eines Partywitzes an. Was sich daraus entwickelt, ist viel weniger witzig, viel weniger vorhersehbar und gerade dadurch viel interessanter als erwartet.

Zwischen Fabulieren und Weiterspinnen
Dann aber stößt man auf Geschichten, bei denen Niavarani wirklich ins Erzählen kommt, ins Fabulieren und Weiterspinnen. In "Es war einmal" haben sich Märchenfiguren als Migranten in die Realwelt geflüchtet. Dort versuchen sie, unerkannt ein unauffälliges Leben zu führen - was nicht nur dem bösen Wolf schwerfällt. In "Die Leiter in der Hüpfburg" trifft ein vom Burn-out-Syndrom geplagter Manager in einer Burn-out-Klinik seinen Arzt, der ein Burn-out simuliert, um endlich aus seinem verhassten Beruf aussteigen zu können. Dass sie sich dort mit einem Therapeuten anfreunden, dessen Lebenskrise mindestens genauso tief ist wie ihre eigene, mutet zunächst wie die Exposition eines Partywitzes an. Was sich daraus entwickelt, ist viel weniger witzig, viel weniger vorhersehbar und gerade dadurch viel interessanter als erwartet.

Fazit
Sicher: "Der frühe Wurm hat einen Vogel" enthält abschnittsweise Überdosen an zu viel Naturwissenschaft und zu viel Lebensphilosophie. Und auch die "Hier spricht der Autor ganz privat zu Euch"-Attitüde wirkt manchmal etwas gezwungen. Dennoch hat sich Niavarani mit seinem Zweitwerk durchaus als Verfasser ernstzunehmender Unterhaltungsliteratur etabliert, von dem man sich gerne wieder einen Roman wünschen würde. Und sollte auf "Vermischte Schriften. Band I" ein zweiter Band folgen, dann erwarten wir dort die Fortsetzung der nach kaum zwei Dutzend Zeilen abgebrochenen Geschichte "Monsieur Descartes holt sich den Tod", die der Unterhaltungsprofi als klassischen Cliffhanger eingebaut hat. Bis dahin: Viel Spaß im Kaffeehaus!

Info:
"Der frühe Wurm hat einen Vogel. Vermischte Schriften. Band I" von Michael Niavarani
Amalthea Verlag
352 Seiten, 22,95 Euro
ISBN 978-3-85002-764-9
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