Andreas Ivanschitz: Sein
"Neustart" in Österreich

Der ehemalige Fußballteamkapitän investiert in Start-ups, macht sich Gedanken über das Miteinander, Respekt vor anderen und darüber, was Corona ihn lehrte.

von Menschen - Andreas Ivanschitz: Sein
"Neustart" in Österreich © Bild: Wolfgang Wolak

Sie sind als Fußballer ziemlich herumgekommen. Wie fühlt es sich an, wieder in Österreich zu leben?
Als ich vor eineinhalb Jahren meine Karriere beendet habe, hätten meine Frau und auch meine Kinder sicher nichts dagegen gehabt, weiter im Ausland zu leben. Uns hat es einfach sehr viel Spass gemacht all diese Erfahrungen zu sammeln. Dennoch fühlt es sich richtig an wieder in der Heimat zu sein. Näher an der Familie und Freunden. Nach zwölf Jahren im Ausland fühlte sich Österreich wie ein Neustart an, mittlerweile haben wir uns ganz gut akklimatisiert.

Wie erleben Sie die österreichische Lebensart?
Bevor ich meine Auslandskarriere begann, habe ich das Leben in Wien gar nicht so richtig ausgekostet. Ich habe viel meinem Ziel Profi zu werden untergeordnet. Nette Erlebnisse wie ein Abend beim Heurigen oder ein Besuch in der Oper kamen zu kurz. Jetzt hoffe ich, dass ich etwas nachholen kann.

»Wir haben durch Corona gelernt, die kleinen Dinge noch mehr zu schätzen«

Welche Qualität hatte die Zeit des Lockdowns für Sie?
Die Pandemie hat die ganze Welt zwar geschockt, die Qualität dieser Zeit war für mich aber, dass meine Familie noch enger zusammengerückt ist. Vor Corona gab es ein Überangebot in allen Bereichen. Wir haben gelernt, die kleinen Dinge noch mehr zu schätzen - zum Beispiel Fangen spielen mit der kleinen Tochter im Garten oder einmal etwas länger gemeinsam zu frühstücken. Sehr positiv war für mich auch das österreichweite Miteinander und das Bewusstsein, andere Menschen zu unterstützen.

Wohin soll es beruflich gehen?
Schon zu meiner aktiven Zeit habe ich das eine oder andere Investment in Start-ups getätigt. Jetzt versuche ich, mich intensiver damit zu beschäftigen. Ich möchte aber auch dem Fußball noch erhalten bleiben. Ich nehme mir die Zeit, alle Optionen abzuwägen.

Welche Start-ups sind das?
Das eine ist Eloop, elektrisches Carsharing in Wien. E-Mobilität ist ein Thema, das mich seit Jahren interessiert. Ich habe auch in Playerhunter investiert. Das ist eine Karriere-App für Fußballer. Wir versuchen, Vereine und Spieler mittels Smart Matching auf einfachste Weise zu verbinden. Ein weiteres interessantes Unternehmen ist Alpha Champ, Erzeuger eines Tripletrampolins. Die drei verbundenen Sprungf lächen sind ein ganz neuartiges Trainingsgerät mit innovativem Trainingskonzept. Ich bin seit meiner Rückkehr überall recht eng dabei und es macht echt Spaß.

Wie sieht es mit dem Fußball aus?
Ich will eher Richtung Management gehen. Der Trainerschein hat jetzt keine Priorität. Ein Zeichen für mich, dass die Zeit für den Trainerjob noch nicht reif ist. Aber ich will es nicht ausschließen, ich bin sehr verbunden mit dem Fußball. Schon allein durch meine beiden größeren Kinder, die beide Fußball spielen, bin ich oft am Platz. Auch meine Tätigkeit als Co-Kommentator beim Streamingdienst DAZN war echt interessant. Es ist auf jeden Fall wichtig, sich weiterzuentwickeln. Als Fußballer ist mir ja alles abgenommen worden, ich konnte mich ganz auf den Sport konzentrieren. Im Fußball lebt man doch in einer Blase. Jetzt bin ich in der normalen Welt wieder angekommen.

»Ich habe gelernt, mich als Jüngster durchzusetzen«

Sie sind Vater von drei Kindern, wie hat sich Vatersein im Vergleich zu früher verändert?
Ich habe eine sehr schöne, unbeschwerte Kindheit gehabt. Meine Eltern haben mich mit 100 Prozent unterstützt, genauso wie meine zwei größeren Brüder, die mich immer gepusht haben. Natürlich gab es kleinere Streitereien, aber ich habe gelernt, mich als Jüngster durchzusetzen.

Die Jüngsten haben meistens die größten Freiheiten.
Das stimmt sicher, aber auch, weil meine Brüder auf mich aufgepasst haben. Ähnlich ist es in meiner Familie. Ein Wahnsinn, wie uns unser großer Sohn in der Erziehung unterstützt. Ich bin auch meinen Eltern dankbar, diese Hingabe und Unterstützung, die sie mir im Fußball gegeben haben. Die unzähligen Fahrten zu Spielen und Trainings. Sie alle haben sicher einen großen Anteil an meinem Erfolg in meinen jungen Jahren als Fußballer und später meine Frau. Sie war der Anker zu Hause, der vor allem in meiner Auslandszeit enorm wichtig war.

Sie haben Klavier, Oboe und Schlagzeug gelernt. Welche Bedeutung hat Musik für Sie?
Mein Vater war Musiker und auch wir Kinder haben alle Instrumente gelernt. Mit 13 habe ich mich aber nicht gegen die Musik, sondern für den Fußball entschieden. Die Zeit hat einfach gefehlt. Jetzt unterstütze ich bei meinen Kindern die Freude an Instrumenten.

»Am Ende des Tages geh es darum, wie viel Energie du in eine Sache investierst«

Was wollen Sie Ihren Kindern mitgeben?
Für mich ist das Miteinander sehr wichtig. Respekt vor anderen zu haben und f leißig zu sein. Wenn man etwas erreichen will, muss man Gas geben. Es wird einem nichts geschenkt. Am Ende des Tages geh es darum, wie viel Energie du in eine Sache investierst.

Geht es nur mit Ärmeln aufkrempeln oder funktioniert es auch mit Leichtigkeit?
Ich bin der vollen Überzeugung, dass es nur geht, wenn man hart arbeitet. Du musst zeigen, dass du die Ellbogen auch einmal aufstellen kannst, sonst wirst du dich nicht durchsetzen können. Ich habe gewusst, wenn mein Gegenüber nur fünf Prozent mehr gibt, werde ich Zweiter sein. Ich bin schon der Meinung, dass man Jugendlichen einen Freiraum lassen sollte, aber ich finde es gut und auch meine Pf licht als Vater, aufzuzeigen das man etwas tun muss, wenn man besser werden will.

2001 war Lothar Matthäus Ihr Trainer bei Rapid. Welche Erinnerungen haben Sie an ihn?
Lothar Matthäus war ein Weltfußballer und Ausnahmeprofi. Im Training hat er immer wieder einmal mitgespielt und uns gezeigt, wie es geht. Er war topfit und ein Leader. Ich habe alles aufgesaugt, was er gesagt hat. Schade, dass wir mit Rapid sportlich nicht zeigen konnten, was er von uns erwartet hat.

Salzburg war eine schwere Zeit, Sie wurden bei den Rapid-Fans angefeindet. Sie wurden teils wüst beschimpft.
Es war eine harte Phase. Der Transfer zu Salzburg schlug hohe Wellen, mit diesen Anfeindungen habe ich allerdings nicht gerechnet. Der schnelle Schritt ins Ausland hat mir aber wieder den Spaß am Fußball zurückgegeben.

Wie haben Sie sich gefühlt, wenn Rapid-Fans auf den Rängen saßen?
Es war wirklich eine Ausnahmesituation, mit der es schwer war umzugehen. Es hat lange gebraucht, das Ganze zu verarbeiten. Das hat mich geprägt, ich bin robuster geworden und habe mir ein dickeres Fell zugelegt. Für meine Auslandskarriere hat mir das sicher geholfen.

Ein dickes Fell haben Sie auch in der deutschen Bundesliga unter Ihrem Trainer Thomas Tuchel in Mainz gebraucht.
Ich wurde von zwei Trainern besonders geprägt: Pepi Hickersberger war mit seiner Menschlichkeit und großen Fussballkompetenz eine ganz wichtige Figur für mich und auf der anderen Seite Thomas Tuchel mit seinem extremen Ehrgeiz. Tuchel war sehr, sehr fordernd, er hat dich in jedem Training gepusht.

Es war wohl nicht immer leicht, damit umzugehen.
Es hat schon Phasen gegeben, in denen er sehr direkt war. Einige Mitspieler sind daran zerbrochen. Ich habe viele Diskussionen mit ihm geführt, wir haben auch oft gegenseitig angeeckt, aber gesamt gesehen haben wir viel voneinander profitiert. Wenn du Profi sein willst, musst du da eben durch.

Die Superstars verdienen schwindelerregende Gagen. Ist das moralisch okay?
Das hat sich in den letzten 15 Jahren in Riesensprüngen so entwickelt. Wenn Vereine sehr hohe Einnahmen haben, ist es normal, dass auch die Gagen der Spieler in die Höhe gehen. Ob das moralisch vertretbar ist? Wenn man es mit mit dem Verdienst vieler anderer vergleicht, wahrscheinlich nicht.

»Ob jeder Transfer richtig war oder nicht, kann man diskutieren, aber ich stehe zu meinen Entscheidungen«

Sie galten in Österreich als Jahrhunderttalent. Haben Sie erreicht, was Sie sich vorgenommen haben?
Eine Frage, die mir oft gestellt wurde. Ich bin mit meiner Karriere sehr zufrieden. Ob jeder Transfer richtig war oder nicht, kann man diskutieren, aber ich stehe zu meinen Entscheidungen zu 100 Prozent. Ich habe mehr als 500 Spiele im Profibereich absolviert, allein schon diese Zahl sagt viel aus.

Ihre Lebensvision?
Mit Freude durchs Leben gehen und es zu genießen, aber mit Demut und Respekt gegenüber anderen. Und ich will ein guter Vater und Ehemann für meine Familie sein. Sie haben viel zurückgesteckt in den Jahren und mir so viel Unterstützung entgegengebracht, dass ich jetzt versuche, für sie da zu sein und etwas zurückzugeben.

Zur Person: Andreas Ivanschitz (37), geboren in Eisenstadt, seine Karriere begann er beim ASK Baumgarten. 19 Jahre Profifußballer, wurde mit Rapid, Seattle und Pilsen Meister. Er spielte auch in der spanischen Primera División bei Levante UD und beim 1. FSV Mainz 05 in der deutschen Bundesliga, absolvierte mehr als 500 Pf lichtspiele. Unter dem damaligen Teamchef Hans Krankl wurde er mit 19 zum bis dato jüngsten ÖFB-Teamkapitän der Nachkriegszeit gemacht. Zweimal spielte Andreas Ivanschitz in der Champions League: 2005 mit Rapid, 2008 mit Panathinaikos Athen. 2003 wurde er zu Österreichs Fußballer des Jahres gewählt. Verheiratet, drei Kinder, lebt jetzt mit seiner Familie wieder in Wien.