"Diskrete Vereinbarungen zwischen Medien und Politik"

Andy Kaltenbrunner untersuchte die Vergabe von Inseraten der Bundesregierung. Fazit: Objektive Kriterien für die Verteilung des viele Millionen Euro schweren Etats fehlen. Vielmehr täten die Beteiligten alles, um den Prozess undurchsichtig zu halten.

von Andy Kaltenbrunner © Bild: News/Ricardo Herrgott
Der Politikwissenschaftler und ehemalige Journalist (u. a. "Arbeiterzeitung" und "profil") Andy Kaltenbrunner ist geschäftsführender Gesellschafter des Medienhaus Wien. Die Einrichtung ist auf praxisnahe Forschung und Beratung spezialisiert und veröffentlichte zuletzt Studien zur Inseratepolitik der Bundesregierung.

Andy Kaltenbrunner schuf zuletzt Nachrichten, die innerhalb des polit-medialen Komplexes nur wenigen gefielen. In zwei Studien ("Scheinbar transparent" I & II) rechnete der Leiter einer außeruniversitären Forschungseinrichtung (Medienhaus Wien) vor, dass zwischen Tageszeitungen und Bundesregierung ein objektiv nur schwer begründbares Geflecht aus Millionen Euro schweren Zahlungen für sogenannte Regierungsinserate besteht.

Und dass - anders als oft behauptet - nicht nur Boulevardblätter wie "Krone", "Heute" und "OE24", sondern auch Qualitäts- und Regionalzeitungen wie "Presse" und "Vorarlberger Nachrichten" weit oben in der Gebergunst der Bundesregierung stehen. Warum das niemand sagt und was hinter dem mit Steuergeld befeuerten Modell gegenseitiger Abhängigkeiten stehen könnte, darüber sprachen wir mit Kaltenbrunner in seinem Büro am Wiener Brunnenmarkt.

Herr Kaltenbrunner, die viele Millionen Euro teuren Ausgaben für Regierungsinserate werden zwar veröffentlicht, sind für Laien aber kaum zu lesen. Warum?
Vor Einführung der Transparenzdatenbank gab es eine Debatte über Regierungsinserate. 2011 wurde dem damaligen Bundeskanzler Werner Faymann vorgeworfen, er habe davor als Verkehrsminister unzulässig interveniert, damit die ÖBB um Hunderttausende Euro in der "Kronen Zeitung" wirbt. Das wäre Missbrauch öffentlichen Geldes für eher persönliche Werbezwecke. Während der Ermittlungen der Staatsanwälte dazu und unter diesem politischen Druck entstand dann von der Regierung eher ungeliebt die Transparenzdatenbank. Zugleich hatte die Politik aber weiter die Absicht, ihre dort irgendwie erfassten Werbeausgaben nicht allzu durchsichtig zu gestalten. Die Ausgaben der öffentlichen Stellen für Inserate, vor allem der Regierungen, sollten weiter eher Gegenstand diskreter Vereinbarungen von Politik und Medien bleiben, ohne allzu laute öffentliche Debatten.

»Die ökonomische Abhängigkeit wird immer größer «

Was sollte ein Zeitungsleser denn über das Verhältnis zwischen Politik, Medien und die Geldflüsse zwischen ihnen wissen?
Medienpolitik ist in Österreich seit Jahrzehnten Elitenpolitik. Das ist nicht gut. Dabei wird sehr viel öffentliches Geld eingesetzt, 2020 waren es alleine von der Bundesregierung 33 Millionen Euro für Inserate und nochmal so viel für Presseförderung und Privatrundfunkförderung. Politik hat aber traditionell wenig Interesse daran, Wissen über Medienzusammenhänge an die Bevölkerung zu bringen. Schon in den Schulen ist Medienerziehung ein Orchideenfach. Was wir über Medien wissen, wissen wir dann aus den Medien - und diese berichten sehr eingeschränkt und zwangsläufig parteiisch. Das ändert sich jetzt vielleicht, weil die ökonomische Abhängigkeit immer größer wird und Politik in diesem traditionell symbiotischen Verhältnis die Führungsrolle übernimmt und Medien und Journalismus immer stärker unter Druck setzt. Immer mehr Medieneigentümer und Journalisten äußern ihre demokratiepolitische Besorgnis jetzt auch sehr deutlich öffentlich. Ihr Verlag spielte in dieser Diskussion zuletzt ja auch eine Rolle.

Mir scheint, dass hier eine Neiddebatte geführt wird. Sogenannte Qualitätsmedien berichten, dass sogenannte Boulevardmedien unverhältnismäßig viel Geld für Inserate bekommen. Sie aber kommen in Ihrer Studie zum Ergebnis, dass durchaus auch Vertreter der angeblich Benachteiligten ordentlich mit Geld versorgt werden. Ist die Debatte redlich?
Es stimmt, dieser Diskurs ist ein Konkurrenzdiskurs, der in alle Richtungen sehr oberflächlich geführt wird. Ich will auch unsere Studie nicht missverstanden wissen. Wir haben keine Studie zu Qualität der Berichterstattung und Wert bestimmter Zeitungen gemacht. Wir haben aber dargestellt, was mit dem Geld passiert und dass bestimmte Medien - vor allem die Gratiszeitungen - von der Regierung gezielt gefördert werden und die Marktregulierung im Zeitungssektor durch die Regierung immer stärker wird. Ob und wie dann Medien über solche Forschungsergebnisse berichten, ist ein anderes Thema.

Aber dass darüber gesprochen wird, das haben Sie ein Stück weit mit angestoßen.
Ein wenig ist uns das gelungen. Eine Gefahr ist uns aber bewusst: Eine Reaktion auf unsere Studien ist, dass viele Menschen sagen, Medien sollten gar kein öffentliches Geld bekommen. Der Markt, Angebot und Nachfrage, heißt es dann, würde die Medienlandschaft schon regeln.

» Ohne Förderung würden viele Titel schnell verschwinden«

Warum betrachten Sie einen solchen Standpunkt als Gefahr? Wer vom Staat nichts bekommt, ist doch nur unabhängig von ihm.
Inserate sind in Österreich zu einer Form der versteckten Medienförderung geworden. Bei echten Medienförderungen, die auf Basis gesetzlicher Grundlagen ausgeschüttet werden, sind wir überzeugt, dass diese für Vielfalt von Medien und Journalismus in Österreich notwendig sind. Der hochkonzentrierte Markt versagt hier schon lange. Dazu stehen Medien unseres kleinen Landes in Konkurrenz mit jenen aus einem viel größeren gleichsprachigen Markt. Eine Zeitung oder ein Magazin in Deutschland, die dort national ein paar Prozent Marktanteil haben, können gut davon leben. In Österreich reicht das nicht. Ohne öffentliche Förderung würden hier sehr viele Printtitel sehr schnell verschwinden. Und es gibt schon jetzt nur noch 14 Tageszeitungen, im internationalen Vergleich also extrem wenig. Selbst reichweitenstarke Boulevard-und Gratiszeitungen wären ohne öffentliche Mittel ganz tief in den roten Zahlen. Deshalb braucht es Förderung. Ich glaube sogar, dass es sehr viel mehr braucht, als derzeit ausgeschüttet wird, aber nicht als verdeckte Inseratengeschäfte, sondern als Förderungen nach klaren qualitativen Kriterien.

Warum sollte man mit Steuergeld eine Blase aus Vertretern sogenannter Qualitätszeitungen, Presseklubs und Experten am Leben erhalten? Das Land wird vermutlich auch ohne sie funktionieren.
Unabhängiger Journalismus ist eine zentrale Infrastruktur der Demokratie, darum ist es sinnvoll diesen zu fördern. Information muss alle erreichen können. Das gilt ebenso wie für öffentliche Investition in Bildung, die jedem zur Verfügung stehen soll, und nicht nur denen, die es sich leisten können. Medienförderung ist ja keine Erfindung Österreichs. In Skandinavien etwa werden seit Langem deutlich höhere Mittel dafür ausgeschüttet. Das sind nicht zufällig Länder, die auch in Rankings zu Demokratie und Lebensqualität häufig sehr weit oben stehen.

Sebastian Kurz
© News/Matt Observe Sebastian Kurz, ÖVP: Kein Kanzler vor ihm gab mehr Geld für Inserate aus

Hat Sie überrascht, dass die "Kronen Zeitung" unterdurchschnittlich wenig Geld für Regierungswerbung erhält?
Nein. Das hat damit zu tun, dass die interne Vergabeformel des Bundeskanzleramtes eindeutig darauf abgestellt ist, die Gratiszeitung "Heute" und vor allem "Österreich"/"OE24" besonders oft zu buchen und damit zu fördern. Ob da politische Interessen dahinter stehen und wenn ja, welche, das wäre Gegenstand weiterer Forschung. Es gibt aber viele kritische Beobachter, die sagen, dass sich politische Entscheidungsträger, ob nun auf Bundes-oder Länderebene, damit Wohlwollen bei den Medien kaufen.

Trauen Sie sich das auch?
Ich sage: Es ist zumindest eine plausible Option. Indizien dafür gab es ja zuletzt durch beschlagnahmte Handy-Nachrichten von einem Kabinettsmitarbeiter an seinen Chef, Ex-Finanzminister Hartwig Löger. Der zuständige Beamte schreibt recht unbefangen, dass sich der Minister "über das sehr üppige Medienbudget" des Ministeriums, wörtlich, "viel Wohlwollen für persönliche Zwecke" sichern kann. Das war im ersten Halbjahr 2019, ehe die ÖVP-FPÖ-Koalition zerbrach. Prompt gab das Finanzministerium um 50 Prozent mehr für Inserate aus als im Jahr davor, wie unsere Studie zeigt. Bürger, die diese vier Millionen Euro und ihre Verteilung in der Transparenzdatenbank aber jetzt finden wollen, haben Pech. Das ist dort schon gelöscht.

2020 hat die Regierung mit zehn Millionen Euro Tageszeitungen zur Dämpfung der Pandemie-Folgen gefördert. Auch Gratiszeitungen, die wenig zu drucken und zu vertreiben hatten: In Bahn-und U-Bahn, dem Hauptvertriebsweg, war um bis zu 70 Prozent weniger Publikum unterwegs.
Das Beispiel zeigt, dass das gewählte Instrument der Förderung nach Druckauflage aus einem früheren Jahr untauglich war. Würde die Politik ihre angeblichen Förderziele ernst nehmen, müsste sie das Ergebnis nun evaluieren.

Tut sie das nicht?
Nein. Und selbst wenn sie wollte: Es geht gar nicht. Weil die Gratiszeitungen für diese erste Pandemiephase im Jahr 2020 keine offiziellen Druck-und Vertriebszahlen geliefert haben.

Die Regierung überweist nicht nur Inseratengeld dorthin, wo es ihr parteipolitisch nützt. Das gleiche trifft auch auf Informationen zu.
"Message Control" ist natürlich nicht verboten. Jede Regierung will bestmöglich dastehen. Aber: Wenn das steuerfinanziert ist, sind alle gleich zu behandeln, Medien, Journalisten, Bürger. Außerdem wächst die Schräglage bei Ressourcennutzung zwischen Politikern und Journalisten. Noch nie wurde in Ministerien so viel Geld für Öffentlichkeitsarbeit ausgegeben. In der durchschnittlichen Politikredaktion österreichischer Zeitungen und Magazine arbeiten nur noch ein Handvoll angestellter Redakteure. Im Bundeskanzleramt haben inzwischen rund 80 Mitarbeiter mit Medienarbeit zu tun. Das wird mit Steuergeld finanziert. Es wird immer schwieriger, aufgeklärten, öffentlichen Diskurs herzustellen.

IN EIGENER SACHE
Keine Inserate für VGN

News2124
© News

Affäre. Auch das Magazin News und sein Eigentümer, die VGN Medien Holding, sind Teil des polit-medialen Gefüges in Österreich. Weil Finanzminister Gernot Blümel eine kritische Titelgeschichte ("So mies geht's Türkis") nicht gefiel, teilte uns einer seiner Mitarbeiter im Juni mit, dass das Finanzministerium künftig keine Inserate mehr in den Heften des Verlages buchen würde. Wir veröffentlichten das via Twitter, und widmeten dem Thema anschließend zwei größere Beiträge und ein weiteres Cover (siehe Foto) .

Die Summen. Ex-Kanzler Werner Faymann gilt als jener Politiker, der den Einsatz von Steuergeld für politische Eigenwerbung und die Befriedung von Medien "perfektioniert" haben soll. Seine Regierung gab dafür monatlich 1,2 Mio. Euro in Zeitungen aus. Die Regierung Kurz II (Türkis-Grün) übertrifft das mit 3,1 Mio. Euro pro Monat deutlich. Allerdings: Mitverantwortlich dafür ist auch die COVID-Kampagne des Bundes.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der Printausgabe von News (28+29/2021) erschienen.