Darum legt er sich mit Facebook an

Ein Österreicher kämfpt gegen einen der größten Internet-Konzerne weltweit

von Max Schrems © Bild: NEWS/Matthias Obergruber

Und Schrems weiß, wo er den Konzern angreifen muss: in Irland. Denn dort hat Facebook seine Europazentrale. 2011 reicht der Salzburger daher bei der zuständigen irischen Datenschutzbehörde 22 Beschwerden ein. Doch die Behörde bleibt jahrelang untätig. Deshalb klagt Schrems Facebook nun einerseits vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg und andererseits vor dem Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen. 25.000 Personen haben sich der "Sammelklage" in Wien bereits angeschlossen, es ist die größte Datenschutzklage Europas. Warum der Student gegen den Multi aufbegehrt und was sich ändern könnte, wenn er den Prozess in Wien gewinnt, verrät er im Interview.

Worum geht es bei Ihrer „Sammelklage“ gegen Facebook vor dem Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen?
Max Schrems: Bei der Klage in Wien geht es darum, das Grundrecht Datenschutz durchzusetzen, das es in Europa zwar gibt, aber nicht umgesetzt wird.

Was wollen Sie mit Ihrer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg erreichen?
Das Grundproblem aus europäischer Sicht ist, dass Facebook Irland als europäisches Unternehmen die Daten einfach in die USA schickt, auch wenn die Firma weiß, dass die Daten dort für Massenüberwachung verwendet werden. Es gibt noch ein Verfahren, das in Irland offen geblieben ist. Darin geht es um die NSA-Überwachung. Das schaut so aus: Meine Facebook-Daten wandern von Österreich nach Irland, von Irland in die USA und von Facebook USA zur NSA. Facebook schweigt dazu. Beim Prozess in Wien hat Facebook - das hat keiner mitbekommen - alle Unterlagen als korrekt angenommen, außer die eingebrachten Snowden-Dokumente. Diesen Dokumenten zufolge hat die NSA Zugang zu Computersystemen von US-Internet-Konzernen gehabt, darunter Facebook. Im Prinzip ist es relativ eindeutig. In der europäischen Datenschutzrichtlinie steht, dass Daten nur exportiert werden dürfen, wenn im anderen Land ein angemessenes Schutzniveau herrscht. Massenüberwachung und ein angemessenes Schutzniveau? Das kann wohl nicht zusammengehen.

Wann erwarten Sie erste Resultate?
Die Schlussanträge vom Generalanwalt sollen am 24. Juni stattfinden. Das finale Urteil des EuGH erwarte ich nach dem Sommer. Beim anderen Verfahren, also der Sammelklage in Wien, wird vermutlich noch länger über die Zuständigkeit gestritten, weil wir davon ausgehen, dass Facebook alle Instanzen bemühen wird.

Es kann also noch dauern bis es in Wien zu einem Urteil kommt.
Jetzt geht es mal um die Zuständigkeit in mehreren Instanzen und dann wird es wieder um den eigentlichen Inhalt der Klage in mehreren Instanzen gehen, vieles davon ist auch weil Facebook versucht Zeit zu schinden. Wenn das eine Seite permanent macht, hat man ein Verfahren, das in ein, zwei Jahren fertig sein könnte, relativ endlose ausgedehnt. Und darauf läuft es hinaus, das ist vermutlich was Facebook will. Für das Unternehmen stellen sich die Fragen: Wie bald könnte das unser Business-Modell tangieren? Und wie lange könnte man das hinauszögern?

Welche Auswirkungen hätte es, wenn Sie den Prozess in Wien gewinnen?
Facebook müsste mehrere Millionen Schadenersatz zahlen, das ist natürlich für den Konzern kein Problem. Viel spannender ist, dass dem Konzern beim Sammeln und Speichern von Inhaltsdaten eine Grenze gesetzt werden könnte. Es geht nicht darum, dass Facebook gar nichts mehr mit den Daten der User machen darf. Aber derzeit sammelt und speichert Facebook ohne irgendwelchen ernsthaften Grenzen sämtliche Daten eines Nutzers: was er politisch denkt, wo er wohnt oder wo er zur Schule gegangen ist. Und dagegen kann man als Einzelnutzer momentan nichts tun, weil vieles davon von Facebook errechnet wird, also gar nicht vom Nutzer selbst eingegeben wird. Beim dem Prozess soll sich aber auch die Frage klären: Darf Facebook die Daten seiner Nutzer der NSA in den Rachen werfen?

Was ist Ihr Plan, falls Sie vor Gericht verlieren?
Ich gehe derzeit wirklich nicht davon aus, aber man hat natürlich immer etwas in der Schublade. Es gibt einige Schachzüge, die machbar sind, aber meine konkreten Pläne will ich jetzt noch nicht verraten. Das wäre strategisch unklug.

Warum hält Facebook sich nicht an die europäischen Datenschutzrechte?
In den USA geht es nicht darum, etwas gesetzeskonform zu machen, sondern darum, wie wahrscheinlich es ist, dass man erwischt wird. So arbeiten diese Großkonzerne und das verstehen die Europäer nicht. An der ganzen europäischen Debatte nervt mich am meisten, dass wir die ganze Zeit verlogen mit dem Finger auf die USA zeigen und sagen, dass da die Bösen sitzen. Das wirkliche Problem ist, dass sich ein Unternehmen beispielsweise in Irland praktisch nicht wegen eines Verstoßes gegen das Datenschutzgesetz strafbar machen kann. Es läuft so ab: Der Konzern muss gegen das Gesetz verstoßen, dann bekommt er eine sogenannte "Enforcement Notice", das ist de facto ein Zettel auf dem steht dass er das nicht noch einmal tun soll. Erst wenn er gegen diese verstößt, kann das Unternehmen auf 100.000 Euro geklagt werden. Und das ist in der irischen Geschichte noch nie passiert.

Haben Sie noch andere US-Konzerne im Visier?
Facebook ist ein Beispiel für viele. Ich habe mir ein Unternehmen herausgesucht und ganz genau angeschaut, um konkret sagen zu können, was da falsch läuft. Es geht also um einen Musterfall, der hoffentlich auch die Einstellung anderer Konzerne in diesem Bereich beeinflusst. Wenn es nie Klagen gibt, ignorieren sie die Gesetze einfach.

Wie stehen Sie zu dem Ausspruch: "Aber ich habe ja nichts zu verbergen?"
Jeder hat irgendetwas zu verstecken, das für ihn privat ist. Ein typisches Beispiel ist die Sexualität: Sie ist zwar vollkommen legal, trotzdem wollen es die meisten in unserer Gesellschaft privat halten. Viele Nutzer bekommen leider nicht mit, was alles über sie gespeichert wird. Ein Problem beim Datenschutz ist, dass man es nicht sehen, nicht spüren, nicht schmecken kann. Facebook liefert beispielsweise absichtlich falsche Vorschläge zum Wohnort oder Arbeitsplatz, damit wir nicht durchschauen, wie sehr der Konzern uns ausspioniert. Wenn die Leute aber mal Schwarz auf Weiß sehen, was gesammelt und gespeichert wird, dann ist die Aufregung meist groß.

Zur Person:
Max Schrems wurde 1987 in Salzburg geboren. 2007 ist Schrems für sein Studium der Rechtswissenschaften nach Wien gezogen. 2011 erfolgte ein Auslandsaufenthalt an der Universität Santa Clara im kalifornischen Silicon Valley. Dort befasste er sich erstmals intensiver mit der Datenschutzproblematik. Im selben Jahr reichte er bei der irischen Datenschutzbehörde 22 Beschwerden gegen Facebook ein. 2012 gründete der Jurist den Verein zur Durchsetzung des Grundrechts auf Datenschutz "europe-v-facebook.org".

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Kommentare

ich drück ihm die Daumen... zum Glück tut jemand was für uns Lethargiker.

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