"Es war wie ein Heiratsantrag"

Der Opernball 2017 trägt die Handschrift der neuen Chefin Maria Großbauer. Sie steckte anfängliche Kritik weg und mied das Rampenlicht - um jetzt zu zeigen, was sie kann

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Erzählen Sie uns doch bitte: Wie haben Sie Ihren ersten Opernball erlebt, Frau Großbauer?
Das ist noch gar nicht so lange her, etwa sechs Jahre, und war wirklich sehr beeindruckend, weil ich die Oper seit Kindheitstagen kenne, nachdem mein Vater ja im Orchester gespielt hat, aber der Ball etwas ganz anderes aus dem Haus macht. Ich war überwältigt von der Schönheit an diesem Abend. Ein Ball soll ja auch eine Art Oase sein. Man kann dafür in den Wald gehen und die Stille genießen oder auf einen Ball gehen und in diese Märchenwelt eintauchen - das schließt einander nicht aus. Und gerade in der Zeit, in der wir jetzt leben, glaube ich, kann ein Ball der Seele guttun.

Nun sind Sie das erste Mal für die Organisation des Opernballs verantwortlich. Haben Sie von dieser Aufgabe geträumt?
Ja und nein. Träumen kann man von einem Job, für den man eine Ausbildung machen und dann einen entsprechenden Berufsweg einschlagen kann, um darauf hinzuarbeiten. Aber für diese Position kann man sich nicht bewerben und man weiß auch nicht, dass diese Stelle vakant wird. Man kann nur gefragt werden. Ich liebe die Oper von Kindesbeinen an, und wenn man dann gefragt wird, ob man das Fest des Hauses ausrichten will, ist das ein bisserl wie ein Heiratsantrag.

Was haben Sie in den Monaten als neue Opernballorganisatorin gelernt?
Vor allem Diplomatie. Ich bekomme großartige Unterstützung von wunderbaren Menschen, aber ich habe auch viele neue Ideen und gehe damit proaktiv auf neue Partner zu. Ich bin nicht der Mensch, der wartet, was passiert. Ich habe Partner gesucht, die zu meinem Konzept passen, zur Tradition und zueinander. Vermutlich hätte ich auch sagen können: "Die Blumen sind gelb!", und es hätte auch einen Ball gegeben. Aber das ist nicht mein Anspruch. Ich bin ein detailverliebter Mensch. Ich möchte einen roten Faden, will an diesem Abend eine Geschichte erzählen an, die sich von den Blumen bis zur Damenspende wiederfindet.

Eine Ihrer Vorgängerinnen, Lotte Tobisch, hat einmal gesagt, es braucht gar keine Organisatorin, den Ball kann auch das Opernballbüro organisieren. Müssen Sie da widersprechen?
Es gibt verschiedene Formen, etwas umzusetzen. Die Frage ist: Was will man am Ende des Tages? Und dass ich hier meinen Spirit einbringen darf, freut mich.

Die Oper gilt als Männerdomäne mit vielen, sehr selbstbewussten Akteuren. Brauchten Sie zur Umsetzung Ihrer Ideen neben Diplomatie auch Ellbogentechnik?
Man braucht sowohl Diplomatie als auch Durchsetzungsvermögen. Der Ball ist aber keine Männerdomäne, er hat viele Facetten. Ich habe mir auch viele weibliche Partner gesucht. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich in einer Männerwelt gefangen bin. Und dem Mann, der logistisch und technisch für den Umbau verantwortlich ist, Walter Renner, bin ich zum Beispiel eng verbunden. Er hat seinen Bereich so was von im Griff und hilft, meine Ideen umzusetzen. Er ist deutlich älter als ich und es gibt trotzdem keinen Generationenkonflikt. Hauptsache, die Chemie stimmt.

Wie würden Sie Ihr Konfliktlösungspotenzial beschreiben?
Ich habe lange in Werbeagenturen gearbeitet und war dann zehn Jahre lang selbstständig. Das war eine gute Schule fürs Leben generell, denn das Agenturgeschäft ist keine Blümchenwiese, da geht's schon hart zur Sache. Man muss in kürzester Zeit Ergebnisse liefern. Ich habe auch Musik studiert, und damit konnte ich insgesamt ein gutes Rüstzeug für diese Aufgabe mitbringen.

Sie haben Saxofon studiert und standen auch mit Band auf der Bühne. Welchen Stellenwert hat das Musikmachen heute für Sie?
Das Saxofon ruht gerade, weil auch mein Tag nur 24 Stunden hat. Ich bin natürlich durch meinen Vater mit Musik aufgewachsen, aber ganz ohne Druck. Ein Instrument lernen zu dürfen, ist ein Geschenk fürs Leben, auch wenn man nicht Profimusiker wird. Ich wollte früher von Musik leben, aber das war schwierig. Ich musste erkennen, dass ich es nicht geschafft habe. Deswegen bin ich beruflich in der Werbung geblieben, aber Musik bleibt eine Leidenschaft. Im Moment singe ich fast jeden Tag mit meinem Sohn Weihnachtslieder.

Haben Sie ein bevorzugtes Musikgenre?
Ich bin durch meinen Vater zur klassischen Musik gekommen, zu Oper und Sinfonik, und meine Mutter hat Frank Sinatra und Dean Martin rauf und runter gehört. Das ist auch eine große Liebe von mir! So bin ich zum Saxofon gekommen. Und ich liebe echte Volksmusik. Beim Opernball wird sich viel tun, wir haben ein abwechslungsreiches Musikprogramm.

Was kann man an so einem traditionsreichen Ball denn überhaupt neu erfinden?
Ich sehe den Opernball wie einen Diamanten, dem ich eine neue Fassung geben darf. Es geht nicht darum, Dinge neu zu machen nur der Erneuerung wegen. Gutes bleibt erhalten. Ich lege den Fokus noch mehr auf das Wesentliche. Was ist der USP des Opernballs?, würde man in der Werbung fragen. Der ist das Wienerische. Es geht um Wien und Tradition, das ist für mich etwas Lebendiges. Man kann es nicht besser sagen als Gustav Mahler: "Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers." Der Opernball ist ja auch Staatsball, für mich ist das ein Auftrag, das Beste aus verschiedenen Bereichen dieses Landes zu zeigen. Man soll das überall am Ball in kleinen Details spüren. Ich wünsche mir, dass eine eigene Energie entsteht, die die Besucher wirklich berührt und nicht nur nett und schön ist.

Es ist der erste Ball nach schwierigen Bundespräsidentenwahlen. Viele Politiker, die einander eben noch hässlich kritisiert haben, werden dort aufeinandertreffen. Wie beurteilen Sie die politische Kraft des Balls?
Der Ball hat eine Kraft, die Kunst und Musik generell haben, nämlich eine Brücke zu bilden. Er ist eine Plattform, wo man in ungezwungener Atmosphäre plaudern und sich an dem freuen kann, was dieses Land Gutes kann und hat: unsere Kulinarik, unsere Designer, unsere Musiker und andere Künstler.

Sie sind mit 35 Jahren die bislang jüngste Opernballorganisatorin. Darf man Ballmutter zu Ihnen sagen?
Die Bezeichnung habe ich seit Monaten nicht mehr gehört. Ich bin mit Leidenschaft die Mama von meinem Sohn. Gerade im Sinne eines zeitgemäßen Frauenbilds kann ich doch einfach die Opernballorganisatorin sein, oder?

Kann Ihr Sohn etwas mit Ihrem neuen Job anfangen?
Er hat mich schon in der Oper abgeholt, aber mit zweieinhalb ist er noch zu jung, das vollständig zu verstehen. Aber er kann schon "Opernball" sagen.

Was wird Ihr Sohn von Mamas erstem Ball mitbekommen?
Der wird zu Hause bei den Großeltern sein und darf nur die Aufzeichnung vom Ball sehen. Das ist sonst zu spät.

Wie würden Sie sich denn als Mutter beschreiben?
Ich bin leidenschaftlich gern Mutter und ich liebe das Gefühl, dass man seine eigene Kindheit nochmals erleben kann; noch einmal die ganzen Bücher wie "Die kleine Raupe Nimmersatt" lesen und die alten Walt-Disney-Filme anschauen. Es ist das schönste Kontrastprogramm der Welt, wenn ich heimkomme und mit meinem Sohn etwas male oder wir gemeinsam kochen. Ich bin von ganzem Herzen Mutter.

»Mein Mann ist mein Vertrauter, aber entscheiden muss ich alleine«

Bei wem haben Sie sich in schwierigen Fragen rund um den Ball Rat geholt?
Natürlich ist mein Mann mein wichtigster Vertrauter in meinem Leben. Aber am Ende des Tages muss ich selbst entscheiden. Es ist oft sehr laut um einen, es wird viel eingeredet auf einen. Dann muss man versuchen, in sich hineinzuhören, was die innere Stimme sagt. Ich höre auf mein Gefühl, denn ich muss ja auch hinter meinen Entscheidungen stehen.

Inwieweit hat sich durch die neue Position Ihr Alltag zu Hause geändert?
Sehr, weil davor war ich in Karenz und jetzt habe ich einen Vollzeitjob. Man muss gut organisiert sein, aber das wissen alle berufstätigen Mamas ohnehin. Mein Mann ist zwar viel unterwegs, aber gleichzeitig unterstützt er mich sehr und wir teilen uns die Aufgaben, soweit das geht. Wir sind ein super Team.

Sie haben mit Ihrem Mann beim Projekt "Philharmonic Taste" auch zusammengearbeitet. Dabei wurden einen Abend lang Wein und Musik aufeinander abgestimmt zum Kunstwerk. Manche Paare könnten nie zusammen arbeiten. Warum klappt es bei Ihnen?
Wir haben zu vielen Dingen denselben Zugang. Wir verstehen uns blind und haben das gleiche Gespür. Die Chemie stimmt einfach. Mein Mann ist Musiker und äußerst kreativ. Er überfordert mich oft mit seinen Ideen. Wir können einfach gut Pingpong spielen mit unseren Gedanken.

Sie waren nach Ihrer Bestellung zur Opernballorganisatorin mit Gerüchten konfrontiert, weil Ihr Mann als Violinist und Vorstand der Philharmoniker dem Operndirektor nahesteht. Wie steckt man das weg, wenn das Wort "Freunderlwirtschaft" im Raum steht?
Es gibt Menschen, die freuen sich mit einem, und solche, die das nicht tun. Das muss man akzeptieren. So ist das Leben. Ich habe nichts zu verstecken: Ich wurde vom Direktor gefragt, weil er glaubte, ich bin die Richtige für diesen Job, und habe mich sehr gefreut. Übrigens glaube ich, dass es nicht viele Frauen gibt, die zu dieser Aufgabe Nein sagen würden.

Haben Sie die kritischen Reaktionen irritiert?
Nein, man hat halt nicht nur Freunde im Leben, auch wenn man das gerne hätte. Meine Oma hat schon gesagt: Jedem Menschen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann. Sie ist 92 Jahre alt und hat recht.

Der Opernball ist ein Ball der strengen Etikette. Wie haben Sie sich diesbezüglich sattelfest gemacht?
Teilweise bin ich damit aufgewachsen, teilweise habe ich es in den letzten Jahren gelernt, weil ich mit meinem Mann viel unterwegs war. Und was man nicht weiß, kann man googeln. Ich finde schön, dass es strenge Kleidervorschriften gibt, weil Kleidung mit Respekt zu tun hat. Das ist, wie wenn ich mich für meinen Mann schön mache, weil er Geburtstag hat, oder für ein Abendessen mit einer Freundin. Kleidung ist auch ein Ausdruck von Wertschätzung.

Was tun Sie, wenn Sie am Opernball einen Mann mit falschem, weil schwarzem Mascherl treffen?
Wir haben für den Notfall einen Koffer voll weißer Mascherln und helfen gerne aus. Würde ich ihn treffen, würde ich wohl sagen: "Warten Sie kurz, ich glaube, ich habe noch ein Mascherl für Sie!" Mit Charme kann man solche Situationen doch gut lösen.

Das Ballkleid der Opernballorganisatorin steht bei Modeinteressierten alljährlich im Mittelpunkt des Interesses. Ist Ihnen die Kleid-Entscheidung schwergefallen?
Nein, das hat sich wunderbar gefügt und ist alles schon vorbereitet. Ich bin jemand, der sich schnell entscheidet. Auch beim Hochzeitskleid habe ich das erste gekauft, das ich anprobiert habe.

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Wie würden Sie allgemein Ihren Stil beschreiben?
Ich mag es gern klassisch, aber mit einem gewissen Etwas.

Wenn man die TV-Übertragung des Opernballs in größerer Runde ansieht, wird meistens nicht über die künstlerischen Darbietungen geredet, sondern über die Kleider und den Blumenschmuck. Kränkt Sie das?
Nein, das gehört ja dazu, wie bei einem Mosaik, das aus vielen Teilen besteht. Natürlich darf man über die Kleider sprechen.

»Bei aller Ehrfurcht und Liebe: Es ist ein Ball und keine Herzoperation«

Vor welchem gängigen Etikettefehler oder Fauxpas möchten Sie warnen?
Ach, jedem passiert einmal ein Fauxpas. Wir sind alle Menschen. Man kann sich anpatzen, es kann etwas umfallen, man kann jemanden falsch ansprechen. Wenn man das charmant löst, ist daran nichts Schlimmes. Bei aller Ehrfurcht und Liebe zum Wiener Opernball: Es ist ein Ball und keine Operation am offenen Herzen.

Wenn, sagen wir, der Bundespräsident am Vorabend des Balls anruft und sagt, er bräuchte privat noch zwei Karten. Haben Sie dafür ein diskretes Kontingent?
Ich bin sehr gut organisiert, und man muss mit allen Eventualitäten rechnen. Grundsätzlich sind wir bis auf die Flanierkarten ausverkauft. Es gibt Rahmenbedingungen wie eine gewisse Anzahl an Logen. Da kann ich keine dazuzaubern.

Tanzen Sie gern?
Ja, ich tanze sehr gerne Polka und Galopp. Ich mag das gerne nach der Quadrille, wenn es auch schnell wird.

Wo findet man Sie in den Morgenstunden, wenn Ihr erster Opernball als Organisatorin zu Ende geht?
Ich habe mir vorgenommen, alle Säle zu besuchen. Dafür muss ich mir noch einen Zeitplan machen, weil das ganz schön viele sind. Aber ich will sehen, wie alles in der Realität klappt und wirkt, und ich möchte auch allen neuen Partnern die Ehre erweisen, vorbeizuschauen. Vielleicht kann ich den letzten Tanz tanzen, und dann werde ich ein Frühstück brauchen.


Maria Großbauer

aus Grafenbach (NÖ) studierte an der Werbeakademie und arbeitete in Agenturen, bevor sie sich 2011 selbstständig machte. Die Tochter des ehemaligen Philharmonikers Karl Jeitler ist mit dem Vorstand der Wiener Philharmoniker, Andreas Großbauer, verheiratet und hat einen zweijährigen Sohn. Im März 2016 machte Staatsoperndirektor Dominique Meyer sie zur Opernballorganisatorin.

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