Manifestation: Wie Wünsche Realität werden können

Die Technik des Manifestierens klingt fast zu schön, um wahr zu sein: Demnach muss man sich das, was man sich wünscht, nur gut vorstellen. Obwohl sie esoterisch anmutet, findet die Methode immer häufiger Beachtung in Psychologie und Neurowissenschaft. Wie gelingt die erfolgreiche Selbstbeeinflussung - und macht uns positives Denken wirklich erfolgreicher?

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Manifestation kann Wünsche Realität werden lassen. © Bild: iStockphoto.com

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Was bedeutet Manifestation?

Fast zehn Millionen Suchergebnisse erhält man, wenn man den Begriff "Manifestation" auf Instagram eingibt. "Halte an deiner Vision fest und glaube daran, dass deine Wünsche Realität werden", schreit es einem entgegen. Man würde meinen, es handle sich dabei einfach um Kalenderprosa, die in jeder Küchenecke hängen könnte. Doch damit ist die Methode, mithilfe derer Millionen Menschen nach einem besseren Leben trachten und die bereits von den alten Stoikern praktiziert wurde, nicht einmal ansatzweise zu beschreiben.

Beispiele für gelungene Manifestation

Es klingt fast zu schön, um wahr zu sein: Manifestieren bezeichnet jene Strategie, mittels derer die eigene Zukunft durch gezieltes Wünscheformulieren und reine Vorstellungskraft positiv zu gestalten versucht wird.

Vereinfacht gesagt: Man schickt durchdachte Wünsche ans Universum und irgendwann werden sie dann - hoffentlich - Realität. Erfolg, Geld, Autos, Liebe: Unzählige Promis sind schon lange Fans dieser Technik. Rapper Drake manifestierte seinen Wunsch nach einer Musikkarriere zum Beispiel damit, dass er als noch unbekannter Musiker einen Rolls-Royce leaste, der ihn täglich an sein Wunschleben erinnern sollte. 2021 wurde sein Traum schließlich Realität: Der mittlerweile weltberühmte Musiker bekam ebendieses Auto vom Hersteller geschenkt. Jim Carrey stellte sich Anfang der 90er-Jahre selbst einen Scheck über 10.000 US-Dollar aus, um seine Schauspielkarriere zu manifestieren, und konnte diesen nach seinem Kinoerfolg im Jahr 1994 ("Dumm und Dümmer") tatsächlich einlösen. Talkshow-Queen Oprah Winfrey manifestiert nicht nur selbst, sie bietet sogar Kurse an ("The Life You Want"), um Menschen beizubringen, ihre Wünsche richtig zu formulieren: Für schlappe 85 US-Dollar pro Jahr können User Teil von Oprahs Universum werden.

Manifestation als lukratives Geschäft

Nicht nur Oprah hat erkannt, dass sich mit Manifestation gut Geld verdienen lässt. Unzählige Life-Coaches bieten ähnliche Workshops an, die teilweise Hunderte Euro kosten. Über die Qualität der Inhalte lässt sich sicherlich streiten, allerdings ist Manifestation kein esoterischer Firlefanz - zumindest nicht ausschließlich.

Auch in der Psychologie findet das Prinzip des Manifestierens Berücksichtigung. Man spricht in diesem Zusammenhang von "positiver Psychologie". Die Klinische und Gesundheitspsychologin Laura Stoiber weiß: "Die positive Psychologie, ein Zweig der Psychologie, beschäftigt sich mit dem Studium und der Förderung von Wohlbefinden, Stärken und positiven Emotionen. Sie betont die Bedeutung von Optimismus, Dankbarkeit, Resilienz und Selbstmitgefühl."

Das Manifestieren, so die Psychologin, nutzt ähnliche Prinzipien, indem es positive Gedanken und Überzeugungen zur Verwirklichung von Zielen und Träumen einsetzt. Manifestieren wie positive Psychologie fokussieren somit beide auf positive mentale Zustände und Ressourcen.

Gesünder, glücklicher, erfolgreicher

Dass Optimismus und "schöne Gedanken" nicht nur angenehmer sind, sondern außerdem gesund und erfolgreich machen, ist mittlerweile längst wissenschaftlich bestätigt.

Martin Seligman gilt als Begründer der positiven Psychologie und konnte in einer Studie den positiven Einfluss von Optimismus belegen: Seligman und sein Forscherteam analysierten den Erfolg von Versicherungsmaklern und demonstrierten, dass optimistische Makler um 37 Prozent erfolgreicher in Verkaufsgesprächen waren.

15 Prozent länger leben optimistische Menschen laut einer Studie der Boston University School of Medicine aus dem Jahr 2019 im Schnitt.

37 Prozent erfolgreicher waren optimistisch gestimmte Versicherungsmakler in Verkaufsgesprächen laut einer Studie von Martin Seligman.

400 Prozent erfolgreicher waren Mitglieder der U.S. Army laut einer 2021 durchgeführten Studie, wenn sie über eine hohe positive Stimmung und Optimismus verfügten. Wer sich wohlfühlte, konnte im Schnitt viermal mehr Auszeichnungen und herausragende Taten vorweisen.

Die "Macht" des positiven Denkens und des Manifestierens beruht auf mehreren psychologischen Prinzipien: Zunächst beeinflussen positive Gedanken und Überzeugungen die emotionale und kognitive Verarbeitung von Informationen. "Optimistische Menschen neigen dazu, Herausforderungen als lösbar zu betrachten, und setzen sich aktiv mit Problemen auseinander. Dies kann zu einem besseren Umgang mit Stress und der Bewältigung von Schwierigkeiten führen", erklärt Stoiber.

Ein positiver Fokus, so die Psychologin, kann das Gehirn in eine positive Richtung lenken und somit ein positives Resonanzgesetz erzeugen. "Indem man sich auf positive Ziele und Lösungen konzentriert, können Menschen sich besser auf Chancen ausrichten und ihre Ressourcen effektiver nutzen, um diese Ziele zu erreichen."

Eine US-amerikanische Studie der Boston University School of Medicine aus dem Jahr 2019 konnte zudem aufzeigen, dass optimistische Menschen um bis zu 15 Prozent länger leben als pessimistische. "Negative Gedanken können zu einem eingeschränkten Denken und Verhalten führen, während positive Gedanken uns ermutigen, Möglichkeiten zu erkennen und auszuschöpfen", erklärt die Psychologin. Wie schädlich negative Gedanken und Grübeln auf Dauer sein können, wurde ebenfalls wissenschaftlich belegt: Das University College London zeigte in einer Untersuchung aus dem Jahr 2020, dass kontinuierliches negatives Denken das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, signifikant steigern kann. Die kognitive Leistung nimmt durch negative Gedankenspiralen sukzessive ab. Zudem werden bestimmte Proteine freigesetzt, die mit der Erkrankung in Verbindung stehen.

Manifestation und Neurowissenschaft

Marcus Täuber, Neurobiologe am Institut für mentale Erfolgsstrategien, erklärt, dass sich vor allem die Gefühle Ehrfurcht und Staunen positiv auf die kognitiven Gedächtnisprozesse im Gehirn auswirken können.

In seinem neuen Buch "Gute Gefühle"* analysiert der Forscher das Potenzial der menschlichen Emotionen und wie emotionale Stärken des Gehirns nutzbar gemacht werden können. "Gute Gefühle erhöhen die Lebenserwartung, die Leistungsfähigkeit und die Lebensqualität", konstatiert Täuber. Er sieht im empfundenen Glück den wahren Schlüssel zum Erfolg: "Nicht Erfolg macht glücklich. Sondern Glück erfolgreich."

Buch-Tipp: Schluss mit negativen Gedankenspiralen: "Gute Gefühle"* vom Neurobiologen Marcus Täuber gibt einen Überblick über das oft ungenutzte Potenzial positiver menschlicher Emotionen.

Manifestieren hat ihm zufolge, trotz des esoterischen Beigeschmacks, eine eindeutige neurowissenschaftliche Basis: "Beim mentalen Training verwenden wir zwei Konzepte der Visualisierung. Es gibt die Zielvisualisierung: Ich habe schon erreicht, was ich mir vorgenommen habe, und stelle mir vor, wie ich dafür gefeiert werde. Diese Technik wirkt sich besonders auf die Motivation aus. Das Dopamin wird angeregt, unsere Belohnungserwartung wird geschürt. Dann gibt es noch die Visualisierung eines Vorgangs: Ich stelle mir die Handlung vor, wie ich zum gewünschten Ergebnis komme. Damit arbeiten vor allem die Sportler. Tennisspieler gehen vor einem Match beispielsweise den perfekten Aufschlag im Kopf durch", erklärt Täuber. Die Visualisierung des Ziels gilt schon als Manifestation, so der Neurobiologe.

Training fürs Gehirn

"Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Goal-Shielding: Die Wahrnehmung wird auf dieses eine Ziel fokussiert und dadurch stark beeinflusst. Neurobiologisch betrachtet heißt das: Indem man sich mit diesem einen Thema stark auseinandersetzt, nimmt das Gehirn eine Bahnung vor", weiß der Gehirnforscher. "Nervennetze, die mit dem Ziel zusammenhängen, werden gestärkt und trainiert."

»Nervennetze, die mit dem Ziel zusammenhängen, werden gestärkt und trainiert.«

Aber kann man nun wirklich alles manifestieren, was man möchte? "Man kann grundsätzlich vieles manifestieren, von persönlichen Zielen wie beruflichem Erfolg, finanzieller Stabilität, guter Gesundheit, Beziehungen und Glück bis hin zu größerer Lebenszufriedenheit", erklärt Arbeits- und Wirtschaftspsychologin Stoiber. "Manifestieren kann bei verschiedenen Problemstellungen sinnvoll sein, insbesondere, wenn es darum geht, das Selbstvertrauen und die Motivation zu stärken, Ängste und negative Denkmuster zu überwinden oder neue Verhaltensweisen zu entwickeln. Es kann auch hilfreich sein, um die Lebensziele zu definieren und sich auf den Weg zu deren Verwirklichung zu konzentrieren", weiß die Expertin.

Ein bisschen realistisch muss man trotzdem bleiben, denn gerade das Erreichen von gesteckten Zielen stärkt das Selbstbewusstsein und gibt Menschen ein Gefühl von Selbstwirksamkeit.

Stoiber: "Psychologisch betrachtet ist Manifestieren eng mit der Kraft der Selbstbeeinflussung und der Selbstwirksamkeit verbunden. Indem Menschen positiv denken und an sich und ihre Fähigkeiten glauben, können sie eine optimistische und proaktive Lebenshaltung entwickeln." Jedoch sollte man nicht vergessen, dass Manifestieren keine magische Lösung für alle Lebensprobleme ist, mahnt die Psychologin.

Erlernte Selbst(un)wirksamkeit

Die Forschung ist sich einig: Die Bewertung von Gefühlen, egal ob negativ oder positiv, ist gelernt und somit veränderbar. Wo die einen Krisen sehen, sehen andere Chancen.

Womöglich erklärt das, warum Manifestation gerade in diesem Umfang und global thematisiert wird. "Ich glaube, dass in einer Krise - oder sagen wir besser: in einer Zeit des großen Wandels - die Schere aufgeht zwischen jenen, die resignieren, die frustriert sind, und jenen, die im Wandel Chancen sehen", so Neurobiologe Täuber. "Große Veränderungen bringen zwar Umbrüche, aber sie eröffnen eben auch Möglichkeiten, um schnell aufzusteigen."

»Man sollte nicht vergessen, dass Manifestieren keine magische Lösung für alle Lebensprobleme ist«

Stoiber ergänzt: "Unsere Gedanken haben einen erheblichen Einfluss auf unsere Gegenwart und unsere Zukunft. Sie beeinflussen unsere Wahrnehmung, wie wir die Welt um uns herum interpretieren und wie wir auf Ereignisse und Situationen reagieren." Als Beispiel dient der von Martin Seligman geprägte Begriff der "erlernten Hilflosigkeit": Negative Erfahrungen und Überzeugungen führen schließlich dazu, dass Menschen aufgeben und sich selbst und ihre Taten als unwirksam wahrnehmen. Dieses Konzept wird sogar zur psychologischen Erklärung von Depressionen verwendet.

Optimismus manifestieren

Optimistisch denken kann man tatsächlich lernen. Täubers Buch liefert dazu eine praktische Anleitung. "Ich möchte Menschen dazu bewegen, Schluss zu machen mit Krisenängsten und Stagnation. Es gibt ganz einfache Wege, da rauszukommen: öfter Dankbarkeit, Staunen, Interesse empfinden. Dadurch entsteht eine positive Aufwärtsspirale, man nimmt mehr Chancen im Leben wahr und das Selbstvertrauen steigt. So banal es klingt: Man muss die guten Gefühle einfach häufiger erleben. Die negativen dürfen zwar bleiben, der Kontrast ist auch wichtig, aber der Vielfalt der guten Gefühle sollten wir definitiv wieder mehr Beachtung schenken."

Mehr Optimismus schadet in krisengebeutelten Zeiten sicherlich niemandem. Ein Gemütszustand, den man guten Gewissens manifestieren kann.

Fünf Schritte zur gelungenen Selbstbeeinflussung

1. Bewusstsein entwickeln. Indem man sich bewusst macht, wie Gedanken das eigene Handeln beeinflussen, lernt man, negative Gedankenmuster zu identifizieren.

2. Kognitive Umstrukturierung. Sind negative Gedankenmuster identifiziert, gilt es, diese durch positive zu ersetzen. Sind die bisherigen Glaubenssätze wirklich wahr und alternativlos?

3. Dankbarkeit praktizieren. Regelmäßige Dankbarkeitsübungen helfen dabei, das Gehirn auf Positives zu trainieren. Stoiber rät dazu, ein Dankbarkeitstagebuch zu führen, in dem täglich drei bis fünf Dinge notiert werden, für die man dankbar ist.

4. Positive Selbstgespräche. Auf innere Selbstgespräche achten: "Sprich mit dir selbst, als wärst du dein eigener bester Freund", rät die Psychologin.

5. Visualisierungstechniken. Visualisierung kann als Werkzeug genutzt werden, um positive Zukunftsszenarien entstehen zu lassen. "Stelle dir lebhaft vor, wie du deine Ziele erreichst und wie sich dein Leben positiv verändert, wenn du diese Ziele erreichst. Die Visualisierung kann helfen, ein positives Mindset zu fördern und das Unterbewusstsein auf Erfolg und Wachstum auszurichten", so Stoiber.

Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 33/2023.

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