Manfred Deix, der
gnadenlos Zärtliche

Über Jahrzehnte hat er mit seinen Cartoons News bereichert - ein Nachruf

Er war das Neue, das Unerhörte, das Provokante in Person. Als das neugeborene "Profil" in den frühen Siebzigerjahren die ersten Blätter von Manfred Deix veröffentlichte, war nichts wie früher. Die Karikaturisten in den österreichischen Zeitungen hatten sich auf das Anforderungsprofil des Hofnarren verständigt. Den gab man mit augenzwinkernder Kumpanei, und war man so unglücklich, für eine Parteizeitung zu zeichnen, gab man auf Pfiff und Zuruf den Kampfhund.

von Deix Wochenschau © Bild: News.at
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    Manfred Deix ist tot

    Manfred Deix im Juni 1987 bei der Eröffnung von André Hellers Luna

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    Manfred Deix ist tot

    2004 in Frankfurt am Main

Deix aber war anders, und er weigerte sich zeitlebens, sich einen Karikaturisten nennen zu lassen. Er war ein Cartoonist, ästhetisch bei Walt Disney, politisch bei großen deutschen Satirikern wie Hans Traxler, Robert Gernhardt und Chlodwig Poth sozialisiert. Politiker waren nicht der Hauptgegenstand seines Schaffens, so kalt er sie auch ins Herz traf, wenn sie ihm der Attacke wert erschienen (weshalb er sie zuletzt gar nicht mehr malte, weil er an ihnen keine Gesichter mehr feststellen konnte). Er begab sich auf wesentlich gefährlicheres Terrain, denn er zeigte den österreichischen Menschen in all seinen Schrecken, und dabei liebte er die dargestellten Monster in ihrer adipösen Anmut auch noch. Diese Art Zärtlichkeit ertrugen viele nicht. Es gab Zeiten, da wurde Manfred Deix gehasst wie die anderen Großen, wie Helmut Qualtinger, Thomas Bernhard oder Elfriede Jelinek. Das Österreichische hatte er sozusagen an der Wurzel studieren können: Als Gastwirtssohn im St. Pöltner Umland studierte er, krank vor Sehnsucht nach Weite und süchtig nach Amerika, den Status quo des Landes, der sich in den Gesichtern der Wiederaufbauzeit verfestigt hatte.

Gnadenlos, grausam, vivisektorisch

Wenn er politisch eingriff, war er gnadenlos, grausam, vivisektorisch. Unter seinem Blick verzerrte sich, eine für unvorstellbar gehaltene Metamorphose, Jörg Haiders Gesicht zur Fratze und Kurt Waldheims biegsame Gestalt zur Kenntlichkeit. Deix war der erste und letzte Satiriker, dem Bruno Kreisky ernstlich böse war: Deix konnte des Kanzlers Verzeihensgeste gegenüber dem SS-Mann Friedrich Peter nicht ertragen. Später begleitete er News über zwei Jahrzehnte – ein kongeniales Pendant zum unbestechlichen Alfred Worm.

Unbegabt zu Mäßigung und Selbstschutz

Seine große Liebe war Marietta, die Ehefrau. Die Verbindung blieb kinderlos, aber Haus und Garten in Klosterneuburg waren im Besitz zahlloser Katzen, eine tendenziell hexenhafte Gegenwelt. Manfred Deix war unbegabt zu Mäßigung und Selbstschutz. Das wirkte sich in seinen letzten Jahren grausam aus. Als er um keinen Preis mehr eine Zigarette hätte anrühren dürfen, weil er an der Lungenpest zu ersticken drohte, widersetzte er sich allen Vorhaltungen. Er hat großartig gelebt und ist als einer der großen Künstler des Landes gestorben. In Krems baute ihm Erwin Pröll sein eigenes Museum, und das Schaffen seiner letzten Jahre war auf eine ganz neue Art genial, wie auf Verewigung gerichtet: Feine, fast impressionistische Aquarelle entstanden da, das Kämpferische hatte einer alterweisen Zärtlichkeit Platz gemacht.

Am Samstag ist Manfred Deix gestorben. Seine Vorkehrungen zur Verewigung in der Kunstgeschichte hat er selbst getroffen.

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