Wenn Liebeskummer tötet

Broken-Heart-Syndrom: Wie und warum Herzschmerz tödlich enden kann

von Liebeskummer wegen dem Ex © Bild: istockphoto.com/Martin Dimitrov

Die große Liebe macht plötzlich Schluss, und man hat das Schwinden der Gefühle nicht einmal geahnt. Der Ehemann, dem man grenzenlos vertraut hat, hat schon lange nebenher eine Beziehung und will plötzlich mit der neuen Familie leben. "Das hat ihr das Herz gebrochen", hört man in solchen Fällen oft.

Heute weiß man: Liebeskummer kann tatsächlich tödlich sein. Großer emotionaler Stress kann eine akute Herzmuskelerkrankung auslösen. Das sogenannte "Broken-Heart-Syndrom" ähnelt einem Herzinfarkt. Die Patienten haben starke Schmerzen in der Brust, leiden an Atemnot und werden manchmal sogar bewusstlos. "Es ist eine lebensbedrohliche Akuterkrankung. Diese Menschen brauchen sofort eine intensive medizinische Behandlung", sagt die Kardiologin Veronika Eder, die sich im Linzer Elisabethinenspital auf das Syndrom der gebrochenen Herzen spezialisiert hat.

»Es sind noch viele Studien nötig, um die Erkrankung zu verstehen.«

"Sowohl im EKG als auch im Herzultraschall ist das Broken-Heart-Syndrom nicht von einem Herzinfarkt unterscheidbar", sagt Eder. "Erst durch einen Herzkathetereingriff, der ohnehin bei jedem Infarkt gemacht werden muss, wird der Unterschied deutlich." Während beim Herzinfarkt Gefäße verschlossen sind und das Blut nicht mehr richtig fließen kann, sind beim Broken-Heart-Syndrom die großen Herzkranzgefäße offen, keine Engstellen erkennbar.

Rund ein Fünftel aller Patienten mit Broken-Heart-Syndrom entwickelt Komplikationen wie Gerinnsel, Pumpversagen und Herzrhythmusstörungen, die tödlich enden können. "In den ersten Tagen ist eine intensive Überwachung der Patienten notwendig. Danach ist aber das Gröbste überstanden, und die Prognose ist dann sehr gut", weiß Eder. Denn das Syndrom ist reversibel, das Herz kann sich also wieder völlig erholen. Allerdings erkranken zehn Prozent der Betroffenen in ihrem weiteren Leben nochmals am Broken-Heart-Syndrom.

Zusammenhang mit Östrogen-Mangel?

90 Prozent aller Patienten mit gebrochenem Herzen sind Frauen über 65. "Wir kennen die wahre Ursache der Erkrankung nicht. Daher ist auch unklar, wieso es vor allem Frauen trifft. Möglicherweise gibt es einen Zusammenhang mit einem Mangel an Östrogen", sagt die Medizinerin.

Derzeit werden die Patienten mit Betablockern, die normalerweise bei Herzinfarkt und Bluthochdruck verschrieben werden, behandelt. "Es gibt allerdings eine Studie mit über 1700 Patienten, die keine signifikante Wirkung dieser Medikamente beim Broken-Heart-Syndrom zeigte", sagt Kardiologin Eder. "Die Komplikationen, das Wiederauftreten der Erkrankung und die Sterblichkeit konnten damit nicht gesenkt werden. Es sind also noch viele Studien notwendig, um diese Erkrankung wirklich zu verstehen."

Doch nicht nur negativer Stress wie Liebeskummer oder der Tod einer nahestehenden Person können eine Herzerkrankung auslösen. Auch das Gegenteil kann der Fall sein - beim "Happy-Heart-Syndrom". Jelena Ghadri vom Züricher Universitätsspital wertete 485 Krankenakten europäischer und US-amerikanischer Patienten aus, bei denen das Broken-Heart-Syndrom diagnostiziert wurde. Vier Prozent aller Patienten berichteten dabei von einem unmittelbar vor der Einlieferung ins Spital eingetretenen freudigen Ereignis - einer Hochzeit, einer Überraschungsparty, dem Sieg des Lieblingsteams oder der Geburt eines Enkels.

Schützen kann man sich weder vor dem Broken- noch vor dem Happy-Heart-Syndrom. "Es gibt keine vorbeugenden Maßnahmen", sagt Eder. "Die meisten Patientinnen hatten vorher keine Probleme mit ihrem Herz. Auffällig ist nur, dass etwa die Hälfte von ihnen bereits früher an einer psychischen Erkrankung, wie zum Beispiel einer Depression, litt."

Volkskrankheit Herzinsuffizienz

Jedes Jahr verursachen Herz-Kreislauf-Erkrankungen laut den österreichischen Sozialversicherungsträgern über eine Million Krankenstandstage. Nicht bei jeder Erkrankung des Herzens ist die Prognose so gut wie beim Broken-Heart-Syndrom. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, zu denen Herzinfarkt und Schlaganfall zählen, sind die häufigste Todesursache in Österreich. Im Jahr 2014 starben 33.137 Menschen daran. Frauen über 65 und Männer über 45 Jahren sind laut Gesundheitsministerium von Herz-Kreislauf-Erkrankungen besonders häufig betroffen. Zudem gibt es ein Ost-West-Gefälle. Am höchsten ist die Sterblichkeit in Wien und dem Burgenland, am niedrigsten in Vorarlberg und Tirol.

Allerdings konnte aufgrund der verbesserten Versorgung bei einigen Herzerkrankungen die Sterblichkeit drastisch gesenkt werden. "Wir haben in Österreich bei Herzinfarkt eine sehr gute Akutversorgung. Bis zu 97 Prozent der Patienten überleben einen akuten Herzinfarkt", sagt Martin Hülsmann, Kardiologe an der Med-Uni Wien.

Eine schwere Erkrankung des Herzens tritt jedoch immer häufiger auf: die Herzinsuffizienz, die durch die Schwächung des Herzmuskels verursacht wird. "Das ist die Seuche des 21. Jahrhunderts", meint Hülsmann, der in der Herzinsuffizienzambulanz im AKH täglich bis zu 20 Patienten betreut. Die Zahl steigt; in Österreich sind über 250.000 Menschen betroffen.

"Mittlerweile ist Herzinsuffizienz bereits die häufigste Entlassungsdiagnose bei Patienten über 65 Jahre. Und die Zahlen nehmen laufend zu", berichtet Hülsmann. Die Gründe dafür: "Die Patienten werden immer älter, und eine Herzinsuffizienz ist eine Erkrankung des Alters. Außerdem ordnen die Mediziner die Symptome mittlerweile nicht mehr einfach dem natürlichen Alterungsprozess zu, sondern diagnostizieren eine Herzschwäche. Und die Überlebensrate bei Herzinfarkten steigt laufend, doch als Folge des Infarkts entwickelt sich häufig eine Herzinsuffizienz. Das heißt: Die Gefahr des Herzinfarkts besteht heute nicht mehr beim akuten Ereignis, sondern im Rahmen der Herzinsuffizienz."

Das Herz pumpt ununterbrochen, um alle Organe mit ausreichend Sauerstoff zu versorgen. Jeden Tag schlägt es im Schnitt 115.000 Mal und bewegt in dieser Zeit mehr als 7000 Liter Blut durch unseren Körper. Wird das Herz schwächer, kann es diese Pumpleistung nicht mehr aufrechterhalten. Zunächst ergreift das Herz Gegenmaßnahmen: Notfallhormone erhöhen die Pumpkraft und die Herzfrequenz, was zu einer Dauerbelastung des Herzens, ähnlich einem Dauerlauf, führt. Anfangs kann der Herzmuskel darauf noch reagieren. Mittelfristig erschöpft er jedoch zusehends.

»Herzinsuffizienz ist die Seuche des 21. Jahrhunderts.«

Eine leichte Herzschwäche wird meist nicht erkannt, da sie symptomlos ist. Verschlechtert sich der Zustand des Herzens allerdings, kommt es zu starker Müdigkeit, Kurzatmigkeit, Brustschmerzen, geringerer Leistungsfähigkeit, geschwollenen Füßen und Schwindel. Außerdem sinkt das Leistungsniveau. "Wenn Sie bisher immer vier Stockwerke zu Fuß hinaufgegangen sind und plötzlich schon im ersten Stock eine Pause benötigen, könnte eine Herzschwäche dahinterstecken", warnt Hülsmann.

Je weiter die Krankheit fortschreitet, desto deutlicher werden die Beschwerden. Schließlich kommt es zu akuter Atemnot - eine lebensbedrohliche Situation. Daher rät Hülsmann, bei Verdacht auf Herzschwäche möglichst bald einen Arzt aufzusuchen. "Während es früher keine Therapie bei Herzinsuffizienz gegeben hat, stehen mittlerweile gut wirksame Medikamente zur Verfügung, mit denen sich das Fortschreiten der Erkrankung stark verlangsamt", erklärt der Herzspezialist. Ist die Herzschwäche bereits stark ausgeprägt, kann in manchen Fällen ein spezieller Herzschrittmacher die Lösung sein. Andere Patienten wiederum benötigen Infusionstherapien. Der letzte Ausweg ist eine Herztransplantation, die allerdings nicht für alle Patienten infrage kommt. Denn um ein Spenderherz zu erhalten, darf man beispielsweise an keiner weiteren schweren Erkrankung leiden.

Achten Sie auf den BNP-Wert!

Vor allem Menschen mit einer Vorerkrankung wie Diabetes oder Bluthochdruck entwickeln häufig eine Herzschwäche. "Es ist wichtig, regelmäßig zu Vorsorgeuntersuchungen zu gehen, um mit einer Behandlung schnell beginnen zu können", sagt Hülsmann. Besonders ein Blutwert, das BNP, sei sehr aussagekräftig. "BNP ist ein Hormon, das bei der Dehnung der Herzkammern produziert wird. Je höher der Wert, desto schwerer die Herzinsuffizienz. Ist der Wert jedoch nicht erhöht, so kann der Patient beruhigt sein. Denn in den nächsten Monaten ist nicht mit Problemen aufgrund einer Herzschwäche zu rechnen", erklärt Hülsmann. Das Problem: Die Bestimmung des BNP-Werts kostet rund 20 Euro, die Sozialversicherungen sind aber meist nicht bereit, zu bezahlen.

Um Herzerkrankungen vorzubeugen, empfiehlt Hülsmann, "ein abwechslungsreiches Leben zu führen". Regelmäßige Bewegung sei entscheidend. Es muss kein Leistungssport sein. Ein paar Stationen früher aus der Straßenbahn aussteigen und den restlichen Weg zu Fuß gehen oder auf den Lift verzichten -eben regelmäßige Bewegung in den Alltag einbauen. Dazu ausgewogene Ernährung, kein Nikotin sowie maßvoller Alkoholkonsum. Nahrungsergänzungsmittel, wie Omega-3-Fettsäuren, oder spezielle Diäten sind nicht nötig.

Und so läuft es wieder einmal auf die Eigenverantwortung und das Bewusstsein hinaus, dass man dem Körper Gutes tun muss, um gesund zu bleiben. Die Unwägbarkeiten des Schicksals, von Kummer bis Euphorie, kann man ja nicht so einfach beeinflussen.

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