Das letzte Fußballmärchen

Teamkapitän Fuchs schafft mit dem kleinen englischen Verein Leicester City Sensation

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Fakten - Das letzte Fußballmärchen

Vorsichtshalber hatte Berater Thomas Böhm in den Dreijahresvertrag eine Ausstiegsklausel für den Fall des Abstiegs hineinreklamiert, als Christian Fuchs am 3. Juni 2015 beim Leicester City Football Club unterschrieb. Österreichs Teamkapitän war aber immer davon überzeugt, dass sein neuer Klub mit dem Abstieg nichts zu tun haben werde. Ob im Vertrag auch eine satte Meisterprämie vereinbart wurde, darüber halten sich Fuchs und sein Berater bedeckt. "Ich habe immer an die Qualität dieser Mannschaft geglaubt. Aber Leicester und englischer Meister, das passt irgendwie nicht zusammen", stapelte Christian Fuchs bis zuletzt tief.

Seit Gründung der Premier League 1992 haben mit einer Ausnahme (Blackburn, 1995) nur Klubs aus London oder Manchester den Meisterpokal geholt. Für Mitläufer wie Leicester war im Milliardenbusiness nur eine Statistenrolle vorgesehen. Zum Vergleich: Rekordmeister Manchester United verfügt über ein Jahresbudget von rund 550 Millionen Euro, Leicester muss mit 140 Millionen über die Runden kommen. Chelsea, der Klub des russischen Oligarchen Roman Abramowitsch, investierte vor dieser Saison 300 Millionen Euro in neue Spieler, Leicester lediglich 30 Millionen. Oder: Jeder einzelne Kicker von Manchester City, das im Besitz der Scheichfamilie von Abu Dhabi steht, ist mehr wert als die gesamte Stammformation von Leicester City.

Deshalb ist der Meistertitel der Underdogs aus den Midlands auch ein Triumph des Fußballs über das Big Business.

DER PUB-KICKER

Jamie Vardy, 29. Früher sprintete der Stürmer nach dem Schlusspfiff schnurstracks nach Hause, um nicht gegen seine Bewährungsauflagen zu verstoßen. Nach einer Wirtshausschlägerei spielte Jamie Vardy damals mit einer Fußfessel und arbeitete nebenbei in einer Prothesenfabrik. Im Sommer 2012 wechselte Vardy aus der fünften Liga zum damaligen Zweitligisten Leicester, schoss die "Foxes" nach zehn Jahren zurück in die Premier League. Und Hollywood will jetzt seine Lebensgeschichte verfilmen.

DER FEINTECHNIKER

Riyad Mahrez, 25. Für den modernen Fußball schien der 1,79 Meter große und 61 Kilo leichte Sohn algerisch-marokkanischer Eltern nicht athletisch genug. Aufgewachsen in Sarcelles, einem der Problemvororte von Paris mit überwiegend muslimischer Bevölkerung, kam der kreative Mittelfeldspieler im Jänner 2014 um 400.000 Euro vom Zweitligisten Le Havre zum Tabellenschlusslicht der Premier League. Für die meisten Experten ist Mahrez schon jetzt der Spieler der Saison.

DER TRAINER

Claudio Ranieri, 64. Das vierte Spiel als griechischer Teamchef war für den italienischen Trainer-Routinier zugleich das letzte: In der Qualifikation für die Euro 2016 verlor Griechenland im November 2014 daheim null zu eins gegen die Färöer-Inseln. Ein halbes Jahr später dockte der Ex-Coach von namhaften Klubs wie Chelsea, Juventus oder Inter beim englischen Abstiegskandidaten Leicester an. Und ist jetzt auf dem besten Weg zu seinem allerersten Meistertitel.

DER LEITFUCHS

© GEPA pictures

Christian Fuchs, 30. Aus Pitten über Wiener Neustadt und Mattersburg in die ganz große Fußballwelt: Der Kapitän des Nationalteams greift als erster Österreicher überhaupt nach dem Meisterpokal der englischen Premier League. Als der Niederösterreicher im Juni 2015 nach sieben mehr oder weniger erfolgreichen Jahren in der Deutschen Bundesliga (zuletzt bei Schalke 04) einen Dreijahresvertrag bei Leicester unterschreibt, klingt das eher nach Ausgedinge. Heute zählt Fuchs bei den "Foxes" nicht nur zu den Schlüsselspielern, sondern ist auch Antreiber, Stimmungsmacher und Publikumsliebling in einer Person.

DIE MANAGERIN

Susan Whelan, 52. Die gebürtige Irin ist die einzige Frau in der Chefetage eines Premier-League-Klubs. Dabei hatte sie bis zu ihrer Bestellung als CEO 2010 mit Fußball wenig am Hut. Bevor sie im weltweiten Duty-free-Business eine steile Karriere hinlegte, war sie Verkäuferin im Juweliergeschäft der Eltern in Dublin. Heute pendelt sie zwischen Leicester, London und Bangkok, dem Stammsitz des Klubeigentümers.

DER ZOCKER

Leigh Herbert, 39. Nach einer durchzechten Nacht während des Campingurlaubs in Cornwall im vergangenen Juni setzte der Tischler und Leicester-Fan im Wettbüro einen Fünf-Pfund-Schein auf den Titelgewinn, bei einer Quote von eins zu 5000. Schon in wenigen Wochen könnte er nun um 25.000 Pfund (umgerechnet rund 30.000 Euro) reicher sein. Herbert ist einer von nur zwölf Zockern, die auf einen Meister Leicester gesetzt haben. Es wäre der höchste Außenseitertriumph in der Geschichte der britischen Sportwetten.

DER EIGENTÜMER

Vichai Srivaddhanaprabha
© imago/Sportimage

Vichai Srivaddhanaprabha, 57. Der Duty-free-Milliardär aus Thailand (King Power) mit besten Beziehungen zum Königshaus ist eigentlich ein eingefleischter Polofan. Trotzdem suchte er nach Investitionsmöglichkeiten im englischen Profifußball und entschied sich 2009 für den traditionsreichen, aber finanziell angeschlagenen Leicester City Football Club, der gerade wieder zweitklassig geworden war. Kaufpreis: 40 Millionen Euro. Der Meistertitel allein würde rund 150 Millionen an Prämien und TV-Geldern in die Klubkasse spülen.

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