Hahn im Glück

Jetzt dürfen wenigstens die Bio-Gockel weiterleben - zumindest bis zur Pfanne

von Gockelhahn © Bild: istockphoto.com/olli0815

Nach Angaben der Tierschutzorganisation Vier Pfoten wurden 2014 allein in Österreich deshalb 9,4 Millionen männliche Küken gleich nach dem Schlüpfen getötet - entweder mit Kohlendioxid erstickt oder lebendig geschreddert. Sogar Biobetriebe, die eigentlich strengere Tierschutzstandards befolgen müssen, hielten lange an dieser Praxis fest.

Ein Bild von glücklichen Hühnern

Dass das Tierquälerei und ethisch bedenklich ist, dämmerte in den letzten Jahren immer mehr Konsumenten über ihrem Frühstücksei. Auch vielen Bioproduzenten wurde klar, dass das zum mühsam aufgebauten Heile-Welt-Image und zu den Bildern glücklicher Hühner so gar nicht passt. "Ja! Natürlich" und Vier Pfoten starteten daher 2012 ein Pilotprojekt, das zu einem Umdenken der gesamten Branche führen sollte. Ende letzten Jahres verpflichteten sich schließlich Bioproduzenten und Handel, gemeinsame Sache zu machen. "Dass das Töten der Hähne falsch ist, wissen wir schon länger", sagt etwa Manfred Söllradl, Geschäftsführer der oberösterreichischen GmbH "Die Eiermacher", die unter anderem große Handelsketten beliefert.

Trotzdem dauerte es einige Zeit, bis sein Betrieb auf eine tierfreundliche Alternative umsteigen konnte. Wobei man dazusagen muss: An Altersschwäche stirbt so ein Hahn auch jetzt nicht. Eine Lösung des Problems heißt nämlich "Zweinutzungshuhn". Soll heißen: Die Hühner legen viele Eier, während die Hähne zur Mast taugen. Man testete mehrere eigens dafür gezüchtete Rassen und stellte dann fest: "Von jeder Rasse taugt der Hahn zur Mast, wenn man ihn nur lange genug leben lässt."

Während ein konventionell gemästetes Hendl nach rund vier Wochen geschlachtet wird, dürfen die Hähne bei "Die Eiermacher" nun neun bis zehn Wochen lang ihre Körndln picken. Pro Woche schlüpfen hier 5000 bis 10.000 Hähne. Sie werden in mehreren Biohöfen, die mit den Eiermachern kooperieren, aufgezogen. Nach Bio-Kriterien. Auch einen eigenen kleinen Schlachthof hat man gebaut, da Gockel beim Schlachten leichter und kleiner sind als herkömmliche Masthühner und nicht in die bestehenden Fließband-Schlachtanlagen passen.

Seit Dezember hat man die Produktion komplett umgestellt, berichtet Söllradl. Im Vollbetrieb sollen in 25 Ställen je 4800 Hähne stehen. In einigen Wochen soll es die ersten Hähne im Supermarkt geben. Bei Rewe Österreich heißt es dazu, man prüfe zurzeit, wie viel Fleisch die Hähne liefern und was dann bei "Ja! Natürlich" gelistet werde.

Wobei man sich den Gockel am Teller eben nicht wie ein dickes Masthendl vorstellen darf. "Sein Geschmack erinnert an das Hendl von früher", schwärmt Söllradl. "Es ist fester, dunkler und schmeckt irrsinnig gut." Am besten geeignet fürs Braten und Grillen seien Teilstücke wie Brust oder Keule. Das übrige Fleisch landet in Bratwürsteln, Käsekrainern - oder der ganze Hahn im Suppentopf.

Ob die Gockelmast ein gutes Geschäft wird, hängt von der Bereitschaft der Konsumenten ab, für so ein Tier auch etwas mehr zu bezahlen. Die längere Mast und die Bioqualität schlagen sich im Verkaufspreis nieder. Auch für die Bioeier werden die Konsumenten zwei Cent pro Stück mehr bezahlen müssen, sagt Söllradl. "Die Hähne länger leben zu lassen kostet einfach mehr. Man hat ja nicht aus Spaß jahrelang die Küken umgebracht, sondern weil es wirtschaftlich günstiger war."

Wer mag, kann sein Frühstücksei nun mit besserem Gewissen löffeln. Anders sieht es nach wie vor bei Fertigprodukten wie Nudeln oder Kuchen aus: In diesen können nicht gekennzeichnete Käfigeier verarbeitet sein. 18.000 Tonnen solcher Eier wurden im Vorjahr importiert -aus China, Singapur und Mexiko zum Beispiel. Ob dort ein Hahn nach den Produktionsbedingungen kräht?

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