"Platter ist ein Lacher"

Kabarettist Markus Koschuh über Landtagswahl und politische Situation im Alpenland

Markus Koschuh ist ein Kabarettist, der dort hingeht, wo es weh tut. In mehr als fünfzig Tiroler Gemeinden hat er sein Stück "Agrargemein" bereits aufgeführt und damit das sperrige Thema des bäuerlichen Landraubs an den Gemeinden popularisiert. Selbst Drohungen und Beschimpfungen konnten ihn nicht abhalten und so hat er sich, wohl als einziger Tiroler Kabarettist, einen Ruf weit über die Grenzen des Alpenlandes hinaus erarbeitet. Im NEWS.AT-Interview analysiert er das Land, die Leute und die Politik.

von Landtagswahl Tirol 2013 - "Platter ist ein Lacher" © Bild: Dave Bullock


NEWS.AT: Die Agrargemeinschaften sind das bestimmende Thema der Tiroler Landtagswahl. Könnten sie, gerade auch für Nicht-Tiroler, erklären, was die Agrargemeinschaften sind und was das Problem mit ihnen ist?
Koschuh: Man hat vor einigen Jahrzehnten erkannt - konkret der Bauernbund und der ehemalige Landeshauptmann Wallnöfer - dass die Bauern in Tirol weniger werden. Da hat man versucht den Bauern und der ÖVP die Macht zu erhalten und in Tirol hat man dann Macht, wenn man Grund hat. Bei 13 Prozent besiedelbarer Fläche ist das nur logisch. Man ist daran gegangen so genannte Agrargemeinschaften zu gründen und hat eine Behörde veranlasst, Gemeindegrundstücke den Bauern als Eigentum zu übertragen. Viele Gemeinden waren davon komplett überrumpelt. Das waren Bescheide von teilweise 70-Seiten Länge und irgendwo fand sich darin dann der Satz: Im Übrigen werden die Gründe den Agrargemeinschaften übertragen. Mittlerweile sind es auch kaum mehr Bauern in den Agrargemeinschaften, maximal vielleicht noch 30 Prozent.

NEWS.AT: Gab es da keine Proteste?
Koschuh: Das ist der Punkt. Man hat sich in Tirol damals nicht getraut aufzumucken. Tirol war ein tiefschwarzes Land und aufmucken hat bedeutet, die Existenz zu ruinieren. Interessant ist aber auch, dass es beispielsweise in Galtür wo ein Herr Tschiggfrey (ehemaliger Landeshauptmann) Bürgermeister war so eine Übertragung nicht gab. Einige haben gewusst was da läuft und sich gewehrt. In vielen Gemeinden haben das die Gemeinderäte aber nicht gewusst und sind um insgesamt 200.000 Hektar Grund umgefallen. Wenn man nur jeden Quadratmeter Grund mit einem Euro als Wert annimmt, sind es 2 Milliarden Euro um die es da geht. Aus diesen Gründen sind Skipisten geworden, Schottergruben und große Jagden und bei einer Schottergrube kann mir kein Mensch der Welt einreden, dass das die Kernaufgabe eines Bauern ist. Der Verfassungsgerichtshof hat geurteilt, dass das verfassungswidrig war. Jetzt bröckelt die schwarze Mauer langsam und die Menschen trauen sich dagegen aufzubegehren.

Makrus Koschuh Fertig
© Koschuh/Berger
»Der Kabarettist muss hingehen wo es weh tut«

NEWS.AT: Vermutlich auch ein Machtfaktor, wenn der Bürgermeister zur Agrargemeinschaft gehen muss, um Hilfe zu erbetteln?
Koschuh: In vielen Gemeinden ist der eigentliche Bürgermeister der Obmann der Agrargemeinschaft und das ist eine Aushebelung der Demokratie. Das Unrecht hat vor einigen Jahrzehnten stattgefunden und feiert noch immer fröhliche Urstände in Tirol 2013.

NEWS.AT: Wie kommt man auf die Idee aus dem sperrigen Thema Agrargemeineschaften, das Kabarettprogramm „Agrargemein“ zu machen?
Koschuh: Indem man ziemlich verrückt sein muss, denke ich mir. Das Thema wirkt auf den ersten Blick sehr komplex, wenn man sich dann einarbeitet, wirkt es noch einmal komplexer und dann kommt irgendwann der Punkt an dem man sich denkt: Da geht es eigentlich nur darum, dass etwas Ungerechtes passiert ist und man hoffentlich wieder zu einem gerechten Zustand findet. Wenn man ein politisch denkender Mensch ist, dann kommt man in Tirol um dieses Thema nicht herum.

»Habe Drohungen erhalten«

NEWS.AT: Welche Reaktionen gab es?
Koschuh: Es werden immer wieder Plakate heruntergerissen aber im Großen und Ganzen sind die Reaktionen sehr positiv. Hinter vorgehaltener Hand und hier muss man sagen wirklich hinter vorgehaltener Hand, auch von Obleuten der Agrargemeinschaften. Das würde niemand von diesen Personen öffentlich sagen. Aber immer wieder sagen Agrarier zu mir, dass da etwas aus dem Ruder gelaufen ist, aber man nicht zurückrudern könne, schon gar nicht vor der Wahl. Viele haben mir auch Unterlagen zugesteckt, immer mit dem Zusatz: "Von mir haben sie das aber nicht“ Es herrscht ein bisschen Angst in Tirol, sich zu stark gegen die Politik der Landesregierung zu stellen.

NEWS.AT: Sie wurden auch persönlich bedroht. Nimmt man diese Drohungen ernst?
Koschuh: Drohungen habe ich erhalten. Auf meine Haustüre wurde mein Name mit einem Kreuz gemalt. Der Chef des Kulturzentrums Treibhaus und ich haben Briefe bekommen, die uns mit der Ermordung bedrohten. Die erste Drohung hat mich schon verstört, aber ich habe mir dann gedacht: Diese Drohungen sind nur Einschüchterungsversuche.

NEWS.AT: Wie könnte man das Problem der Agrargemeinschaften lösen?
Koschuh: Es hat einen Versuch gegeben im Landtag mit einem Rückübertragungsgesetz, das die Grundstücke wieder ins Eigentum der Gemeinden überführen würde Das Rückübertragungsgesetz ist allerdings von ÖVP-Landtagspräsident Herwig van Staa nicht zur Beschlussfassung vorgelegt worden. Es gab eine Ausschusssitzung, in der die ÖVP die Mehrheit stellte und die haben einfach keinen Bericht erstattet. Wenn der Ausschuss keinen Bericht erstattet, liegt es im Ermessen des Landtagspräsidenten, ob das Gesetz zur Abstimmung kommt oder nicht. Van Staa hat befunden, es nicht auf die Tagesordnung zu geben, wissend dass 20 von 36 Abgeordneten ( alle Parteien außer die Abgeordeten der ÖVP, Anm. d. Red.) das unterstützten.

MArkus Koschuh als Bürgermeister
© Koschuh/Bullock
»Man tut der ÖVP etwas Gutes, wenn man sie nicht wählt «

NEWS.AT: Vor der Landtagswahl haben sie noch ein zweites Programm geschrieben, dass „Landtagsmahl“ heißt und sich mit der Landtagswahl beschäftigt.
Koschuh: Es ist ein reines Wahlprogramm, das ich auch nur vor der Wahl spiele. Denn wir haben es ja ganz lustig. Elf Listen treten bei uns an und das ist ein tolles Sammelsurium an schrägen Figuren. Alleine die Liste Stronach wäre ja schon abendfüllend. Alle elf Listen haben es sich verdient im Programm vorzukommen. Inhaltlich geht es darum zu erklären, wofür die Listen stehen und wer von wessen Wahlprogramm plagiiert hat. Ich möchte die Leute nochmals sensibilisieren, dass Landtagswahl ist und sie wählen gehen sollen.

NEWS.AT: Wie kann man es erklären, dass in Tirol die ÖVP nicht nur als "Volksfront von Judäa" und "Judäische Volksfront", sondern noch mit drei anderen Splittergruppen antritt?
Koschuh: Da passt etwas massiv nicht, wenn sich vier Gruppen abspalten. Das liegt nicht nur an Günther Platter und an Herwig van Staa, sondern da liegt mehr im Argen. Die ÖVP in Tirol ist seit 68 Jahren an der Macht und wenn eine Partei 68 Jahre an der Macht ist, gehen die Grundwerte teilweise verloren. Deshalb tut man der ÖVP eigentlich nur etwas Gutes, wenn man sie diesmal nicht wählt. Denn jeden Buben der etwas anstellt, schickt man kurz in die Ecke, um einmal nachzudenken. Etwas Besseres als einmal nachzudenken, kann der ÖVP im jetzigen Zustand ja gar nicht passieren.

NEWS.AT: Ist es ein Spezifikum der ÖVP Tirol, diese Neigung zur Abspaltung?
Koschuh: Das ist ein Zeichen fehlender innerparteilicher Demokratie. In der ÖVP wird man nie einen Parteitag mit zwei Kandidaten erleben. Es gibt einen Kandidaten und der wird dann auch gewählt. So muss man entweder warten, bis sich derjenige biologisch erledigt, oder man spaltet sich ab.

»Platter ist ein Lacher«

NEWS.AT: Manche argumentieren ja, dass im Gegensatz zum letzten Mal diesmal der ÖVP doch wieder die Absolute gelingen könnte. Nur diesmal mit zwei Listen statt mit einer. Ihre Einschätzung?
Koschuh: Ich erinnere nur an Innsbruck. Dort gibt es auch eine ÖVP-Absplitterung die die Wahl gewonnen hat und lange mit der ÖVP die Regierung bildete. Das droht auch in Tirol. Wenn „Vorwärts Tirol“ (ÖVP-Abspaltung, Anm. d.Red.) massiv gewinnt, wird zwar vielleicht Günther Platter nicht mehr da sein, aber die ÖVP wird weiter an der Regierung sein. Man muss den Leuten klar machen, die Berge in Tirol bleiben auch dann stehen, wenn keine ÖVP-Splitterliste in der Regierung ist. Die Gefahr besteht durchaus, dass es Schwarz-Schwarz geben könnte. Das ist möglich.

NEWS.AT: In Niederösterreich ist Erwin Pröll gerade die Verteidigung der Absoluten gelungen und in Tirol, einem anderen ÖVP-Kernland, beginnt diese Macht zu bröckeln. Weshalb?
Koschuh: Der Pröll wird als Macher wahrgenommen und Platter ist ein Lacher. Er lässt sich auf die Jagd einladen, erzielt einen Streifschuss und lässt den Bock liegen, weil er wieder auf einen Termin muss. Das ist unehrenhaft für jeden Jäger. Platters „How do you do“-Sager, muss man nicht weiter erläutern. Günther Platter stellt nichts dar. Der mag privat ein netter Hegel sein, aber er wird nicht als dieser kernige Politiker wahrgenommen. Erwin Pröll hingegen offenbar schon. In Niederösterreich ist außerdem sicher das Wahlkampfbudget doppelt so hoch, wie das der ÖVP in Tirol. Geld spielt auch eine Rolle.

NEWS.AT: Beim Touren durch die Lande welche Stimmung bekommt man mit?
Koschuh: Viele Funktionäre haben gesagt, für diese ÖVP nicht mehr zu laufen. Dann gibt es einen Landesparteitag, bei dem die Reihen geschlossen werden und dann stimmen sie wieder einfach ungeschaut für Günther Platter. Die ÖVP will das Schlimmste vermeiden, indem sie Geschlossenheit demonstriert die nicht mehr da ist. Ich bin gespannt: Entweder es gibt ein massives Debakel für die ÖVP oder ein massives Debakel für die ÖVP.

»Einen Stronach muss man reduzieren«
Markus Koschuh springt
© Koschuh/Bullock

NEWS.AT: Was wären die eigentlich wichtigen Zukunftsthemen für die Wahl?
Koschuh: Das Thema Miete ist in Tirol enorm wichtig. Im Großraum Innsbruck sind die Mieten enorm hoch. Die Lebenshaltungskosten sind sehr hoch, nur die Gehälter sind niedrig. Da tut sich eine Schere auf, die man schließen muss. Wenn der Tourismus millionenschwer subventioniert wird und es nicht schafft, ordentliche Gehälter zu zahlen, muss man auch dort ansetzen. Verkehr ist ein wichtiges Thema. Die Bildung: In Südtirol gibt es eineGesamtschule und wesentlich bessere Bildungserfolge. Gerade in der Bildungsfrage muss man nicht nach Finnland gehen, sondern es reicht über den Brenner zu schauen. Was übrigens auch Günther Platter inzwischen so sieht.

NEWS.AT: Wenn man sich Dinge ansieht wie Günther Plattners „How do you do“-Sager oder auch die Gesamterscheinung Frank Stronachs:.Funktioniert da Kabarett noch oder reicht es aus, die Personen so darzustellen wie sie sind, um Kabarett zu machen?
Koschuh:Einen Stronach muss man schon wieder reduzieren. Er ist lebendiges Kabarett. Auch was in Tirol mit der Liste Stronach passiert ist, das kann man nicht mehr toppen. Das kann man nur so wiedergeben, wie es ist oder sogar schon reduzierter. Günther Platter ist natürlich auch eine dankbare Figur. Aber er hat zu wenig Ecken und Kanten. Ein Mann ohne Eigenschaften und Visionen. Da gibt es andere Player wie einen Herwig van Staa, die sich für Persiflagen hervorragend eignen.

»Lieblingspolitiker van Staa«

NEWS.AT: Was sind die Pläne nach der Wahl?
Koschuh: Von “Agrargemein“ habe ich langsam selbst genug. Mit der Wahl will ich das zu Ende bringen. Das nächste Programm ist für 5. September zwar schon terminlich fixiert, aber ich will den Wahlausgang abwarten, um zu sehen, in welche Richtung es geht.

NEWS.AT: In einem Land, in dem immer die gleiche Partei regiert, wo sich politisch so wenig ändert, ist es da auch die Aufgabe eines Politkabarettisten, die schlafenden Kräfte der Zivilgesellschaft zu wecken?
Koschuh: Vor allem den Leuten vor Augen zu führen, dass sie keine Lemminge sein sollen. Sondern aufzustehen, wenn ihnen etwas nicht passt und aktiv zu werden. Seid mündig und hört euch das an. Wenn es euch gefällt wunderbar! Wenn es euch nicht gefällt, auch gut! Aber vor allem geht wählen! Ich will keine Wahlempfehlung geben, sondern eine Empfehlung wählen zu gehen.

NEWS.AT: Haben sie als Kabarettist einen Lieblingspolitiker?
Koschuh: Natürlich, Herwig van Staa! Der ist für einen Kabarettisten wunderbar. Für die Leute sofort erkennbar, auf der Bühne. Ein intelligenter Mensch, was ihn auch eine Spur gefährlicher macht. Aber den kann man durch seine Ecken und Kanten eben auch besser persiflieren als einen Günther Platter. Vielleicht hat sich Herwig van Staa das Programm ja zuhause auf DVD bei einem guten Flascherl Wein angeschaut.

Ein Ausschnitt aus dem Kabarett "Agrargemein":

Kommentare

Stimmt das mit 200.000 Hektar, also 2000 Quadratkilometern, wenn das Land nur 13 % der Landesfläche von 12640 Quadratkilometern
als Dauersiedlungsraum hat? Oder sind da Almflächen, unbebaubare Flächen der roten Zonen etc. dabei?

Vielen Dank Hr. Markus Koschuh für die notwendig gewesene Aufklärungsarbeit in Tirol.
Die Bücher darüber werden leider zu wenig gelesen. Leider haben immer noch viele Tiroler das Ausmaß der Amtsmissbräuche von Wallnöfer und Co nicht erkannt!

20 % der Landesfläche - größer als Osttirol oder Vorarlberg!

Ich gebe gerne eine ABWAHLEMPFEHLUNG der ÖVP und deren neuen Listen. MfG Klaus Schreiner

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