Was gegen die Kur
spricht - und was dafür

Ist der klassische Kuraufenthalt wirklich nicht mehr zeitgemäß?

von
Gesundheit - Was gegen die Kur
spricht - und was dafür

Contra: Teurer Spaß

Genaue Zahlen über Kosten und Effekte von Kuren gibt es im föderalisierten österreichischen Gesundheitssystem nicht kumuliert. Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger gibt Kosten von über 240 Millionen Euro pro Jahr für über 120.000 Kuren an. Wie viel da noch von nicht im Hauptverband organisierten Versicherungsträgern dazukommt, ist schlicht unbekannt. Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer vermutet dahinter Absicht und bezeichnet das Kur-Business in „Profil“ als „Spielwiese der Sozialpartner“. Eine Kontrolle sei praktisch nicht möglich. Die durchschnittlichen Kosten für einen Kuraufenthalt gibt Peter McDonald mit rund 1.900 Euro an.

Contra: Vage Definition

Wer kurbedürftig ist und wer nicht, unterliegt keinen festgelegten Kriterien. Bei ernsthaften Beschwerden wie etwa Bandscheibenvorfällen, nach schweren Operationen des Bewegungsapparats (Knie, Hüfte) oder bei Burn-out wird der Patient auf Rehabilitation geschickt. Auf Kur geschickt wird bei leichteren Wehwehchen. „Ein Kuraufenthalt umfasst medizinische Maßnahmen zur Vorsorge, Erhaltung und Festigung der Gesundheit“, sagt das Sozialversicherungsgesetz zum Thema. Das lässt viel Interpretationsspielraum offen. Kein Wunder, dass sich etwa der Präsident des Hausärzteverbands, Christian Euler, strengere Prüfungen von Kuranträgen wünscht.

Contra: Widerspricht medizinischen Erkenntnissen

Ambulante und gleichzeitig langfristig angelegte Maßnahmen gelten derzeit in der Gesundheitsvorsorge als Optimum. Die Kur ist das Gegenteil davon: stationär, aus dem Alltag herausgelöst und nicht von Maßnahmen außerhalb des Kurhotels begleitet. State of the art sieht anders aus.

Contra: Vollkasko-Mentalität

Kuraufenthalte unterstützen das, was McDonald die österreichische „Vollkasko-Mentalität“ nennt. Im Alltag werde mit der eigenen Gesundheit eher schleißig umgegangen, dann erwarte man sich aber von einer dreiwöchigen Kur einen Wunder-Effekt und dass man wie aus einer Werkstatt repariert wieder herauskommen, beklagte er sich im „Profil“. Stattdessen müsse das Bewusstsein gefördert werden, dass jeder für seine Gesundheit selbst verantwortlich sei.

Contra: Klientelpolitik

Bestimmte Gruppen wie etwa Lehrer oder Beamte erhalten laut Insidern deutlich leichter Kur-Genehmigungen als andere. Manche Patienten würden alle zwei Jahre auf Kur gehen. Dennoch lassen sich Landeslehrer und Beamte deutlich häufiger als privatwirtschaftlich Angestellte via Hacklerregelung frühpensionieren. Der medizinische Nutzen der Kur scheint also mehr als fragwürdig.

Pro: Gesundheitlich sinnvoll

Die vormalige Kurärztin Ingrid Schwarz stellt diesen angeblich mangelnden medizinischen Nutzen in Frage. Gerade in Zeiten stetig steigenden Arbeitsdrucks könne eine Kur von großem Nutzen sein. Als Beispiel nennt sie in „Profil“ eine Friseurin, die durch stundenlanges Föhnen ihren Körper einseitig belastet. Das Problem sei vielmehr, dass häufig die falschen – sprich, weniger kurbedürftigen – Patienten auf Kur gingen. Speziell in wirtschaftlich schlechten Zeiten sinke die Zahl der Anträge, weil die Menschen mehr Angst um ihren Arbeitsplatz hätten.

Pro: Gesundheitskompetenz erwerben

Nicht einmal Hauptverbands-Chef McDonald, der die aktuelle Diskussion ja angestoßen hat, verneint den potentiellen Nutzen eines Kuraufenthalts. Man wolle Gesundheitskompetenz vermitteln; die Menschen anleiten, worauf sie achten müssten. Das soll auch auf Kur passieren. Auch der Generaldirektor der Pensionsversicherungsanstalt, Winfried Pinggera, spricht sich dafür aus, bei Kurpatienten das Bewusstsein zu schaffen, dass sie auf sich selbst schauen müssen. Das betreffe insbesondere Schulungen über Änderungen des Lebensstils wie etwa fettarme Küche.

Pro: System bereits umgestellt

Der Geschäftsführer des Heilbäder- und Kurorteverbands, Kurt Kaufmann, betonte im Ö1-„Mittagsjournal“, man sei schon längst zur geforderten „aktiven Kur“ übergegangen. Der Eindruck von der Kur als Volkssport oder Zusatzurlaub stimme darum „schon lange nicht mehr". Es werde auf Bewegung und psychologische Beratung geachtet und es gebe in Abstimmung mit der Pensionsversicherungsanstalt erstellte Leistungsprofile, in denen genau festgelegt sei, welche Behandlung ein Patient zu erhalten habe. Das sind übrigens mindestens 60 Einheiten in den kurtypischen drei Aufenthaltswochen.

Pro: Gegen Zwei-Klassen-Medizin

Für die Grüne Gesundheitssprecherin Eva Mückstein würde ein Einsparen von Kuren der Zwei-Klassen-Medizin Vorschub leisten und wäre folglich „äußerst unsozial“. Gerade Menschen mit niedrigen Einkommen fehle es häufig an Wissen über eine gesunde Lebensweise und eine gute Kur könne diese Lücke schließen, so Mückstein. „Deshalb sollten Kuren mit guter Qualität unbedingt erhalten bleiben.“

Pro: Volkswirtschaftlicher Nutzen

Zu guter Letzt spricht noch ein gewichtiges Argument für die Kur, das nichts mit Gesundheit zu tun hat. Fünfzehn Prozent aller Nächtigungen im an Nächtigungen ohnehin nicht gerade armen Österreich entfallen auf die 70 Kurorte des Landes, die nicht zufällig häufig in Randlagen liegen. Kaufmann, oberster Vertreter der heimischen Kurorte, brachte es im „Standard“ auf den Punkt: "Wenn es im Waldviertel keine Kurbetriebe gäbe, dann hätten wir bald gar keine Übernachtungen mehr dort." Pro 100 Betten im Kurbereich würden 39 Arbeitsplätze entstehen. Gerade in schlechten Zeiten keine zu vernachlässigende Zahl.

Kommentare

Es gehören lediglich die schwarzen schafe welche dem Sozialstaat auf der Börse liegen - zur Kassa gebeten!

URLAUB??? Dass ich nicht lache. War nach einer Schulteroperation "privat" bei etlichen Physiotherapeuten - nach der Arbeit - vor der Operation habe ich 15 Cortison Spritzen bekommen - aber erst die Kur und die speziellen täglichen stundenlangen Übungen (sehr professionelles Team in Bad Vigaun) ließen mich nach 3 Wochen "fast " schmerzfrei heimfahren. Ich danke den Angestellten in Bad Vigaun!


Sophie35 melden

Ich kenne leider einige Fälle die es sich in der Kur so richtig gut gehen lassen und das Ganze tatsächlich als günstigen Urlaub sehen...Kontrolle ist gut aber es wird dann leider so sein, dass die die es dann wirklich brauchen keine Bewilligung mehr bekommen weil andere das System schamlos ausgenützt haben....

Ivoir
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"Schwarze Schafe" wird es und gibt es überall. Daran tragen aber auch die Hausärzte Schuld, die so manchem Klientel einen Gefallen erweisen wollen.

officegirl63 melden

👍👍👍👍👍👍

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Eine Kur sollte ja eine vorbeugende Wirkung haben. In der heutigen Wirtschaft ist es aber kaum noch realisierbar diese Auszeit zu nehmen. Burnout und, wie ich sie nenne Halbschmerzpatienten, die zwar immer wiederkehrende Wehwehchen haben, die jedoch verdrängt werden, kosten im Nachhinein ein Vielfaches, als ein entspannender Kuraufenthalt abseits von Alltags u. od. Familienproblemen.

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Urlaub oder was man darunter versteht kennen viele nicht mich eingeschlossen. Urlaub ist dazu da endlich die lange aufgeschobenen Arbeiten zu erledigen. So scheint mir es für den Großteil der Arbeitnehmer sogar sinnvoller diese verpflichtend auf Kur zu schicken.

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