Wie lang hält die Kultur diese Regierung aus?

Vorbehaltlich froher Überraschungen nach Redaktionsschluss nimmt die Kunst den identischen Weg wie im Vorjahr. In den Abgrund nämlich. Dass eine Ampelkoalition hilfreicher wäre, würde ich allerdings nicht beeiden wollen

von Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

Ihren geschätzten Unmut erwartend, aber nicht erbittend, ignoriere ich zum wiederholten Mal den Redaktionsschluss, diesen natürlichen Feind des recherchierenden Journalisten. Meiner ist am Mittwoch, relativ früh. Es ist also nicht vollends auszuschließen, dass mich die wesentlich länger tagende Regierung in meinen Befürchtungen enttäuscht. Auch habe ich keine Ahnung, ob Omikron (das verbindlich so zu schreibende griechische "kleine o") womöglich nur als lächelnde Drohung an uns vorüberrauscht, um uns auf das finale Omega, das "große O", einzustimmen. Oder ob das Vieh zu dramatischeren Maßnahmen entschlossen ist.

Aber zum allgemeinen Befund der Kultur im Land kann ich, der Ressort-Autist, mich verbindlich äußern. Alles weist nämlich darauf hin, dass sich der von den Regierungsverantwortungslosen ausgeübte Vandalismus des vorjährigen Winters bis ins Detail wiederholt. Um im griechischen Einzugsbereich zu verbleiben: Man fühlt sich an Persephone erinnert, die Tochter der Erdgöttin Demeter und des Zeus, die einen Teil des Jahres im Hades festsitzt, um dann mehrere Monate lang im Lichtland des Olymp Kraft für die Rückkehr ins Dunkel zu schöpfen. Und das in alle Ewigkeit, wobei wir wenigstens nicht unsterblich sind. Beim verwünschten Redaktionsschluss deutete sich jedenfalls unüberhörbar das Folgende an: Der Handel, den man schließlich nicht verkommen lassen kann, öffnet umgehend. Man dürfe den Menschen "Weihnachten nicht stehlen", stellte Harald Mahrer den Konsumrausch unter den Schutz des Grundrechts auf freie Religionsausübung. Auch "der Tourismus" sollte sich nicht lang sorgen müssen. Für "Friseure &Co." sah es schon weniger gut aus, wobei die Kultur nicht einmal unter dem Deppenkürzel "Co." ressortiert. Sondern noch eine Stufe tiefer, unter "Gastro & Events", wobei zumindest Nummer eins Restchancen eingeräumt werden. Nun ist jemand, der "Parsifal","Maria Stuart" oder die Jupiter-Symphonie mit Clubbings und Zeltfesten unter "Events" subsumiert, schon prinzipiell an den Ohren zum Werteseminar für Bildungsverlierer zu transportieren. Bedrohlich wird die Situation allerdings erst, wenn Diktion und Prioritätensetzung zur offiziellen Lesart werden. So wie es sich gerade anbahnt. Der Erste, der vor kurzem medial in diese Richtung argumentiert hat, war übrigens der Wiener Bildungsstadtrat Wiederkehr (Neos), was mich hinsichtlich der städtischen Alphabetisierungsrate nicht in Euphorie versetzt.

Allerdings könnten zwecks Sedierung der Kulturverliebten gleichzeitig mit dem Handel auch die Museen öffnen, um erfahrungsgemäß wieder von Abermillionen Desinteressierter gemieden zu werden. Was aber die Bühnen betrifft, so werden wir noch Glück haben, wenn sich die Politik nur am Volkstheater orientiert: Dort sperrte man, ein verheerendes Zeichen, gleich vorauseilend bis 7. Jänner zu. Im gegenständlichen Fall ist das unerheblich, denn das Haus budgetiert mittlerweile ohne Einnahmen im engeren Sinn als quasi geschlossenes System des Subventionsverzehrs. Aber andere -die Oper, die Kammerspiele -hätten vor Weihnachten ihr Publikum. Nicht zu reden von den Kabarettisten oder den freiberuflichen Musikern, die sich das Wenige, das sie sich nach zehn erwerbslosen Monaten wieder anzusparen beginnen, nur ungern stehlen lassen. Zumal ihr Publikum mit Langmut die 2Gplus-Regel erduldet hat, während Unüberprüfbare in Stampeden durch Baumärkte trampelten oder der Benefizien des freien Virenverkehrs in Liftkabinen teilhaftig wurden.

Anders formuliert: Sie können sich gar nicht vorstellen, wie ich mich nach dem Ende dieser Regierung sehnen würde. Könnte ich nur damit rechnen, dass Besseres nachkommt. In Deutschland formiert sich gerade die "Ampel", die sich, jüngsten Umfragen folgend, auch bei uns ums Götzzitat ausginge. Das Kulturressort geht drüben an die Grünen, und auch anderweitig gleichen einander die Verhältnisse albtraumhaft: Zu mehr als einem für nichts befugten "Staatsministerium"(bei uns: Staatssekretariat) reicht es nicht. Und die Designata Claudia Roth ist ein Avatar der unseligen Lunacek, die nach wenigen Monaten von der eigenen Klientel ins Nirwana befördert wurde: Frau Roth bezieht den Qualifikationsnachweis wesentlich aus ihrer Mitwirkung an einer "Struwwelpeter"-Dramatisierung aus dem Jahr 1976. Wohingegen sich Frau Lunacek als Werkstudentin im Büro einer Wiener Kleinbühne verdingte und dort auch in der Statisterie mithüpfte, aus diesen Tätigkeiten aber keine wahrnehmbaren Erkenntnisse bezog. Das Glimpflichste wäre wohl die gute, alte Große Koalition, die desorientierte Amateure eher ausschlösse. Die sich aber mangels Großparteien nicht mehr ausgeht. Mit den Neos als mittelgroßem Übel allerdings schon.

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