Zieht den Bayern
die Lederhosen aus

Premiere von Wagners „Lohengrin“ in der Wiener Staatsoper

von Kritik - Zieht den Bayern
die Lederhosen aus © Bild: APA/Wiener Staatsoper/Micheal Pöhn

Homokis Problem ist der an Hans Krankls düstere Anklage „alles Trottln“ gemahnende Pauschalbefund. Mythologische oder philosophische Subtexte sind hier nicht zu erhoffen, „Lohengrin“ bleibt ein Zerwürfnis unter vorfaschistischen bayrischen Lederhosendolmen in Ludwig-Thoma-Ästhetik. Allgemein ist die gewählte Metaphorik rüder Art. Als Telramund den Zweikampf verloren hat, wird ihm im Wortsinn die Lederhose ausgezogen, wie es Feindchöre den Mitgliedern des Fußballklubs Bayern München zudenken: Wolfgang Koch agiert fortan in leinernen Unterhosen. Der Kampf selbst wird nach dem Old-Shatterhand-Prinzip ausgefochten: Lohengrin erledigt den mit dem Taschenveitel aufreibenden Untam bloßhändig. Bei seinem Auftritt ist er ein schlüpfendes Schwanenküken, was den zwei Meter hohen Titeldarsteller Klaus Florian Vogt vor nicht nur gestalterische Probleme stellt.

Dabei hat Homokis Arbeit durchaus Vorzüge: Die sonst statisch brüllenden Chöre sind gut aufgelöst, die als uninszenierbar geltende Brautgemach-Szene gewinnt als Wirtshaus-Auseinandersetzung zwischen den Jungvermählten beträchtliche Dynamik.

Das Wirken des finnischen Dirigenten Mikko Franck, der nach dem unfriedlichen Ausscheiden Bertrand de Billys spät übernahm, entzieht sich zum Teil der Bewertung. Dem dick und untransparent musizierten Vorspiel folgte ein lauter und langweiliger erster Akt, doch steigerten sich die Philharmoniker im Verlauf der Ereignisse auf imposante Höhe. Habituell einem jungen Horst Stein mit Toupet gleichend, ist Franck ein Mann dröhnender Effekte, nicht der subtilen Farbgebung. Die aber bringen temporär große Solisten wie Ernst Ottensamer (Klarinette), Martin Gabriel (Oboe) und Michael Werba (Fagott) ein. Am Ende hat man schon schlechter musizierte „Lohengrin“-Vorstellungen gehört.

Gesanglich bewegt man sich nicht immer im Verfassungsbogen einer Staatsopern-Premiere. Das Malheur beginnt mit Detlef Roths zitterdünnem Herrufer – ein Hausdebüt, dessen Sinn im Dunklen bleibt. Unwesentlich besser hält sich Günther Groissböcks asthenischer, höhenschwacher und tiefenloser König. Camilla Nylund, die Elsa, hat man schon in überzeugenderer Verfassung erlebt, die Stimme wirkt eng, das Tremolo verrät Anstrengung. Wolfgang Koch, ein robuster Brüller als Telramund, entledigt sich der Aufgabe ohne Mühe, was schon für einen Publikumstriumph reicht. Michaela Martens hingegen erfreut zumindest mit einem fabelhaften zweiten Akt. Diese Ortrud hat zur Durchschlagskraft eine schöne, biegsame Stimme und ist auch einer gewissen (ausnahmslos) vokalen Erotik fähig. Klaus Florian Vogts Lohengrin polarisiert die Wahrnehmungen des Kritikers: Die schöne, beispiellos hell timbrierte Stimme erreicht manchmal ein schwer erträgliches Maß an Femininität, so dass man sich in eine unbekannte Mezzo-Fassung verschlagen wähnt. Andererseits hat er bei Bedarf Metall und Volumen verfügbar, zudem tragen ihn Wortdeutlichkeit und die besondere Stimmfarbe über alle Orchesterstürme. Protagonist aber ist diesmal der Chor, mit dem sich, vokal und gestalterisch, an diesem Abend nicht viele messen können.

© NEWS/Herrgott Ricardo Heinz Sichrovsky

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