Wir waren Europameister

Das Nationalteam ist in Frankreich gescheitert. An uns lag es nicht.

von Wolfgang Kralicek © Bild: News

Am Mittwoch ist in St. Denis bei Paris ein schöner Traum zu Ende gegangen. Österreichs Nationalmannschaft verlor das entscheidende Spiel gegen Island und musste als Letzter der Vorrundengruppe F die Heimreise antreten. Die Performance des Teams bei der Euro in Frankreich war, man kann es nicht anders sagen, desaströs. Wie vor acht Jahren, als Österreich als Mitveranstalter erstmals an einer EM teilnahm, lautete die dürre Ausbeute nach drei Spielen auch diesmal: ein Tor, ein Punkt. Damit wurde sogar das Minimalziel – der Aufstieg ins Achtelfinale – verpasst. Und Österreich, das als stolzer Zehnter der Fifa-Weltrangliste nach Frankreich gereist war, hinterließ unter allen 24 Teilnehmern des Turniers den schwächsten Eindruck.

Als Erklärung hatte Teamchef Marcel Koller nicht viel mehr als den wiederholten Hinweis auf die große Nervosität seiner Spieler anzubieten, die ohnedies nicht zu übersehen gewesen war. Die Frage ist doch, warum sie eigentlich so nervös waren. Und viel eher, als dass er die erste Halbzeit des Island-Matches vercoacht hat – so was ist schon besten Trainern passiert –, muss sich Koller den Vorwurf gefallen lassen, dass er es nicht geschafft hat, den Spielern diese Nervosität zu nehmen. Wäre nicht genau das sein Job gewesen? Etwas seltsam auch, dass Koller nach dem Ausscheiden den pädagogischen Effekt dieser vergeigten EM hervorhob; die Spieler hätten wertvolle Erfahrungen gesammelt, von denen sie in Zukunft profitieren würden – so, als wäre die Euro gar nicht das Ziel gewesen, sondern nur eine lehrreiche Lektion auf dem Weg zur WM in zwei Jahren.

»Zur Enttäuschung kommt Schamgefühl. Wir genieren uns für unseren Optimismus«

Wie man sich für so ein Großereignis qualifiziert, wissen sie inzwischen ja endlich. Jetzt haben sie hoffentlich auch gelernt, wie man dort dann so auftritt, dass man als leidgeprüfter Österreich-Fan keine Déjà-vu-Erlebnisse hat. Dass Dabeisein für das Team das Höchste der Gefühle ist, war man gewöhnt. Das Bittere an der EM war, dass man diesmal ausnahmsweise mit mehr gerechnet hatte. Beim Publikum mischt sich in die Enttäuschung über das Ausscheiden deshalb nun auch Schamgefühl. Wir genieren uns ein bisschen für unseren eigenen Optimismus.

Waren wir alle zu naiv, zu blauäugig, zu euphorisch? Waren all die Euro-Sonderhefte, Lobeshymnen und Marcel-Koller-Biografien vielleicht sogar kontraproduktiv? Hat der Ruck, der da durch die Fußballnation ging, die Erwartungshaltung so hochgeschraubt, dass die armen Fußballer daran nur zerbrechen konnten? Sind wir also selber schuld?

Nein, wir können nichts dafür. Erstens haben ja nicht nur die österreichischen Medien das Potenzial von Kollers Team überschätzt, sondern auch zahlreiche internationale Experten. Und zweitens sind Selbstbewusstsein und hohe Erwartungen grundsätzlich ja nicht die schlechtesten Voraussetzungen dafür, Erfolg zu haben. Man kann es auch so sehen: Das Nationalteam könnte sich von der österreichischen Öffentlichkeit noch was abschauen. Wir haben die Bewährungsprobe Euro bestanden, wir haben uns alles zugetraut, wir waren Europameister. Und jetzt? Nach der EM ist vor der WM. Russland, wir kommen! Wir jedenfalls wären bereit.

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Kommentare

Koller hat es geschafft das ÖFB Team auf Rang 10 zu bringen, das ist ein Erfolg, aber zu sagen "Ein System gewinnt kein Spiel, sondern nur die Spieler" bedeutet eigentlich erist unnötig. Dazu kommt nun auch Herr Wintner, der sagt die Spieler müssen die Kritik aushalten, aber Koller hat alles richtig gemacht, kann ich nur so interpretieren, wenn Koller geht muss auch Wintner gehen.

Minimalziel Achtelfinale beschreibt es. Vollkommen überheblich und hochgeschrieben wurden die Resultate in der Qualifikation und der Vorbereitung von den Medien. Wenn wundert es, daß die Spieler und der Trainer es glaubten. Ist es nicht ein österreichisches Phänomen und auch in anderen Bereichen zu finden (Schisport, Politik,.) Die Medien können nicht nur etwas dafür sondern sind verantwortlich.

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