Daniela Kickl: "Die Grünen
sind das dritte Opfer der ÖVP"

Die Zeichen für Österreich stehen derzeit auf Türkis-Grün. Eine Entwicklung, der Autorin und politische Bloggerin Daniela Kickl nicht uneingeschränkt positiv gegenübersteht. Im Interview erklärt sie, welche Gefahren in dieser Regierungskonstellation stecken könnten und auch, warum aus ihrer aktiven Mitarbeit bei den Grünen nichts geworden ist.

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Politik - Daniela Kickl: "Die Grünen
sind das dritte Opfer der ÖVP"

In unserem letzten Gespräch sagten Sie, dass Kurz „der Opportunist schlechthin“ ist. Sind die Gespräche mit den Grünen Ihrer Ansicht nach auch ein Beweis dafür?
Daniela Kickl: Das fängt schon einmal bei den Sondierungen an. Ich nenne es „Sondierungs-Gschisti-Gschasti“: Als wäre nicht bekannt, was der andere will. Das macht ja schon einen unschlanken Eindruck. Aber ja, Kurz ist und bleibt ein Opportunist, auf jeden Fall. Würde er auf die maximale parlamentarische Mehrheit aus sein, hätte die SPÖ seine erste Wahl sein müssen. Das hat er gar nicht versucht - vielleicht auch, weil die SPÖ der härtere Brocken ist.

Die Große Koalition ist bei der Bevölkerung aber immer noch extrem unbeliebt.
Ja, das hat aber auch sehr viel mit ihrer Darstellung zu tun. Ich bin mir nicht sicher, ob der öffentlich gezeigte Streit von Schwarz-Rot, der diese Koalition letztendlich so unpopulär gemacht hat, in der Realpolitik auch wirklich so ausgetragen worden ist. Oder ob das eben nicht, wenn wir uns erinnern, was uns Herr Mitterlehner in seinem Buch erzählt hat, schon das Kurz’sche Gezündel war.

Kann man Kurz denn einen Vorwurf machen, dass er es mit den Grünen versucht?
Nein, daraus würde ich ihm jetzt keinen Vorwurf machen. Ich mache ihm Vorwürfe zu den politischen Inhalten, die er vertritt.

Zurück zum „Gschisti-Gschasti“: Dauert das Ihrer Ansicht nach zu lange?
Nein, mir ist lieber, es wird in Ruhe ausverhandelt und man kommt auf das beste Ergebnis, als man macht irgendeinen Pfusch. Es geht mir um den Begriff der „Sondierung“, dass es nicht hieß: „Ok, wir begeben uns in Koalitionsverhandlungen, weil wir tatsächlich mit dieser Partei koalieren wollen.“ Nein, es wurde sondiert.

Offiziell sind ja nur noch die Grünen übrig.
Genau, das ist der Punkt. Wir wissen ja nicht, was sonst passiert.

Aber hat sich die FPÖ als Alternative nicht gerade eben wieder ins Aus gespielt?
Die haben sich in Wahrheit doch die ganze Zeit ins Aus gespielt. In der türkis-blauen Ära gab es doch auch einen Einzelfall nach dem anderen. Hat der Herr Kurz irgendetwas gesagt dazu? Nein. Aber natürlich, die Ausgangslage ist jetzt eine andere.

Eine Umfrage legt das zumindest nahe. 85% der Österreicher sind für die ÖVP in der Regierung und 63% für die Grünen. Unabhängig von den laufenden Verhandlungen: Hat sich Österreich mit Türkis-Grün schon angefreundet?
Das kann durchaus sein. Abgesehen davon, dass es ja doch tatsächlich viele Türkis-Wähler gibt, erstaunt mich, dass man offensichtlich völlig vergessen oder verdrängt hat, was unter der türkis-blauen Regierung alles passiert ist. Es war Herr Kurz, der die Blauen in die Regierung geholt hat. Es war Herr Kurz, der sie machen hat lassen, was sie wollten.

Und wäre das Ibiza-Video nicht gekommen, wäre alles so weitergegangen. Es war Herr Kurz, der Frau Hartinger-Klein hat werkeln lassen. Ich erinnere an die Demontage der Krankenkassen, also die Entmachtung der Arbeitnehmer durchs Hintertürchen. Das gefällt mir nicht, das sollte man nicht so stehenlassen.

»Ich habe die Befürchtung, dass mit den Grünen nichts besser wird«

Wie würden Sie sich diese Vergesslichkeit erklären?
Einerseits ist das auf die schnelllebige Zeit zurückzuführen. Man kann andererseits natürlich auch festhalten, dass die ÖVP bei der letzten Wahl als Wahlsieger hervorgegangen ist und einen Partner finden muss. Werner Kogler hat zudem gesagt: „Es wird mit uns sicherlich nicht schlechter werden als unter Türkis-Blau“.

Ganz pragmatisch betrachtet ist das zu hoffen, aber in der Realität, gefühlt, gefällt mir das nicht. Ich glaube im Falle einer Einigung auch nicht, dass das für die Grünen gut ist. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Grünen in Wahrheit nur Vierte geworden sind.

Aber trotzdem gemeinsam mit der ÖVP klarer Wahlsieger.
Zugewinner. Man darf auch nicht vergessen, dass die Grünen nicht so gut abgeschnitten hätten, wenn Greta (Anm.: Thunberg, Klima-Aktivistin) nicht gewesen wäre. Hätte Liste Jetzt die letzten zwei Jahre anders agiert, hätte das Wahlergebnis womöglich noch einmal anders ausgesehen. Die Zugewinne der Grünen sind also definitiv nicht nur ihnen selbst zu verdanken.

Und Sie? Könnten Sie sich mit einer türkis-grünen Regierung anfreunden?
Natürlich könnte ich mich anfreunden, wenn ich das Gefühl hätte, dass die Grünen tatsächlich etwas bewegen könnten. „Nicht schlechter als Türkis-Blau“ war nicht die Aussage, die ich von Herrn Kogler gerne gehört hätte, leider hat er aber genau das gesagt. Ich habe die Befürchtung, dass mit den Grünen nichts besser wird.

Und wenn sie sich zu sehr verkaufen, dass sie auf das zurückgestutzt werden, was sie wirklich sind, wenn Greta und der Klimawandel möglicherweise nicht mehr so einen Einfluss auf die Öffentlichkeit haben. Ich möchte nicht schwarzmalen, aber ich glaube nicht, dass sich der grundsätzliche Weg, den Kurz eingeschlagen hat, ändern wird. Gleichzeitig würde ich Türkis-Grün aber schon auch eine Chance geben wollen.

Wer von beiden Parteien müsste größere Kompromisse eingehen?
Natürlich müssten die Grünen wesentlich mehr Kompromisse eingehen. Ansonsten würde das allem widersprechen, was wir bisher von Herrn Kurz und seinen Machenschaften mit den Blauen gesehen haben. So gesehen sind die Grünen nach der SPÖ und der FPÖ das dritte Opfer der ÖVP.

Was würden Sie zu einer Minderheitsregierung sagen?
Aus parlamentarischer Sicht wäre das ein interessantes Modell, das meiner Ansicht nach nicht lange gutgehen wird. Ich sehe aber grundsätzlich nichts Böses daran, wenn man in einem kürzeren Intervall als alle fünf Jahre wählen geht.

»Es wundert mich nicht, warum mich die Grünen nicht genommen haben«

Sie haben sich selbst bei den Grünen um einen der acht Listenplätze in Wien beworben, es aber dann nicht geschafft. Bedauern Sie es, dass Sie gerade jetzt nicht dabei sind?
Das tut mir insofern überhaupt nicht leid, weil ich nicht für ein Ministeramt geeignet gewesen wäre. Wenn ich mir andererseits Gerüchte anhören muss, dass Herr Blümel Finanzminister werden könnte, hätte ich zumindest ein abgeschlossenes BWL-Studium vorzuweisen gehabt. So gesehen ist das vielleicht auch nur eine Sache des persönlichen Zutrauens (lacht) .

Insgesamt gesehen tut es mir natürlich schon leid. Es wundert mich aber nicht, dass mich die gegenwärtigen Grünen nicht genommen haben, weil es eine Strömung innerhalb der Partei gibt, mit der ich nicht kann. Die Leute, die mit mir meine Kandidatur besprochen und unterstützt haben, haben mir versichert, dass sie diese Strömung auch sehr skeptisch sehen. Ich würde sie unter diesem politischen Korrektheits-Wahn subsumieren, der von Leuten wie der Sigi Maurer ausgeht.

Das ist meiner Ansicht nach auch mit ein Grund, warum die Linken grundsätzlich nicht so erfolgreich sind, wie sie sein könnten und sollten. Wenn man sich nicht darauf konzentriert, dass es in Österreich 1,5 Millionen Menschen gibt, die tatsächlich arm oder zumindest armutsgefährdet sind, sondern darauf, dass man irgendwo ein Binnen-i hinschreiben muss, dann ist das nicht nur nervend, sondern auch kontraproduktiv.

Wie ist denn derzeit eigentlich Ihr Status Quo mit den Grünen?
Ich habe private Freundschaften zu manchen bei den Grünen, mit denen bin ich natürlich auch weiterhin in Kontakt. Ansonsten habe ich mit den Grünen aber nichts mehr zu tun. Und ich will auch insofern nichts mehr mit ihnen zu tun haben, weil mir eben der Weg der Frau Maurer so wenig gefällt. Und ich weiß, dass nicht nur Frau Maurer, sondern eben viele ähnliche Leute auch in gute Positionen gehievt wurden und mit dieser Ausrichtung kann ich eben so gar nicht.

Sie haben den dritten Listenplatz für Sigi Maurer als „Bankrotterklärung“ tituliert – Warum?
Ich kenne sie nicht, das ist auch nichts Persönliches, das möchte ich betonen. Sie ist nur eine Art Galionsfigur für eine Strömung, die offenbar viele bei den Grünen gutheißen. Ich finde das traurig.

»Die politische Korrektheit ist eindeutig einer der Punkte, wie man Leuten jede Freude vermiest«

Welchen Einfluss wird das auf die Grünen haben?
Man muss sich grundsätzlich zwei Fragen zum Rechtsruck stellen, nicht nur in Österreich, sondern auch international. Die erste Frage lautet, was die Rechten „richtig“ machen, damit sie soweit kommen können. Und die zweite, was alle anderen falsch machen.

Wenn man sich überlegt, was die anderen nicht so gut gemacht haben, dann ist diese politische Korrektheit eindeutig einer der Punkte, die eine an sich gute und wichtige Sache ins Lächerliche zieht und damit den Leuten auch jede Freude vermiest. Und vor allem aber bündelt man ihre Energie, ihre Zeit, ihre Nerven auf die falsche Stelle.

Die restlichen Nominierungen der Listenplätze können Sie nachvollziehen?
Es war für mich eine sehr wertvolle Erfahrung, dass ich dort gewesen bin, und das alles gesehen habe. Es waren so viele tolle Leute dort, denen man das Feuer angesehen hat, die mitreißende Reden gehalten haben. Im Endeffekt hatte man aber das Gefühl, dass das Aufrufen der Leute reine Formalität ist, weil eh schon klar war, wer die Listenplätze bekommen wird. Diese „Systematik“ hat mich schon ein wenig traurig gestimmt.

Es ist ja legitim zu sagen, dass man bestimmte Leute auf den Plätzen haben will. Nur die Farce dieser scheinbaren Anhörung, die ja bei den Kandidaten auch mit einer gewissen Hoffnung verbunden ist, das finde ich nicht in Ordnung.

Aus Ihrer Mitarbeit bei den Grünen ist also offensichtlich nichts geworden. Gibt es eine Alternative für Sie?
Ich weiß es nicht. Sollte jemand einmal auf mich zukommen, werde ich es mir überlegen. Ich persönlich werde es aktiv nicht mehr versuchen, weil ich von all dem, was ich gesehen habe, einigermaßen frustriert bin. Das Erlebnis bei den Grünen war eine Farce, diese Reden hätten sie sich sparen können. Ich mag diese Unehrlichkeit nicht!

Ich bin momentan jedenfalls sehr glücklich mit dem, was ich tue, aber man weiß natürlich nie, wohin einen das Leben noch führen wird.

© Daniela Kickl

Zur Person: Daniela Kickl studierte Publizistik und Politikwissenschaften an der Uni Wien und absolvierte das Studium der Betriebswirtschaftslehre an der WU Wien. Nach ihren Tätigkeiten im IT-Bereich beim Magistrat der Stadt Wien und Apple ist sie erfolgreiche Buchautorin und Bloggerin. Bekannt wurde sie vor allem durch Ihre Briefe an ihren "lieben" Cousin (und Ex-Innenminister) Herbert Kickl. Gestern vor zwei Jahren jährte sich die Idee der "Brieferl" zum zweiten Mal.