Karl Merkatz wird 85

In seinem neuen Buch erzählt der Schauspieler von den Unfällen seines Lebens

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Aus gegebenem Anlass erscheint parallel zum Film auch ein neues Merkatz-Buch. "Ein Schamerl braucht vier Haxen" ist eine von "Blunzenkönig"- Autor Christoph Frühwirth kompilierte Mischung aus Making-of-Band, Kochbuch und Autobiografie. Merkatz erzählt von seinen Lehrjahren in einer Wiener Tischlerei, von seiner Studentenfreundschaft mit einem jungen Lyriker namens Thomas Bernhard in Salzburg und von der Begegnung mit seiner Frau Martha, mit der er seit fast 60 Jahren verheiratet ist.

Karl Merkatz als Blunzenkönig
© Bonusfilm

Von der Rolle, die ihn berühmt gemacht hat, ist in dem Buch auffällig wenig zu lesen. Wahrscheinlich findet Merkatz, dass über den Mundl schon genug gesagt wurde. Als ihm die Rolle angeboten wurde, war der Schauspieler skeptisch. "So ein Ekel mag ich nicht spielen", ließ er zunächst wissen.

News.at bei der Vorstellung des "Blunzenkönig"

© Video: News.at

"Mit dem Proleten nicht!"

Ursprünglich war der "Echte Wiener" nicht als Serie, sondern als Nischenprodukt geplant; das nach einem Roman von Ernst Hinterberger gedrehte Fernsehspiel wurde am 8. Juni 1975 parallel zu einer Sportübertragung gesendet. Die Reaktionen fielen dann aber so heftig und so polarisierend aus, dass der ORF Blut leckte; bis 1979 wurden insgesamt 24 Episoden produziert. Für die letzten sechs Folgen ließ sich der damals schon Mundl-müde Hauptdarsteller aber lange bitten. Der ORF bettelte, Merkatz verlangte die damals astronomische Gage von 80.000 Schilling. "Wir haben uns schließlich auf 60.000 geeinigt", erinnert er sich. "Ich habe es hauptsächlich wegen der Kollegen gemacht."

Als er Mundl wurde, war Merkatz schon Mitte 40 und in Österreich weitgehend unbekannt, weil er den Großteil seines bisherigen Schauspielerlebens auf deutschen Bühnen - darunter erste Adressen wie das Hamburger Schauspielhaus oder die Münchner Kammerspiele -verbracht hatte. Manche hielten ihn für einen Laiendarsteller und verwechselten den Schauspieler mit seiner Rolle. Als Merkatz in einem TV-Film für eine kleine Szene mit Paula Wessely besetzt werden sollte, wies die Burgtheater- Doyenne das empört von sich: "Mit dem Proleten nicht!"

Zu Merkatz' Lieblingsrollen auf der Bühne gehören der Milchmann Tevje in dem Musical "Anatevka" und Willy Loman in Arthur Millers "Tod eines Handlungsreisenden", den er in der Saison 2000/01 im Klagenfurter Stadttheater spielte. Nach der letzten Vorstellung kam Regisseur Dietmar Pflegerl zu ihm in die Garderobe und redete gar nicht erst lang herum. "Du, Karl, Folgendes: Wir können nicht mehr miteinander arbeiten", sagte er nur. "Du merkst dir keinen Text mehr." Merkatz erzählt diese brutale Anekdote in seinem Buch. Was der Anlass war, möchte er nicht verraten. Nur so viel: "Das war der tiefste Schlag in meinem gesamten Berufsleben. Als ich wieder allein in der Garderobe war, heulte ich wie ein Schlosshund."

Maria und Merkatz

Es war nicht die einzige Verletzung in seinem Leben. 1955 erlitt er bei einem Mopedunfall einen schweren Oberschenkelbruch. 1987 fiel Merkatz mitten in Australien nächtens betrunken in einen leeren Swimmingpool; wie er das überlebt hat, ist ihm bis heute nicht klar. Und 2005 war er an einem Autounfall beteiligt, bei dem ein Motorradfahrer ums Leben kam; Merkatz wurde wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. "Ich kann diesen Unfall und die Folgen nicht mehr rückgängig machen", schreibt er dazu. "Ich habe mich vor dem irdischen Gericht dafür verantwortet. Aber ich weiß auch: Es ist Schicksal gewesen."

Spricht man Merkatz auf den Unfall an, driftet das Gespräch bald in philosophisch-theologische Sphären ab. Der frühere Ministrant hat für sich zu einer eigensinnigen Version des katholischen Glaubens gefunden, der er auch in seinem Buch breiten Raum widmet. Im Mittelpunkt steht Maria, die Merkatz nicht "Jungfrau", sondern "Mutter" nennt. An die unbefleckte Empfängnis glaubt er nämlich nicht. Vor seinem Haus hat Merkatz ein Marienmarterl errichten lassen, und dass die lebensrettende Operation nach seinem Poolsturz ausgerechnet an einem 8. Dezember stattfand, also an Mariä Empfängnis, ist für ihn kein Zufall.

"Jeder hat seinen Weg zu gehen", sagt Merkatz. "Ereignisse wie dieser Unfall widerfahren einem aus irgendeinem ganz bestimmten Grund. Ich nehme es hin und beklage mich nicht. Man kann darüber nicht verzweifeln. Es ist so."

Ein echter Wiener Neustädter

Heiliger ist Merkatz keiner, aber seinen Frieden mit der Welt hat der Mann anscheinend gemacht. Auch mit dem Mundl hat er sich längst ausgesöhnt. Die Silvesterfolge ist im Hause Merkatz ein Pflichttermin, und im Kino hat er seine Paraderolle inzwischen sogar wieder gespielt. An die Qualität der Serie kamen die "Echter Wiener"-Filme (2008 und 2010) nicht annähernd heran, die Fans stürmten trotzdem die Kinos.

Dabei ist Merkatz gar kein Wiener. Er stammt aus Wiener Neustadt und lebt seit Jahrzehnten im salzburgischen Irrsdorf; in Wien hat er in seinem Leben insgesamt nur drei, vier Jahre verbracht. Schon erstaunlich: Der berühmteste Choleriker des Landes ist privat die Ruhe in Person, der echteste Wiener der Stadt ist in Wahrheit nicht einmal ein falscher. Allein daran kann man sehen, dass der Publikumsliebling Karl Merkatz ein verdammt guter Schauspieler ist.

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