Reform bei Fortpflanzungsmedizin

Durchbruch: Brandstetter und Oberhauser einigen sich auf liberalen Entwurf

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Justiz - Reform bei Fortpflanzungsmedizin

Das rund 20 Jahre alte Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG) soll an die gesellschaftlichen Entwicklungen angepasst werden. Unmittelbarer Anstoß dafür war ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom Jänner, mit dem das Verbot der künstlichen Fortpflanzung mittels Samenspende für lesbische Lebensgemeinschaften aufgehoben wurden - und zwar per 31. Dezember 2014. Brandstetter und Oberhauser nahmen dies zum Anlass, um auch die vor zwei Jahren bekannt gegebenen Empfehlungen der Bioethikkommission weitgehend umzusetzen.

Reihe von Verboten sollen fallen

Die medizinisch unterstützte Fortpflanzung wird zwar weiterhin nur bei medizinischer Notwendigkeit oder der Gefahr der Übertragung einer schweren Krankheit möglich sein - und mit einem dezidierten Vermittlungs- und Kommerzialisierungsverbot soll kommerzielle Leihmutterschaft verhindert werden. Aber eine Reihe bisheriger Verbote sollen fallen, haben Brandstetter und Oberhauser in intensiven Verhandlungen vereinbart.

Weibliche homosexuelle Paare sollen sich, wie vom VfGH geboten, künftig mittels Samenspende fortpflanzen können. Auch für heterosexuelle Paare soll bei der In-Vitro-Fertilisation (IVF) eine Samenspende Dritter - also nicht nur des Ehemannes oder Lebenspartners - zulässig sein. Sie war bisher nur bei "Insemination" (Befruchtung einer im Körper der Frau befindlichen Eizelle) erlaubt. Aber künftig dürfen nur mehr so viele Eizellen befruchtet und eingesetzt werden (grundsätzlich eine), wie nach dem Stand der Wissenschaft nötig ist, um eine Schwangerschaft zu erreichen. Dadurch sollen riskante Mehrlingsschwangerschaften vermieden werden.

Außerdem soll - in Gleichstellung von Frauen - künftig nicht nur die Samenspende, sondern auch die Eizellenspende erlaubt sein. Vermittlung und Kommerzialisierung werden verboten und es wird Altersgrenzen geben: Die Spenderin darf nicht älter als 30, die Empfängerin nicht älter als 45 Jahre sein.

Ausnahmen bei Präimplantationsdiagnostik

Die Präimplantationsdiagnostik (PID) bleibt zwar grundsätzlich weiter verboten - aber es soll Ausnahmen in engen Grenzen geben. In zwei Fällen soll ein in künstlicher Befruchtung erzeugter Embryo vor der Einpflanzung in die Mutter untersucht werden dürfen: Nach drei erfolglosen IVF-Versuchen oder drei Fehlgeburten soll auf Lebensfähigkeit untersucht werden dürfen. Und PID soll auch zur Verhinderung schwerer, nicht behandelbarer Krankheiten erlaubt werden - wenn nachgewiesen das Risiko besteht, dass das Kind schwerste Hirnschäden oder dauerhaft schwerste Schmerzen hätte oder nur mit intensiver medizinischer Unterstützung überleben würde.

Gesundheitsministerin Oberhauser ist erfreut, dass mit diesem Entwurf "jahrzehntelange frauenpolitische Forderungen" endlich umgesetzt würden - indem die Diskriminierung lesbischer Paare gestrichen und die Eizellenspende für nicht fortpflanzungsfähige Frauen erlaubt wird. Mit der Zulassung der Präimplantationsdiagnostik unter strengen Voraussetzungen schließe Österreich an internationale Standards an - und es werde verhindert, dass Frauen ins Ausland fahren müssen, um medizinisch unterstützte Fortpflanzung nach dem aktuellsten Stand der Medizin zu erhalten.

Brandstetter fordert klare Rahmenbedingungen

"Gerade wenn es um den sehr persönlichen Bereich der Familienplanung geht, sollen Betroffene die vorhandenen Möglichkeiten so weit wie möglich ausschöpfen können", ist Justizminister Brandstetter überzeugt. Die Fortpflanzungsmedizin sei aber "selbstverständlich ein ethisch und gesellschaftspolitisch schwieriges Thema, gerade deshalb brauchen diese Neuerungen klare Rahmenbedingungen und sehr genaue Vorgaben".

Intensive Debatten - auch in den Reihen der ÖVP - sind allerdings zu erwarten. Schon die im Bundeskanzleramt eingerichtete Bioethikkommission war sich 2012 nicht hundertprozentig einig. Ein Teil der 25 Mitglieder votierte damals gegen die Mehrheits-Empfehlungen pro Eizellenspende, Samenspende für lesbische Paare oder PID unter Auflagen.

Heinisch-Hosek erfreut über Durchbruch

Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) freute sich am Donnerstag, dass bei der Fortpflanzungsmedizin der "Durchbruch" gelungen sei. Der in Begutachtung geschickte Entwurf brächte einen "Riesenschritt in Richtung einer modernen Verankerung der Fortpflanzungsmedizin in unserer Gesellschaft" - die ihr als Frauenministerin seit jeher ein Anliegen gewesen sei, meinte sie in einer Aussendung.

SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder begrüßte, dass die ÖVP in einigen Fragen "über ihren Schatten gesprungen ist und den Weg frei macht für moderne Regeln der Fortpflanzung". So sei ein "großer Wurf" für ein neues Gesetz "auf der Höhe der Zeit" gelungen. Das Ende für die Diskriminierung lesbischer Paare sei ein "Meilenstein in Sachen Gleichbehandlung". Eizellenspende und Samenspende durch Dritte bei der Invitrofertilisation (IVF) zu erlauben, bilde die Realität ab, seien doch bisher "betroffene Paare in solchen Fällen einfach zur Behandlung ins Ausland gefahren". Wichtig sei, dass ein "Geschäft mit der Leihmutterschaft" durch das Verbot der Vermittlung und Kommerzialisierung verhindert werde.

Grüne nicht ganz zufrieden

Die Grünen begrüßen zwar den Entwurf zum Fortpflanzungsmedizingesetz, aber sie sind nicht ganz zufrieden: Familiensprecherin Daniela Musiol äußerte sich in einer Aussendung am Donnerstag "verwundert" darüber, dass allein stehende Frauen weiter von der medizinisch unterstützten Fortpflanzung ausgeschlossen blieben.

Mario Schreuder, Bundessprecher der Grünen Andersrum, begrüßte die Novelle zwar als "Meilenstein in der Anerkennung von unterschiedlichen Familienformen". Aber am "Ziel einer fortschrittlichen Familienpolitik sind wir auch mit diesem Entwurf noch nicht angekommen", forderten Schreuder und Musiol die Öffnung der Ehe sowie ein Adoptionsrecht für Homosexuelle.

NEOS "positiv überrascht"

NEOS-Justizsprecherin Beate Meinl-Reisinger zeigte sich "positiv überrascht, dass die Regierung innerhalb der Reparaturfrist eine Einigung erzielen konnte" - und dass die Regierungsparteien einen "überraschend weitgehenden Einigungsvorschlag" erreichten. Sie begrüßte neben den bekannten Punkten auch, dass der Begriff "Elternteil" im ABGB auch für gleichgeschlechtliche Paare gelten soll. Das sei "eine sehr wichtige Maßnahme zur Gleichstellung von homosexuellen Paaren".

Team Stronach warnt vor "Babyfarmen"

Kritik am Entwurf zum Fortpflanzungsmedizingesetz kommt vom Team Stronach. Gesundheitssprecher Marcus Franz warnte am Donnerstag in einer Aussendung vor "Babyfarmen", aber auch neuen Diskriminierungen. "Erschüttert" zeigte sich die "aktion leben".

"Die Fortpflanzungsmedizin muss dort zum Einsatz kommen, wo es Paaren nach überlieferter Tradition auf biologisch natürlichem Weg nicht möglich ist, Kinder zu bekommen", meinte Franz. Dieser besondere Bereich der Medizin dürfe aber nicht den Weg ebnen zu "Babyfarmen" und "Nachwuchs per Versandhaus". Primär müssten sich die Medizin und auch die Politik an die biologischen Gegebenheiten halten. "Das sind nun mal Mann und Frau bei den Menschen und auch bei allen Säugetieren zwei Geschlechter." Der Entwurf werfe überdies viele Fragen auf und führe zu neuen Diskriminierungen. So fragt sich Franz etwa, was mit dem Kinderwunsch von homosexuellen Männern oder alleinstehenden Menschen sei.

Der Entwurf bediene vor allem die Geschäftsinteressen der Fortpflanzungsmediziner und vergesse auf die Gefahren für Frauen und Kinder, kritisierte Gertraude Steindl, Präsidentin der "aktion leben", in einer Aussendung. "So verständlich der Wunsch nach einem Kind ist, so rechtfertigt er dennoch nicht den Einsatz aller Methoden, ihn vielleicht zu erfüllen."

Kritik von der FPÖ

Bei der FPÖ kommt der Entwurf zum Fortpflanzungsmedizingesetz schlecht an: Nun müsse auch die Gesundheitspolitik für die "gesellschaftspolitische Implementierung der links-linken Beliebigkeit herhalten", meinte Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch-Jenewein am Donnerstag. Es gebe in der Gesundheitspolitik vieles, was um einiges dringlicher und sinnvoller sei als "dieses Minderheitenprogramm".

Kommentare

Das kann doch nur nebensächlich behandelt werden. Weiterhin kein Ansatz auf eine Gesundheitsreform, Pensionsreform, Bildungsreform, Verwaltungsreform, Heeresreform usw.

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