Der Mohr zieht ab

Julius Meinl V. steht anscheinend kurz vor dem Verkauf seines Jagdschlosses in Pöllau

Es ist ein liebliches Jagdschloss, das vor einigen Jahren aufwendig restauriert wurde und jetzt hinter dichten Sträuchern und hohen Bäumen in neuem Glanz erstrahlt: Landgut Lehenshofen in Pöllau im steirischen Hartberg ist ein Juwel. Es gehört Julius Meinl V., dem Oberhaupt der seinetwegen in Verruf geratenen Kaffeedynastie. Vor ein paar Jahren noch verbrachte der 56-Jährige dort immer wieder ein paar Tage. Dann versuchte sich der Geldadelige als Hobbybauer, produzierte biologisches Rindfleisch und Äpfel. Ob er dort, wie in seiner Rolle als Bankier in Wien, immer in Knize-Anzüge gehüllt war, ist nicht überliefert. Die Nachbarn berichteten 2011 in "Woman" Folgendes: "Sie wissen eh, der Herr Meinl ist Geschäftsmann und dauernd unterwegs. Wohin seine Reisen immer führen, weiß keiner genau. Er redet ja mit niemandem!"

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Die Nachbarn werden die Meinls bald gar nicht mehr zu Gesicht bekommen. Julius V. will das Gut verkaufen, heißt es aus gut informierten Kreisen. Gespräche darüber sollen schon in den letzten Zügen sein, das Schloss stehe kurz vor der Veräußerung. "Es gibt dazu aus dem Hause Meinl weder Bestätigung noch Widerspruch", sagt eine Sprecherin. Ein Schlossexperte, der nicht genannt werden will, kann sich vorstellen, dass sich der Angebotspreis auf zehn Millionen Euro beläuft. Der Preis für das Schloss soll laut Insidern jedenfalls "unverschämt hoch" sein.

Julius V. muss nicht verkaufen, er hat bloß genug von Österreich und will sich sukzessive aus dem Land zurückziehen, heißt es aus seinem Umfeld. Immer seltener sind seine Besuche in Wien, immer häufiger weilt der britische Staatsbürger in London, wo er im noblen Stadtteil Belgravia residiert und seine Geschäfte leitet.

Untersuchungshaft

Die Entfremdung von der Heimat begann 2009. Damals verbrachte der Erbe der 1862 in Wien gegründeten Kaffeedynastie zwei Tage in Untersuchungshaft. Der Staatsanwalt warf ihm Untreue, Provisionsschinderei und Betrug vor. Das hing mit dem neuen Geschäftsmodell der Meinl Bank und ihrer Töchter zusammen. Meinl ließ eine Kaution von 100 Millionen Euro hinterlegen und wurde wieder auf freien Fuß gesetzt. Julius V. zog sich in den Tagen danach in die Oststeiermark zurück. Das Schloss ist nur die Krönung der Meinl'schen Ländereien: Das Gut misst 57 Hektar, samt Jagd gehören dem Bankier und Supermarkterben 120 Hektar schönstes obersteirisches Land.

Franziska, genannt Spängi, Julius' ehemalige Frau, soll das Schloss mit viel Hingabe und ebenso viel Geld restauriert haben. Als Familiensitz, wo man mit Gattin und Stammhalter, der selbstverständlich auf den Namen Julius VI. hört, nette Wochenenden verbringt, wurde Lehenshofen nie gesehen. Seit dem Kauf 1992 luden die Meinls gerne Gäste ein, gingen mit ihnen auf die Jagd, feierten bei Festbanketten. Kein Wunder, dass das Jagdschlösschen gut abgeschirmt wurde. Ein Verbotsschild mit der Aufschrift "Privat, Betreten strengstens verboten!" ließ Neugierige in Respektabstand vom Schloss den Rückzug antreten.

Das Schloss wurde im Jahr 1632 gebaut und war ursprünglich ein Gutshof. Erstmals wurde das Anwesen im 14. Jahrhundert erwähnt. Später hat sich das Landgut durch diverse Umbauten entwickelt. Im 17. Jahrhundert erhielt das Schloss seine letzte Fassung. Eine Handvoll Schlösser werden österreichweit pro Jahr verkauft, sagt der Schlossexperte.

Gestörte Beziehung

Seit seinem Kurzaufenthalt in der Justizvollzugsanstalt in der Wiener Josefstadt soll die Beziehung von Julius V. zu Wien und Österreich ebenso empfindlich wie nachhaltig gestört sein. Seitdem befindet sich der in Jetset-Kreisen "Fünfer" genannte Meinl praktisch auf Rückzug: 2013 verlegte er seinen Wohnsitz nach Prag, jetzt kehrt er auch der Steiermark den Rücken.

Mit ein Grund mag auch der Zustand der Meinl Bank sein. Von ihm selbst 1979 gegründet, wickelt das Institut seit acht Jahren vor allem Geschäfte in Osteuropa ab. Seit 2007 baute die Bank Infrastrukturtöchter auf: Die Meinl European Land (MEL), die Meinl Airports International (MAI) und die Meinl International Power (MIP). Die Bank kassierte großzügige Provisionen von den Töchtern, und am Ende blieben die Anleger mit großen Verlusten zurück. Das Fatale an der ganzen Sache: Die Österreicher vertrauten auf die Reputation der Marke Meinl, die das Haus sich erst im Kaffeehandel, später mit der Supermarktkette für das gediegene Bürgertum und nicht im Investmentbanking erworben hatte.

Landgut Lehenshofen wurde übrigens in der Zeit, in der Julius V. in Untersuchungshaft saß, vom Bezirksgericht Hartberg "plombiert". Damit sollte die Liegenschaft für etwaige Schadenersatzansprüche gesichert werden.

Vorstand enthoben

Vorläufiger Höhepunkt der Brösel für Julius V. in Wien: Die Finanzmarktaufsicht enthob seinen Bankvorstand Peter Weinzierl seines Postens. Wenn der Bank keine aufschiebende Wirkung der angekündigten Berufung gewährt wird, muss er binnen drei Monaten einen neuen Vorstand berufen. Sohn Julius VI. ist zwar Banker, verdient aber seine Brötchen bei der Credit Suisse in London und wird wenig Freude haben, nach Wien heimzukehren. Andererseits: Wer weiß, wie sehr der Name Meinl verpflichtet? Im Jahr 2000 hatte der "Fünfer" für Unmut bei seinem Vater gesorgt, weil er aus dem Lebensmittelhandel ausstieg und an Spar und Billa verkaufte. Erst kurz vor dem Tod von Julius IV. sollen sich die beiden 2008 versöhnt haben.

Der gelernte Banker Julius V. hatte schlichtweg anderes mit dem klingenden Namen Meinl vor. Unter seiner Ägide blieb nur der "Meinl am Graben" im Familienbesitz und wurde als Gourmettempel ausgebaut. Noch heute thront das Restaurant im ersten Stock über dem Graben.

Trotzdem dürfte der alte Schein der großen Marke im Schwinden begriffen sein. Fix ist jedenfalls, dass sich die Kaffeedynastie nicht unterkriegen lässt -und sie holt sich tatkräftige Unterstützung: Soeben hat die Weltbank eine Klage von "Far East", Hauptaktionär der Meinl Bank, akzeptiert. "Far East" klagt die Republik Österreich auf eine Entschädigung in der Höhe von 200 Millionen Euro. In der Schiedsklage wird unter anderem "die zügellose Kampagne des österreichischen Staates gegen die Meinl Bank" angeprangert.

Die Causa Meinl ist also alles andere als beendet. Der "Fünfer" mag persönlich mit Österreich abgeschlossen haben, aber Österreich noch nicht mit ihm.

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