Zwischen Soko und Spielplatz

Julia Cencig. Sie ist die Neue bei "Soko Kitzbühel".

Es war kein leichtes Erbe, das Julia Cencig vergangenen Februar antrat: Nach 13 Jahren löste sie Kristina Sprenger als ermittelnde Kommissarin in der ORF-Serie "Soko Kitzbühel" (jeden Mittwoch 20:15 Uhr in ORF eins) ab. In jener Krimireihe also, die mit Verbrechen in pittoresker Alpenkulisse bis zu 1,3 Millionen Zuschauer erreicht.

von Julia Cencig © Bild: www.sebastianreich.com

Für Cencig ist die von ihr dargestellte Ermittlerin Nina Pokorny die erste Serienhauptrolle. Am Wiener Volkstheater ausgebildet, war die 42-Jährige unter anderem in Fernsehproduktionen wie "Schnell ermittelt", "Der Bergdoktor" und "Das Glück dieser Erde" zu sehen. Privat hat die alleinerziehende Mutter von Emilia, 6, und Valentina, 2, schon einige Rückschläge erlebt.

NEWS: Ihre Vorgängerin, Kristina Sprenger, war 13 Staffeln lang die Kommissarin von "Soko Kitzbühel" und beim Publikum sehr beliebt. Wie groß ist der Duck, wenn man die Nachfolgerin in einer so erfolgreichen Fernsehserie ist?
Julia Cencig:
Der ist automatisch da, wenn man eine Hauptrolle in einer Fernsehserie übernimmt. Noch größer ist er allerdings, wenn es sich um etwas so Etabliertes wie "Soko Kitzbühel" handelt. Hinzu kommt, dass meine Figur, Nina Pokorny, eine ganz andere als die Karin Kofler von Kristina Sprenger ist. Sie ist eine Frau mit Ecken und Kanten, das finde ich auch gut. Fernsehserien sind die Kinofilme von heute, und da muss man auch etwas verändern und kann nicht nur heile Welt zeigen. Dennoch muss man sehr vorsichtig mit diesen Veränderungen umgehen. Durchschnittlich 650.000 Zuschauer zu verärgern oder zu enttäuschen, soll nicht das Ziel sein.

NEWS: Können Sie gut mit beruflichem Druck umgehen?
Cencig:
Das ist kein Problem für mich. Ich bin ziemlich geeicht, was Stress anbelangt. Ich bin alleinerziehende Mutter von zwei Mädchen, dadurch bringt mich so schnell nichts aus der Ruhe. Wir haben "Soko Kitzbühel" letztes Jahr sechs Monate lang fünf Tage die Woche zwölf Stunden täglich gedreht. Meine Kinder hatte ich die ganze Zeit über mit dabei in Tirol. Das war ein Belastungstest. Aber ich wachse an solchen Herausforderungen. In manchen Situationen kann ich allerdings auch feinnervig sein und mich richtig in Sachen reinsteigern.

NEWS: Wie sind Sie als Mutter?
Cencig
: Ich bin eine Laissezfaire-Mutter mit punktuellen Strengeanfällen. Ich habe ein etwas cholerisches Temperament, beruhige mich aber auch schnell wieder. Kinder brauchen meiner Meinung nach viel Freiheit, aber auch klare Grenzen.

»Ich bin eine Laissez-faire-Mutter mit punktuellen Strengeanfällen. Kinder brauchen viel Freiheit, aber auch klare Grenzen.«

NEWS: Wie organisieren Sie die Betreuung Ihrer Kinder, wenn Sie so viel arbeiten und keinen Partner haben?
Cencig:
Ich habe eine unglaublich tolle Nanny. Sie ist meine große Hilfe und Stütze, übernimmt jene Betreuung, die ansonsten der Lebenspartner übernehmen würde. Wobei der Vater meiner großen Tochter auch regelmäßig mithilft. Wir sind mittlerweile ein gutes Patchwork-System, und so gesehen sind wir auch beide Alleinerzieher.

NEWS: An der Mutter bleibt letztendlich aber doch das meiste hängen, oder?
Cencig:
Ja, das stimmt. Kinder haben kein Verständnis dafür, dass Mama nach Hause kommt und nach einem anstrengenden Arbeitstag vielleicht kurz die Türe hinter sich zumachen möchte, um zu verschnaufen. Da gibt es keine Befindlichkeiten, man muss alles hinten anstellen. Aber ich habe es mir ja so ausgesucht und finde das auch gut so.

NEWS: Es ist nicht selbstverständlich, dass Sie das offen ansprechen. Oft wird vermittelt, dass Kinder, Karriere, Beziehung leicht zu vereinbaren sind.
Cencig:
Und die Frauen nach der Geburt gleich wieder dünn sind und super ausschauen; angeblich alles kein Problem. Aber das ist Blödsinn, denn es ist am Anfang vieles ein Problem, und ich ärgere mich immer über Artikel, in denen eine heile Welt vermittelt wird. Dann werden auch noch die Fotos bearbeitet, und die Frauen schauen alle faltenfrei und vollkommen ausgeruht aus. Ich finde, dass Mutter zu sein nach wie vor die lohnendste Aufgabe ist, der man sich als Frau stellen kann. Aber es ist nun einmal auch wahnsinnig anstrengend, dessen muss man sich bewusst sein.

NEWS: Was ist dabei die größte Herausforderung?
Cencig:
Kinder haben, Karriere machen, eine glückliche Beziehung führen: Das geht sich nicht alles gleichzeitig aus. Also, es geht sich vielleicht schon aus, wenn man in dem glücklichem Umstand lebt, dass man genug Geld verdient und sich eine Hilfe leisten kann. Wenn aber alles am Paar hängen bleibt und man dann auch noch füreinander Interesse und Lust haben, den anderen sexy finden soll -das wird schwierig.

Julia Cencig
© www.sebastianreich.com

NEWS: Was ist das Rezept, um es dennoch zu schaffen?
Cencig:
Ich habe beides probiert: Beziehung, Job und Kinder und nur Job und Kinder - ich finde Zweiteres leichter. Damit alles klappt, braucht man ein begabtes Händchen, um einen Partner zu finden, auf den auch langfristig Verlass ist. Und dieses Händchen hatte ich bislang leider noch nicht. Ich glaube, Großfamilien, Kommunen oder Ähnliches wären sinnvoll. Man müsste Systeme finden, in denen mehr Menschen als nur Mutter und Vater an der Kindererziehung beteiligt sind, sich das mehr aufteilt. Ich habe erlebt, wie schön das sein kann, wenn man in eine große Familie eingebettet ist.

NEWS: In welcher Form?
Cencig:
Die Beziehung zum Vater meiner zweiten Tochter hat unglücklich geendet, und ich war schon während der Schwangerschaft wieder alleine. Dafür hatte ich aber meine große Familie, wurde von meinen Eltern, all den Tanten und Onkeln, Nichten und Neffen umsorgt. Das war unglaublich locker und entspannt. Ganz anders als bei meiner ersten Schwangerschaft. Da habe ich den vermeintlichen Traum vom "Happy Couple" gelebt, das mit dem Kind alleine ist -und es war eine anstrengende Zeit. Abgesehen von meinem gebrochenen Herzen habe ich das mit der Großfamilie also letztendlich schöner gefunden.

NEWS: Erholen Sie sich schnell von Rückschlägen?
Cencig:
Ich bin ein richtiges "Stehaufmanderl", erhole mich und funktioniere schnell - aber natürlich weiß man nie, was man darunter vergräbt. Ich komme aber definitiv aus einer Familie mit vielen starken Frauen.

NEWS: Was macht eine starke Frau für Sie aus?
Cencig:
Viel Humor, gepaart mit einer tiefen Einsicht in die Dinge des Lebens. Meine Mutter hat fünf Kinder, war immer berufstätig - so wie ihre Mutter. Eine starke Frau ist für mich ein Anker, das Zentrum der Familie, um das sich alles dreht. Ich finde wichtig, dass dabei die eigenen Bedürfnisse nicht zu kurz kommen. Nur so kann man etwas zurückgeben.

NEWS: Viele arbeitende Mütter kämpfen aber gerade mit schlechtem Gewissen den Kindern gegenüber.
Cencig:
Ich habe nicht die Spur eines schlechten Gewissens, weil ich viel arbeite. Ich liebe meinen Beruf, brauche ihn, um glücklich zu sein. Und wenn ich das nicht bin, können auch meine beiden Kinder nicht glücklich sein.

NEWS: Stichwort Rückschläge: Was waren Ihre größten Rückschläge bisher?
Cencig:
Ich hatte eine Fehlgeburt, Beziehungen sind auseinandergebrochen, ich musste viele Hoffnungen begraben. Und natürlich war meine Karriere die letzten 20 Jahre nicht immer nur ansteigend. Auch da hat es Momente gegeben, in denen ich mir dachte, dass ich es jetzt geschafft habe -und dann ist doch nicht das passiert, was man sich erwartet hat. Man hat zum Beispiel ein tolles Standing an einem Theater, denkt, der neue Intendant nimmt einen mit Handkuss - und dann ruft er einfach nicht an. Ich hab schon viele solcher Ups and Downs erlebt.

NEWS: Haben diese Erfahrungen Sie im Lauf der Jahre auch stärker gemacht?
Cencig:
Auf jeden Fall. Vor allem die Downs, in denen sind nun einmal die Lernprozesse vorhanden. Da lernt man, mit Widrigkeiten umzugehen, zu funktionieren. Ich kann mich an Theatervorstellungen erinnern, bei denen ich kaum geschminkt werden konnte, weil ich aufgrund einer privaten Krise so verheult war. Dann gehst du auf die Bühne -und dann ist da plötzlich dieser surreale Moment, in dem das Licht angeht und man einfach funktionieren muss.

NEWS: Wie laden Sie in diesen Stressphasen Ihre Batterien wieder auf?
Cencig:
Ich erhole mich, wenn ich nach Kärnten zu meinen Eltern fahre. Das ist mein Kraftplatz. Ich hab dort eine sehr glückliche Kindheit verbracht. Auch Freunde zu treffen, ist für mich sehr belebend -und natürlich die vielen kleinen Momente, in denen meine Kinder einmal nichts von mir wollen und einfach nur süß sind. Das ist dann immer eine echte Welle von Liebe und Dankbarkeit, die mich überrollt.

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