Josef Haslinger wird 60

Politischer Autor aus Niederösterreich ist seit 2013 Präsident des deutschen PEN

Im Elfenbeinturm saß Josef Haslinger nie. Von der Novelle "Der Tod des Kleinhäuslers Ignaz Hajek" (1985) bis zum Roman "Jachymov" (2011) hatten seine Bücher stets politische Relevanz. Seit 1996 lehrt er als Professor für literarische Ästhetik am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig, seit 2013 ist der Österreicher Präsident des deutschen PEN. Am heutigen Sonntag feiert er seinen 60. Geburtstag.

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Josef Haslinger wurde am 5. Juli 1955 in Zwettl geboren. "Ich bin in einem Elternhaus großgeworden, in dem praktisch nicht gelesen wurde. Das Einzige, was es bei uns an Lektüre gab, war die Kirchenzeitung", so Haslinger einmal in einem Interview. Der Sohn machte es anders: Er studierte Philosophie, Theaterwissenschaft und Germanistik in Wien, wo er 1980 über "Die Ästhetik des Novalis" promovierte. Von 1973 bis 1992 war er Mitherausgeber der Literaturzeitschrift "Wespennest", 1986 bis 1989 Generalsekretär der Grazer Autorenversammlung.

Seit seinem Essayband "Politik der Gefühle" (1987) gilt der Autor als hellsichtiger und scharfzüngiger Analytiker politischer Umwälzungen. Gegen die Wahl Kurt Waldheims und später gegen die Regierungsbeteiligung der FPÖ hat sich Haslinger wiederholt scharf geäußert, auch Wolfgang Schüssel und die SPÖ hat er kritisiert. Die erste schwarze-blaue Regierung 2000 bezeichnete Haslinger als "Katastrophe". 1992 war er Mitbegründer der antirassistischen Plattform "SOS Mitmensch".

Durchbruch mit "Opernball"

In seinem Roman "Opernball" (1995) hatte Haslinger österreichische Neonazis ein Giftgas-Attentat auf die Wiener Staatsoper verüben lassen. 2000 zeichnete er mit seinem Roman "Vaterspiel" (als Theaterstück 2002 uraufgeführt, 2009 von Michael Glawogger verfilmt) anhand einer Politikerfamilie den Niedergang der SPÖ nach. 2006 erschien der Erzählband "Zugvögel", 2007 sein Bericht "Phi Phi Island", in dem er seine Erlebnisse in Thailand bei der Tsunami-Welle 2004 verarbeitete. Gemeinsam mit seiner Familie überlebte Haslinger die Naturkatastrophe nur knapp und empfand den "traumatischen Moment" letztlich als "Wiederauferstehung", wie er damals der APA sagte. 2011 handelte sein Roman "Jachymov" vom Leben des tschechischen Eishockeytorhüters Bohumil Modry, der einer stalinistischen Säuberungswelle zum Opfer fiel und als politischer Gefangener mit bloßen Händen Uran abbauen musste.

Neben seinem Schreiben verfolgte Haslinger auch eine akademische Laufbahn. Lehraufträge führten ihn an die Universitäten Kassel, Innsbruck und Wien; 1989/90 war er Writer-in-Residence und Gast-Professor am Oberlin College, Ohio. Am Deutschen Literaturinstitut Leipzig ist er seit 1999 als Mitglied des Leitungsteams immer wieder auch als Direktor tätig.

Oberster Schriftsteller

2013 wurde Haslinger zum Präsidenten der über 800 Mitglieder zählenden deutschen Schriftstellervereinigung PEN ("Poets, Essayists, Novelists") gewählt. "Der PEN soll nicht nur eine Protestmaschinerie sein, die alle paar Jahre Resolutionen abliefert, sondern er muss das ganze Jahr über präsent bleiben", hatte er bei Amtsantritt gesagt. Im Mai 2015 wurde er ohne Gegenstimme für weitere zwei Jahre im Amt bestätigt. Zuvor hatte die Kritik Haslingers an der Entscheidung der US-Sektion des PEN, "Charlie Hebdo" wegen Einsatzes für die Meinungsfreiheit auszuzeichnen, für Aufsehen gesorgt. Die Satirezeitung trage nicht zur Versöhnung bei, sondern überziehe religiöse Menschen mit Spott, sagte er in einem Interview. "Das muss man nicht unbedingt mit einem Preis auszeichnen."

Haslinger selbst hat zahlreiche Preise und Auszeichnungen erhalten, darunter 1980 das Staatsstipendium für Literatur, 1980 den Förderungspreis für Literatur des Theodor-Körner-Stiftungsfonds, 1984 den Förderungspreis der Stadt Wien für Literatur, im Jahr 2000 den Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln und 2011 den Rheingau-Literaturpreis.

Trotz der vielen Arbeit als PEN-Präsident schreibe er auch an einem neuen Buch, versicherte Haslinger kurz vor seinem Geburtstag der APA, "aber das dauert noch".

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