10 Fotos, 10 Geschichten

Das Jahr 2016 in zehn Bildern, die Geschichten erzählen und Geschichte schrieben

Terroranschläge, Krieg, Flüchtlingskrise, Präsidentschaftswahlen, Brexit – 2016 ist viel passiert. Vieles, was sich oft nicht in Worte fassen lässt. Deshalb gestaltet sich dieser Jahresrückblick in Form von 10 Bildern. Mal in Schwarzweiß, mal in den Farben des Regenbogens. Bilder, die nur aus Worten bestehen oder keine Worte brauchen. Bilder, die um die Welt gingen. Die ihre ganz eigene Geschichte erzählen und damit Geschichte schrieben.

von Jahresrückblick - 10 Fotos, 10 Geschichten © Bild: Warren Richardson / World Press Photo

Das Jahr 2016 war geprägt von Terroranschlägen. Brüssel, Nizza, Istanbul und kurz vor Jahresende auch noch Berlin. Und obwohl Bilder oft mehr sagen als tausend Worte, ist es in diesem Fall genau umgekehrt: „Je suis sick of this shit“, frei übersetzt mit „Ich habe die Nase voll“, fasst den Terror in einem Bild zusammen. Abgeleitet vom ursprünglichen Hashtag „JeSuisCharlie“ (Ich bin Charlie), der für die Anschläge auf die Satirezeitung „Charlie Hebdo“ stand, ist das Bild mittlerweile zu einer Kampfansage all derer geworden, die sich dem Terror entgegenstellen und nicht einschüchtern lassen. Oder um es mit den Worten der Journalistin Corinna Milborn zu sagen: „Das Ziel des Terrors sind wir. Terror will, dass wir aus Angst unser Leben ändern, nicht mehr feiern, dass Frauen und Männer nicht gemeinsam auf der Straße stehen und Spaß haben. Dieser Terror will verhindern, dass Atheisten, Muslime und Christen einander so gut verstehen, dass die Religion egal ist. Terror will Menschen in Kategorien unterschiedlichen Werts einteilen und spalten, Hass sähen und Krieg auslösen, um sich zum gleichrangigen Gegner erhöhen. Tun wir ihnen den Gefallen nicht. Seien wir keine Erfüllungsgehilfen des Terrors.“

© screenshot / aleppo media centre

Ein Bild, das um die Welt ging: Ein kleiner Bub wird zum Symbol für den grausamen Krieg in Syrien. Ein Konflikt, der die größte humanitäre Krise seit dem 2. Weltkrieg auslöste. Es ist ein Video-Screenshot, das einen fünfjährigen Jungen namens Omran zeigt, kurz nachdem er aus den Trümmern eines zerbombten Hauses in Aleppo gerettet wurde. Bedeckt mit Staub und blutverschmiert sitzt er in einem Rettungswagen und starrt apathisch in die Leere. „Dieses Kind, mit dieser Unschuld, hatte keine Ahnung, was um ihn herum geschah“ beschreibt der Kameramann die Aufnahme.

Zugegeben, es mag ein Recht ungewöhnliches Foto eines Bundeskanzlers sein, aber nicht für Christian Kern. Als erster Bundeskanzler trat er bei der Regenbogenparade auf und hielt eine bewegende Rede: „Ja ich bin der Bundeskanzler und ich bin auf der Regenbogenparade, aber na und? Mein Gott, es ist 2016 und die Zeit dafür war überreif.“

Weder muss an dieser Stelle erwähnt werden, um welche Personen es sich hier handelt, noch wird noch einmal genauer auf den (viel zu) langen Bundespräsidentschaftswahlkampf eingegangen. Hier sagt ein Bild wirklich mehr als die tausend Worte, die bereits im Laufe des Jahres darüber verloren wurden.

© Nadav Kander / TIME

Die Person des Jahres 2016 heißt Donald Trump. Laut dem Time Magazine „Präsident der gespaltenen Staaten Amerikas“. Doch dieses Bild zeigt nicht nur den neuen US-Präsidenten, sondern steht auch für das mit dem Jahr 2016 eingeleitete postfaktische Zeitalter. Seine Popularität hat der Begriff größtenteils dem US-Präsidentschaftswahlkampf und Trump zu verdanken. Denn so schamlos und demonstrativ wie er, hat dieses Jahr wohl niemand Unwahrheiten von sich gegeben. Ganze 70 Prozent seiner Aussagen waren nachweislich faktisch falsch. Das Erstaunliche daran: Es ist egal. Heute ist er Präsident der USA. Warum? "Emotions Trump Facts" – Gefühle übertrumpfen Fakten. Die Wahrheit verkam 2016 lediglich zu einer Option.

» Die Wahrheit verkam 2016 lediglich zu einer Option «

Für abstrakte Dinge visuelle Darstellungsmöglichkeiten zu finden ist oft nicht möglich. In diesem Fall ist das jedoch passend. Denn wie der Brexit konkret aussehen soll oder was er bedeutet, scheint auch Ende des Jahres niemand so richtig zu wissen. Immer noch wird geklärt, wie hart die EU mit Großbritannien umgehen soll. Zumindest gibt es Pläne, dass jedem Briten die Möglichkeit geboten wird, EU-Bürger zu bleiben. Premierministerin Theresa May gab bekannt, dass bis Ende März 2017 der Austrittsvorgang in Kraft gesetzt werden soll, danach ist eine zweijährige Verhandlungsphase vorgesehen. Auch wie sich der Brexit auf den generellen Kurs der Europäischen Union auswirkt, wird sich erst zeigen.

© shutterstock

David Bowie, Umberto Ecco, Peter Lustig, Zaha Hadid, Prince, Muhammad Ali, Manfred Deix, Bud Spencer, Ernst Nolte, Leonard Cohen, Ilse Aichinger, Fidel Castro, Zsa Zsa Gabor sind nur einige klingende Namen der Persönlichkeiten, die 2016 verstorben sind. An dieser Stelle gilt es aber auch all jenen zu gedenken, deren Namen nicht die ganze Welt kannte. Die ihr Leben im Krieg, auf der Flucht oder bei Terroranschlägen lassen mussten.

© Warren Richardson / World Press Photo

Auch dieses Foto ging um die Welt. Es ist das Weltpressefoto des Jahres und zeigt, wie ein syrischer Flüchtling an der serbisch-ungarischen Grenze ein Baby durch ein Loch im Stacheldrahtzaun reicht. Es trägt den Titel „Hoffnung auf ein neues Leben“ und stammt vom australischen Fotografen Warren Richardson. Dieser musste das Foto bei Mondschein aufnehmen: "Blitzlicht konnte ich nicht benutzen, während die Polizei diese Leute suchte, sonst hätte ich sie verraten." Zum Siegerfoto gewählt wurde es laut Jury dank der starken Symbolkraft des Stacheldrahtes.

Polizisten in voller Montur, mit Helm, Schutzpolstern und Waffen. Ihnen gegenüber eine zierliche, junge Frau im leichten Sommerkleid. Ein Bild, das verblüfft. Und sich erst durch seine Hintergrundgeschichte erklärt. Aufgenommen wurde es in Baton Rouge, im amerikanischen Bundesstaat Louisiana. Hier wurde ein paar Tage zuvor ein Afroamerikaner von Polizisten erschossen, weil er auf dem Parkplatz eines Supermarktes CDs verkaufte. Die Proteste, an denen auch die junge Frau eilnahm, wurden von der „Black Lives Matter“, zu deutsch „Schwarze Leben zählen“ Bewegung organisiert.

© Burhan Ozbilici / APPhoto

Es ist paradox. In einem Raum voller Bilder entsteht das Bild, mit dem das Jahr 2016 zu Ende geht. Es zeigt einen mutmaßlichen Attentäter mit einer Waffe in der Hand . Neben ihm am Boden liegt der von ihm erschossene russische Botschafter Andrej Karlow. Auf den Videos vom Anschlag ist zu sehen, wie der Attentäter immer wieder „Allahu Akbar“, Gott ist groß sowie „Rache“ und „Aleppo“ ruft.

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