Austro-Kurde Ünal E. entlassen

Diplomatische Intervention Wiens bei Justizministerium in Rom

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Italien - Austro-Kurde Ünal E. entlassen

Das Gericht folgte einer Aufforderung des italienischen Justizministers Andrea Orlando. Dieser hatte von den österreichischen Behörden die Bestätigung erhalten, dass Ünal E. in Österreich Flüchtlingsstatus genieße. "Politische Kontakte auf höchster Ebene zwischen Rom und Wien haben die Freilassung meines Mandanten ermöglicht. Das ist mehr ein diplomatischer als ein rechtlicher Erfolg", berichtete Anwalt Canestrini.

Der 45-Jährige sei frei. Er habe das Gefängnis in Venedig bereits verlassen und werde am Mittwochabend nach Tirol zurückkehren, berichtete sein Anwalt Nicola Canestrini der APA. Dort befindet er sich auf sicherem Boden. "Österreich liefert prinzipiell keine Österreicher aus", betonte Außenamts-Sprecher Martin Weiss der APA.

Auslieferungsverfahren geht weiter

Ein Gericht in Venedig wird im Mai aufgrund von Dokumenten, welche die türkischen Justizbehörden geliefert haben, nichtsdestotrotz entscheiden, ob Ünal E. ausgeliefert werden soll, oder nicht. Sollte sich das Gericht für die Auslieferung aussprechen, würde Ünal E. wieder die Haft drohen, sollte er nach Italien zurückkehren. Daher überlegt der Anwalt, in Italien die Anerkennung des Flüchtlingsstatus seines Mandanten zu beantragen. "Das werde ich mit Ünal E. jetzt besprechen", meinte der Anwalt. Die am Donnerstag geplante Haftprüfung vor dem Gericht in Venedig wurde nach der Freilassung abgesagt.

Die Familie von Ünal E. sei über die Freilassung informiert worden. Die österreichische Frau seines Mandanten sei vor Erleichterung in Tränen ausgebrochen, berichtete Canestrini. Er dankte den österreichischen Behörden für den Einsatz, der die Freilassung seines Mandanten ermöglicht habe. Obwohl sein Mandant etwas mitgenommen sei, wolle er bereits am morgigen Donnerstag wieder seine Arzttätigkeit in Österreich aufnehmen.

Ehefrau dankt Österreich für Einsatz

Die Ehefrau von Ünal E. hat Österreichs Behörden für den Einsatz zur Freilassung ihres Mannes gedankt. "Wir wissen, dass wir im richtigen Land leben. Vom Außenministerium bis zum österreichischen Konsul: Die Behörden waren immer auf unserer Seite. Ich danke allen", sagte die Frau im Gespräch mit der APA.

Der in einer Rosenheimer Klinik beschäftigte Orthopäde wolle so schnell wie möglich wieder an die Arbeit zurück. "Die Kranken warten auf ihn", meinte die Frau. Sie zeigte sich überzeugt, dass Ünal E. seine Unschuld beweisen werde. "Mein Mann ist kein Terrorist. Das haben auch die österreichischen Behörden bezeugt, die ihm 2002 Asylrecht zugesprochen haben", betonte die Frau, die seit zwölf Jahren mit Ünal E. verheiratet ist und mit ihm zwei Töchter hat.

Als schlimmen Albtraum betrachtet die Frau die Festnahme ihres Mannes in Mestre vor zehn Tagen. Bewaffnete Polizisten seien in der Nacht in das Hotelzimmer eingedrungen, um Ünal E. festzunehmen. "Unsere ältere Tochter hat alles miterlebt. Es war ein großes Trauma, das wir jetzt vergessen wollen", meinte die Frau.

Mitglied einer linksextremen Terrororganisation?

Die Türkei wirft Ünal E. vor, er habe als Mitglied der linksextremen Terrororganisation DHKP-C Mitte der 1990er-Jahre Anschläge in Ankara verübt. Ein österreichisches Asylgericht entschied 2002 demgegenüber, bei dem Vorwurf der DHKP-C-Mitgliedschaft handle es sich um "politische Verfolgung".

Ünal E. wird unter anderem beschuldigt, an einem Bombenanschlag auf eine Bankfiliale 1995 sowie einem Anschlag mit Molotowcocktails auf eine Hochschule 1994 in Ankara beteiligt gewesen zu sein und sich an illegalen Plakatierungsaktionen beteiligt zu haben. Zwischen 1995 und 1999 verbrachte Ünal E. laut Anwalt Canestrini fünf Jahre in der Türkei in Untersuchungshaft. In dieser Zeit sei er schwer physisch und psychisch gefoltert worden. Nach seiner Verurteilung zu zwölf Jahren und sechs Monaten Haft sei Ünal E. die Flucht nach Österreich gelungen. 2000 habe er einen Asylantrag gestellt, der 2002 angenommen wurde. Seit 2005 ist der Orthopäde österreichischer Staatsbürger.

Kurz besprach Fall bei Besuch in Rom

Außenamts-Sprecher Weiss sagte, dass Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) den Fall bei seinem jüngsten Besuch in Rom angesprochen habe. Zudem seien den italienischen Behörden die österreichischen Dokumente übermittelt worden, die dazu führten, dass Ünal E. der Asylstatus zugesprochen wurde. Begründung sei damals gewesen, dass ihm in seiner türkischen Heimat die politische Verfolgung drohe. Dass Ünal E. nunmehr österreichischer Staatsbürger sei, ändere daran nichts, so Weiss. Dies hätten die italienischen Behörden bei ihrer Freilassung gewürdigt.