Terrorzelle Kindergarten?

Was aus der Studie des Religionspädagogen Aslan gemacht wird, ist bedenklich

von Kinder in einem islamischen Kindergarten © Bild: Marko Mestrovic

Kuefsteingasse, Wien-Penzing. Wenig deutet darauf hin, dass hier ein islamischer Kindergarten ist. Ein anscheinend sogar berüchtigter, denn der Kindergarten lässt sich der Islamischen Föderation zurechnen. Der Verband gilt als Ableger der politischislamistischen Millî-Görüş-Bewegung aus der Türkei. Sechs Kindergärten betreibt man in Wien, organisiert im Verein Juwa.

Salafistischer Sumpf?

Die Kuefsteingasse passt so gar nicht zu dem, was über islamische Kindergärten in den Zeitungen steht. Der Grund für die Berichte ist eine Studie des Religionspädagogen Ednan Aslan. Schon im Dezember präsentierte Aslan vorläufige Ergebnisse, nun legte er einen umfassenden Bericht vor.

Die Kindergärten versänken in einem "salafistischen Sumpf", die Betreiber predigten Hass und betrachteten Gewalt als Mittel zur Errichtung eines Gottesstaates, schreibt etwa die "Krone". Aslan selbst sagt im "Standard", die Kindergärten würden von Salafisten und politischen Islamisten dominiert.

Sind Sie eine Salafistin, Frau Chih? Helene Chih ist die pädagogische Leiterin in der Kuefsteingasse. Sie ist dafür verantwortlich, was mit den Kindern passiert. Seit 41 Jahren ist die Wienerin Kindergärtnerin und versprüht einen Elan, als wäre es ihr erstes Jahr. Nur bei dieser Frage weiß die Christin nicht so recht, was sie damit anfangen soll. "Würden Kinder hier indoktriniert, würde ich sofort kündigen", sagt sie.

Das "Islamische" bleibt in ihrem Kindergarten eher im Hintergrund. Koran-Unterricht gibt es nicht. Stattdessen will man den Kindern islamische Werte vorleben: nicht lügen, nicht stehlen, auf Sauberkeit achten. Eine Assistentin erzählt zudem gelegentlich Geschichten aus dem Leben des Propheten Mohammed. Chih versichert, kein Kind werde gezwungen, zuzuhören. Gekocht wird halal, also nach islamischen Regeln.

Kaum jemand leugnet, dass es unter den islamischen Kindergärten auch Problemfälle gibt. In der Kuefsteingasse findet man aber ein Vorzeigebeispiel. News ging den offiziellen Weg und bat die Islamische Föderation um einen Besuchstermin in einer ihrer Einrichtungen. Aslan kritisiert sie in seinem Bericht hart, daher steht sie besonders unter Verdacht. Die Betreiber gaben sich transparent und betonten, man habe nichts zu verbergen. Dass sie uns ihren vielleicht schönsten Kindergarten zeigen, ist wohl kein Zufall.

Überhaupt stellt sich die Frage, was man zu sehen erwartet, wenn man in einen islamischen Kindergarten geht. Pin-up-Poster von IS-Terroristen? Propagandafilme über den bösen Westen? Wohl kaum. Dazu steht auch nichts in Aslans Studie.

Schwächen der Studie

Aslan ist zweifellos ein Kenner der islamischen Verbände in Österreich. Und ein Kenner ihrer Mutterorganisationen im Ausland. Ausführlich schildert er deren Weltanschauung. Aslans Bericht liefert einen kritischen Überblick darüber, wer etwa Millî Görüş oder die Muslimbrüder sind, wofür sie stehen und wie sie in Österreich organisiert sind. Das ist eine der Stärken seiner Arbeit. Für die Kindergärten fordert Aslan bessere Kontrollen und Fortbildungen über den Islam - das ist sicher sinnvoll. Eines aber räumt Aslan selbst ein: Aus der Studie lässt sich nicht ableiten, was tatsächlich in den Kindergärten passiert. Die konkrete, tägliche Erziehungsarbeit wurde aus Zeitmangel nicht untersucht, schreibt er. Das ist eine Schwäche der Studie, denn so bleibt zu viel Raum für Spekulationen.

Das Sujet eines dämonischen Weihnachtsmanns (siehe Faksimile) verdeutlicht das. Auf Türkisch wird da gefordert, Weihnachten nicht zu feiern. Aslan druckt das Bild in der Studie als Beleg für die antiwestliche Haltung von Millî Görüş ab. Die "Kronen Zeitung" macht daraus einen Beweis dafür, dass islamische Kindergärten mit hetzerischer Propaganda arbeiten. Tatsächlich gibt es aber keinen konkreten Hinweis, dass dieses Bild jemals in einem Wiener Kindergarten hergezeigt wurde. Es handelt sich um die Titelseite einer türkischen Millî-Görüş-Zeitung aus dem Dezember 2014. Bülbül Ersoy, der Sprecher der Islamischen Föderation, distanziert sich auf Nachfrage von der Titelseite und gibt an, man habe mit der türkischen Millî-Görüş-Bewegung nichts zu tun.

Auch Juwa-Geschäftsführer Ali Kaya beteuert, man mische sich in pädagogische Angelegenheiten nicht ein, das sei Sache der Pädagogen. Die Konzepte entsprächen den Vorgaben der Stadt Wien, sagt er. Von der Islamischen Föderation gebe es lediglich die Vorgabe, dass sich die Kindergärten finanziell selbst erhalten müssen. Ganz normale Kindergärten also, in denen zusätzlich islamische Werte vermittelt werden - so beschreiben sie zumindest die Angestellten und die Betreiber.

Klarheit erst nächstes Jahr

Aslan hat den Alltag nicht untersucht, hegt aber Zweifel an dieser Version. Aus Interviews mit Pädagogen, Eltern und Betreibern leitet er "Tendenzen" ab, nach denen sich die Ideologie der Mutterorganisationen auch im Kindergarten widerspiegelt. Seine Belege dafür sind allerdings rar. Auch das ist eine Schwäche seiner Studie.

Aslan zitiert etwa einen Betreiber, der sagt, dass das Leben eine Prüfung sei, dass Muslime Vorbilder sein sollten und dass das nur mit richtiger Bildung gehe. Bei Aslan werden aus diesen harmlos wirkenden Sätzen Indizien dafür, dass Kinder "zu einer sehr konservativen, vielleicht sogar zu einer salafistischen Theologie" getrieben werden. Begründung: Die göttliche Prüfung steht im Vordergrund, nicht die Kinder.

An anderer Stelle schreibt Aslan, Pädagoginnen in islamischen Kindergärten würden die Sprachförderung der Stadt Wien "durchaus auch kritisch" sehen. Als Beleg zitiert er ein Interview, in dem zwei Pädagoginnen über die Sprachförderassistentin der Stadt sprechen. Eine sagt: "Ich habe einmal zugeschaut, das ist wirklich wie das, was wir eigentlich eh machen." Und ihre Kollegin meint: "Ich dachte: Was macht sie? Schauen wir einmal, was da besonders ist. Aber das ist nicht gerade etwas Besonderes für mich."

Man kann daraus ableiten, dass die Pädagoginnen städtische Sprachförderung kritisch sehen, wenn man will. Ebenso könnte man aber interpretieren, dass die beiden Frauen lediglich dieselben Methoden verwenden. Wie gut Kinder in islamischen Kindergärten Deutsch lernen, hat Aslan nicht untersucht. Dafür brauche es weiterführende Studien, schreibt er. Und die wird es geben. Gemeinsam mit der Stadt Wien untersucht er nun, worauf es am Ende tatsächlich ankommt: den Alltag in den Kindergärten. 2017 soll die Untersuchung fertig sein.