Michael Ostrowski: "Ich will
schon gern was zammbringen"

Der Schauspieler Michael Ostrowski hat erstmals selbst einen Film gemacht. Lachen hält er für wichtig, und warum Theater keinen Spaß machen soll, hat er nie verstanden

von Michael Ostrowski © Bild: Sebastian Reich

Vor ein paar Wochen ist der Schauspieler Ossy Kolmann gestorben, einer der letzten "Komiker" der alten Schule. Ist es okay, wenn man Sie als Komiker bezeichnet, Herr Ostrowski?
Ich weiß gar nicht, ob das schon einmal jemand zu mir gesagt hat. Aber ich schaue mir auf ORF III immer wieder alte Sketches mit Ossy Kolmann an, und vieles davon interessiert mich schon. Leute wie er oder Jerry Lewis haben auch körperlich noch was gewagt, Slapstick gemacht. In dieser Tradition sehe ich mich schon auch.

An Ossy Kolmanns Stammbühne, den Wiener Kammerspielen, haben auch Sie schon gespielt. Lachen die Leute dort anders als zum Beispiel die Besucher eines Ostrowski-Films?
Das ist wirklich ein anderes Publikum, es wird dort manchmal schneller gelacht, als ich es gewohnt war. Ich habe das aber nicht schlecht gefunden. "Ladies Night" haben wir 150-oder 160-mal gespielt, und ich muss sagen, dass mir das für das Verständnis von Theater und Komödie sehr viel gebracht hat. Ich habe auch viel mit dem Inspizienten geredet, der seinerzeit noch die legendäre "Pension Schöller" mit dem Maxi Böhm betreut hat. Er hat erzählt, dass die Schauspieler damals kaum geprobt haben. Stattdessen haben sie sich in der Garderobe zusammengesetzt, viel gegessen und getrunken und sich überlegt, wie sie ihre alten Witze in das Stück einbauen können. Das finde ich schon irgendwie großartig.

Michael Ostrowski
© Sebastian Reich

Ihre Anfänge liegen beim Theater im Bahnhof, einer außergewöhnlichen Theatergruppe in Graz. Eine gute Schule?
Ja, das war eine Spielwiese, auf der alles erlaubt war. Man durfte alles ausprobieren. Verbunden hat uns ein gemeinsamer Humor und der Anspruch, Avantgarde und Volkstheater zu vermischen.

Normalerweise muss man sich für eines von beidem entscheiden.
Genau, und das habe ich nie ganz verstanden.

Auch die Filme, die Sie mit dem Regisseur Michael Glawogger gemacht haben, sind vom Stil des Theaters im Bahnhof geprägt - wobei Glawogger sonst eigentlich ganz andere Filme gemacht hat. Wie kam es denn zu dieser Konstellation?
Ich habe irgendwann gesagt: Es wird mich keiner zu einem Filmcasting einladen, also schreibe ich jetzt einmal selbst ein Drehbuch für mich und meine Freunde. Das habe ich 2000 bei einem Drehbuchwettbewerb vom ORF eingereicht. Der Michi war in der Jury, hat mich angerufen und gesagt: Das Buch habe ich nicht durchgebracht, aber ich würde gern mit dir daran weiterarbeiten.

Das war die Pornokomödie "Nacktschnecken", es folgte das Drogen-Roadmovie "Contact High". Mit "Hotel Rock 'n'Roll" wird die Trilogie nun abgeschlossen, obwohl Glawogger 2014 überraschend gestorben ist. Wie weit war das Projekt damals gediehen?
Sehr weit. Bevor er zu der Reise aufgebrochen ist, auf der er dann gestorben ist, haben wir noch viel Zeit zusammen verbracht, um an dem Drehbuch zu arbeiten.

Michael Ostrowski
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War nach seinem Tod gleich klar, dass Sie den Film auch ohne ihn machen werden?
Für mich war klar, dass ich das nie aufgeben werde. Nicht klar war, wer Regie machen soll. Ich habe mit vielen Leuten geredet, und alle haben gesagt: Du musst das machen, du bist am nächsten dran.

Auf Sex und Drugs folgt im letzten Teil der Trilogie nun Rock 'n'Roll. Sie waren als Teenager Sänger und Bassist einer Band. Haben Sie jemals ernsthaft den Rock-'n'-Roll-Traum geträumt?
Die Band hatte ich mit 14,15 - da ist es für ernsthafte Träume wahrscheinlich zu früh. Einen künstlerischen Beruf einzuschlagen, das war damals sehr weit weg. Aber als ich in der Band war, habe ich mich schon viel mit dem Rock 'n'Roll beschäftigt. Damals habe ich mir bei Donauland fünf Musikerbiografien bestellt: John Lennon, Beatles, Stones, Elvis und die Wings.

Aktuelle Sachen haben Sie gar nicht interessiert?
Doch. Mit sieben, acht Jahren war Shakin' Stevens mein Hero. Später habe ich dann Duran Duran, Wham! oder Frankie Goes to Hollywood gehört.

»Am liebsten habe ich vor dem Spiegel als Rocker posiert«

Warum ist es mit der Band nicht weitergegangen?
Weil ich irgendwann gemerkt habe: Wenn, dann müsste man das besser machen. Aber das hat mich nicht interessiert. Am liebsten habe ich vor dem Spiegel als Rocker posiert.

Sie haben Englisch und Französisch auf Lehramt studiert. Glauben Sie, dass Sie ein guter Lehrer wären?
Ich habe nach dem Studium probeweise ein paar Wochen unterrichtet, und das auch ganz gern, aber ich habe gemerkt: Ich halte das nicht aus. Ich will nicht die ganze Zeit der sein, der alles wissen muss. Ich will lieber der sein, der etwas wissen will. Als Lehrer bist du aber gezwungen, die Haltung des Wissenden einzunehmen. Und nachdem ich damals schon sehr intensiv Theater gespielt habe, dachte ich mir: Das ist für die künstlerische Arbeit kontraproduktiv. Also habe ich gesagt: Ich kann nicht Lehrer sein.

Wie bei "Contact High" hat man auch beim neuen Film das Gefühl, es könnte vielleicht nicht schaden, vor dem Kinobesuch verbotene Substanzen einzunehmen. Was empfehlen Sie?
Ich empfehle, sich den Film mehrmals anzuschauen, in verschiedenen Aggregatzuständen. Das ist auch ein guter Selbstversuch. Aber ich hoffe, der Film funktioniert in allen Zuständen. Bei "Contact High" hatten manche Menschen, die solche Rauschzustände nicht kennen, große Probleme damit, gewisse Dinge im Film zu akzeptieren. Bei "Hotel Rock 'n' Roll" glaube ich, dass die Rauschmittelbereitschaft geringer sein muss.

Es fällt überhaupt auf, dass man Sie in vielen Ihrer Filme kiffen sieht.
Das ist eben etwas, was in meinem Bekanntenkreis immer wieder stattfindet. So, wie man ein Bier trinkt. Wir reden in den Filmen auch nie darüber, wir tun's einfach.

Michael Ostrowski
© Sebastian Reich

Was ist Ihre persönliche Einstellung zu Marihuana? Soll es legalisiert werden?
Ich glaube, dass es ein Problem ist, wenn sehr junge Leute sehr starkes, extrem hochgezüchtetes Gras rauchen. Das halte ich für wirklich schlecht. Und ich glaube, dass man der Jugend mit einem gemütlichen Homegrown-Gras und einer Legalisierung bessere Dienste leisten könnte. Weil: Gekifft wird sowieso, das ist gar keine Frage.

Wenn Sie so wären wie die Figuren, die Sie meistens spielen, hätten Sie es als Schauspieler nicht so weit gebracht, oder?
Es ist schon ein starker Wunsch nach Laisser-faire in mir, und ich lebe den durchaus auch. Es gibt aber auch die andere Seite: diesen starken Willen, Dinge zu schaffen. Ich will schon gern was zammbringen, was auf die Füße stellen, was machen.

2003 haben Sie die "Krone"-Fußballgala moderiert. Wie ist Ihr Schmäh denn bei den Kickern angekommen?
Das war schon ein Clash of Cultures, manche Fußballer haben geglaubt, dass sie verarscht werden. Wegen dieser Gala habe ich dann aber sehr viele Angebote als Moderator gekriegt. Moderieren ist für mich immer noch eines der spannendsten Dinge. Es ist nie "safe", das reizt mich daran.

Vor der EM in Frankreich haben Sie bei den lustigen Media-Markt-Spots mit Marko Arnautović Regie geführt. Was für einen Eindruck hatten Sie von ihm? Hat er sich wirklich verändert oder ist er noch so wahnsinnig wie früher?
Ich glaube, beides. Er ist immer noch lustig und abgedreht, aber ich habe schon das Gefühl, dass er sich weiterentwickelt hat. Diese Vielschichtigkeit ist ja das Interessante an ihm. Du denkst dir: Was ist mit dem? Ist der lustig oder ist der komisch? Ist der blöd oder ist der ein Genie?

Und wie hat er sich beim Dreh angestellt?
Wir hatten ja nur fünf Stunden Zeit für 14 Spots, und ich finde, er hat das super gemacht. Ich glaube, wir haben einen Weg gefunden, seine Art von Humor rüberzubringen. Ich habe ihn auch improvisieren lassen.

Es waren also auch echte Arnautović-Wuchteln dabei?
Ja! In einem Spot zum Beispiel sagt die Lehrerin: "Das heißt nicht ,Je ne sais Pass', das heißt ,Je ne sais pas!'" Darauf sagt er: "I bin ma sicher, dass des Pass haaßt." Das war von ihm! Das ist schon ein guter Schmäh, muss man sagen.

Sie mit Ihrem Bubencharme wiederum haben etwas von einem Hofnarren, der auch unangenehme Wahrheiten sagen kann, ohne vom König gleich geköpft zu werden. Wie sehen Sie diese Rolle, die ja auch politisches Potenzial hat?
Ich glaube schon, dass das eine Chance ist, Sachen unter die Leute zu bringen -ohne dieses erwartbare Politkabarett zu machen. Ich finde, dass man da mit so einer scheinbaren Naivität oft besser fährt. In dem Talkformat "Demokratie. Die Show", das wir jahrelang im Theater im Bahnhof und dann auch bei Puls 4 gemacht haben, habe ich Telefoninterviews mit Politikern geführt. Und es war erstaunlich, was da herauskommt. Beim Lopatka habe ich einmal eine Zeit lang nichts gesagt -und dann hat er angefangen zu reden. Für mich war diese Form des Politikerinterviews sehr spannend. Ich meine, ich bin ja nicht der Armin Wolf - und sogar bei dem weiß ich, was rauskommt.

Oft wenig, weil die Gesprächspartner sich einigeln.
Genau das meine ich. Ich will das nicht schlechtmachen, aber es ist nicht mein Weg. Da finde ich die Hofnarretei oft zielführender.

Kann Lachen politisch sein?
Das glaube ich ganz stark. Ich finde, dass es zum Beispiel wichtig ist, über die Buwog-Affäre zu lachen. Es gibt da aber auch Grenzen. Ich glaube, dass den von Assad gefolterten Häftlingen in Syrien das Lachen irgendwann nicht mehr hilft.

Vor zwei Jahren haben Sie an Hilde Daliks Theaterprojekt "Romeo und Julia - freestyle" mitgewirkt, in dem Flüchtlinge auf der Bühne standen. Was waren Ihre Erfahrungen dabei?
Unser Ziel war, kein Sozialprojekt zu machen, sondern etwas, was auf der Bühne cool ist. Und natürlich musst du diese jungen Leute da abholen, wo sie sind -und das ist eher Breakdance und Hip-Hop als Shakespeare. Aber als die Hilde ihnen dann die Geschichte von Romeo und Julia erzählt hat, haben sie gesagt: Das kennen wir aus Afghanistan! Wir haben dann halt viel vom Text weggenommen und sie ihre eigenen Geschichten erzählen lassen. Und ich muss sagen, ich habe selten so erfüllende Theaterabende erlebt. Wie soll ich das sagen, ohne dass es kitschig klingt? Ich war bewegt.

Wissen Sie, wie es den Darstellern jetzt geht?
Die meisten waren unbegleitete Minderjährige, und viele gehen jetzt in die Schule oder machen eine Ausbildung, wohnen in WGs. Sie versuchen sich im besten Sinne zu integrieren.

»Ich denke, dass seine Stärke auch die Schwäche der Gegner ist«

Warum haben so viele Leute Norbert Hofer gewählt?
Ich denke, dass seine Stärke auch die Schwäche der Gegner ist. Viele Menschen haben ja auch berechtigte Ängste. Und wenn du denen keine Antworten gibst, dann gehen sie eben zu dem, der ihnen welche gibt. Soweit ich das beurteilen kann, ist da nicht viel Unterschied zu den Brexit-Befürwortern und den Trump-Fans. Auch das sind eher nicht die Globalisierungsgewinner. Warum haben die Leute Hofer gewählt? Weil die anderen sich nicht kümmern. Und weil die Grünen teilweise in einer Bobo-Blase mit Scheinproblemen leben.

Die Frage ist ja auch, ob es überhaupt Antworten gibt.
Auf jeden Fall keine leichten. Ich glaube auch nicht, dass es hilft, wenn man sagt: Ist eh alles kein Problem. Es ist alles ein Problem! Man muss mehr sagen als: Wir öffnen unsere Türen für alle. Das ist schön und wichtig, aber es kann noch nicht die Antwort sein.

Wie geht die zweite Stichwahl aus?
Ich glaube, es gibt ein Elfmeterschießen.

Zum Schluss noch ein paar Entscheidungsfragen: Wien oder Graz?
Graz.

Schnitzel oder Backhendl?
Schnitzel.

Sturm oder GAK?
Sturm.

Muster oder Skoff?
Muster natürlich. Obwohl Skoff als die gebrochenere Figur für einen Film spannender wäre.

Beatles oder Stones?
Beatles. Ist halt so.

Bud Spencer oder Terence Hill?
Aufgrund meiner Physis: Terence Hill.

Sex, Drugs oder Rock 'n' Roll?
Rock 'n'Roll, weil da ist alles drinnen.

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