Ihr Lächeln verzauberte die Welt

Vor einem Jahr ging das Foto des Flüchtlingsmädchens Dunia aus Oberösterreich um die Welt. Seitdem ist die Stimmung in Österreich rauer geworden. Die Siebenjährige aber hat sich ihre Fröhlichkeit bewahrt.

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Integration - Ihr Lächeln verzauberte die Welt

Vielleicht ist sie ja ganz anders, als auf dem berühmten Foto. Vielleicht ist sie in Wahrheit schüchtern, ängstlich, verschlossen. Vielleicht hat Dunia damals nur einen Augenblick lang gelächelt, nur in jenem Moment, in dem der Fotograf auf den Auslöser drückte. Das Bild des vor Freude strahlenden Flüchtlingsmädchen aus Syrien ging im vergangenen Jahr durch die Weltpresse und wurde zum Symbol. Zum Symbol dafür, warum Europa menschlich verpflichtet ist, Kriegsflüchtlingen Schutz zu gewähren. Zum Symbol auch dafür, dass Asylwerber in Europa eine zweite Chance bekommen, ein friedliches Leben zu führen.

Wie aber steht es um Dunias Leben, ein Jahr nach dem Foto? Inzwischen spricht die Regierung in Österreich von Flüchtlingen nicht mehr als Hilfesuchenden, sondern als potenzielle Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Schlagwörter wie Notverordnung, Obergrenze und strengere Abschiebungen dominieren die Schlagzeilen.

© Marko Mestrovic

In Haibach ob der Donau, einem Dorf zwischen Linz und Passau, wohnt das heute siebenjährige Mädchen. Man fährt durch enge, kurvige Straßen, vorbei an einer Schule durch den dünn besiedelten Ort und steht irgendwann vor einem alten Pfarrhaus, ihrem neuen Zuhause. Dunia lebt hier mit ihrer Familie: mit Mama, Papa und ihren drei Brüdern, der älteste ist elf Jahre alt. Der Vater führt im Erdgeschoss in einen großen Raum, der Küche und Speisezimmer zugleich ist. Die Möbel sind aus Holz, sie sehen aus wie aus vergangenen Jahrzehnten. Aus dem ersten Stock kommt Dunia die Stiege herunter, streckt ihre Hand aus und sagt: "Hallo." Und sie lächelt über das ganze Gesicht - wie auf dem Foto. Der Star der Familie nimmt auf einer der Bänke Platz, die um den großen Esstisch stehen.

Die kurdische Prinzessin

Dunia hat heuer die erste Klasse Volksschule absolviert. Sie spricht Deutsch, auf Fragen antwortet sie meist knapp mit Ja oder Nein, manchmal auch mit einem lässigen "Nope". Viel lieber, als Fragen zu beantworten, erzählt sie aber selbst. Zum Beispiel, dass sie die alten Menschen in der Gemeinde auf der Straße mit "hallo Oma, hallo Opa" begrüßt. Sie habe sehr viele Omas und Opas hier, sagt sie und lächelt wieder.

Bald schon hält es das Mädchen nicht mehr auf der Bank. Heiter und unbeschwert hüpft sie durch das Haus und präsentiert ein paar ihrer Sachen -für den Anfang eine schwarze Sonnenbrille und ein Diadem, das sie sich stilbewusst aufsetzt: "Ich bin Dunia, aber ich bin auch eine Prinzessin", sagt sie. Und wieder ihr unverkennbares Lächeln. So wickelt sie die Besucher um ihre Finger.

© Marko Mestrovic

Aus ihrem Zimmer im ersten Stock holt sie ihre Kuscheltiere. Flotschi, den Hund, und Kiki, den Bären. Man dürfe am Nachmittag aber nur mehr kurz mit ihnen spielen, erklärt Dunia, weil Flotschi und Kiki müssen früh schlafen gehen, sonst schaffen sie es morgen nicht rechtzeitig in den Kindergarten. Das Mädchen verzaubert mit seinem Charme. Schon nach wenigen Momenten wird einem klar: Sie ist genau so, wie man sie sich auf dem Foto vorstellt.

Dunia war noch keine zwei Wochen in Österreich, als das Foto am 19. Juli in Feldkirchen entstand. An jenen Tag kann sich die Kleine kaum erinnern, nur dass es sehr heiß war. Ihr Onkel rief ein paar Tage später an und sagte, dass ihr Bild bereits in deutschen Medien erscheint. In den Wochen darauf bekam die Familie Geschenke, Spielzeuge und Schokolade zugeschickt. Die Absender waren Menschen aus ganz Österreich. Mama Jasmin weinte vor Glück.

Die zerrissene Familie

Papa Azad war damals noch in Syrien, in den kurdischen Gebieten im Norden. Der Lkw-Fahrer blieb dort, um Geld für die Reise nach Österreich aufzutreiben. In Interviews wünschte sich Dunia damals, dass es auch ihr Vater in ihre neue Heimat schaffen möge. Ihr Wunsch ging im Februar in Erfüllung. Seitdem hat auch Azad erstaunlich schnell Deutsch gelernt. Wichtiger als Kurse sei dabei gewesen, mit Österreichern in Kontakt zu kommen, sagt er. Am Anfang verständigte man sich mit Händen und Füßen, mit Hinzeigen und ein paar Brocken Englisch, aber dann wurde es leichter. Der Familie kommt entgegen, dass in Haibach außer ihr nur eine weitere Flüchtlingsfamilie lebt. Sie können somit kaum anders, als rasch Deutsch zu lernen.

Die Willkommenskultur lebt

Heuer im Juni kam der positive Bescheid, Dunia und ihre Familie sind nun als Flüchtlinge anerkannt. Das Pfarrhaus gehört der Diözese Linz und ist eigentlich für Asylwerber vorgesehen. Die Familie darf aber trotzdem bleiben, sie wird ab sofort aber Miete zahlen, 600 Euro im Monat. Einen Monat hat Azad in Österreich schon gearbeitet, als Busfahrer und Krankentransporter. Der Familienvater will auch hier als Lkw-Lenker arbeiten, daher ist der C-Führerschein sein nächstes Ziel. Auf die Mindestsicherung möchte er so schnell es geht nicht mehr angewiesen sein. "Ich wurde so erzogen, dass ein Mann für seine Familie sorgen muss, nicht der Staat", sagt er.

Von der Willkommenskultur aus dem letzten Sommer ist an vielen Orten nur mehr wenig zu spüren. Innenminister Wolfgang Sobotka von der ÖVP forderte zuletzt etwa, abgelehnte Asylwerber strafrechtlich zu verfolgen. Die Schlagzeilen dominieren jetzt nicht mehr Bilder von fröhlichen Flüchtlingsmädchen, sondern von kriminellen Asylwerbern. Doch Haibach scheint diesen Bruch nicht mitgemacht zu haben. "Wir sind hier wie eine große Familie", sagt Dunias Vater. Einer der "Opas", ihr Nachbar, versorgt Dunia und ihre Geschwister mit frischer Milch von seinen Kühen. Jetzt im Sommer kommen häufig Eltern der Schulkameraden vorbei und nehmen die Kinder zum Schwimmen mit. "Die Menschen hier helfen uns viel", sagt Azad. Klar habe es auch Menschen gegeben, mit denen man schlechte Erfahrungen gemacht habe. Aber er wolle den Kindern vorleben, dass man sich auf die positiven Erlebnisse konzentrieren soll.

© Marko Mestrovic

Die Kinder scheinen das verinnerlicht zu haben, ihnen kommt kein schlechtes Wort über Haibach über die Lippen. Sie alle gehen hier in die Volksschule, der älteste fängt im September mit der Hauptschule an. Dunia erzählt von den vielen Freunden, die sie schon habe, die aber allesamt nichts vom berühmten Foto wüssten. Später möchte sie einmal Ärztin werden, damit sie ihrer Mama helfen kann, sollte diese krank werden. Derzeit ist ihr Lieblingsfach aber Turnen. Mit ihren Brüdern spielt sie beim FC Haibach. Tennis hat sie zwar auch schon probiert, aber Fußball gefällt ihr besser.

"Ich kann auch Gitarre spielen", sagt sie. Das kann sie eigentlich noch nicht - ihre Eltern wollen sie bald in einen Kurs schicken -, aber das hindert sie nicht daran, ihre Gitarre zu holen und ein paar selbst komponierte Lieder vorzusingen. Sie handeln etwa von Twiti, einem Vogel, der auf einem Baum sitzt und plötzlich weg muss, weil eine Miezekatze kommt: "Vogel, Vogel, komm herunter. Ich will dir Essen schenken." Dunia singt unbeschwert eines ihrer Lieder nach dem anderen, ihre Eltern klatschen, ihre Brüder drehen sich weg und schütteln den Kopf. Ihnen ist die Szene offenbar total peinlich. Dann kommt dieses Lied: "Polizei, Polizei, du bist..." Plötzlich verstummt das Mädchen. Sie wirkt ertappt. Darf ich das jetzt sagen?, fragt sie mit ihren Blicken. Dunia zögert, doch als kein Widerspruch kommt, fährt sie fort: "Polizei, Polizei, du bist dumm." Dunia bricht in schallendes Gelächter aus. Ist die Polizei in Österreich denn dumm? "Nein. Hier sind alle sehr lieb, ich mag sie", sagt sie. Und die anderen? "Die sind dumm. Weil die fangen immer die Menschen." Als Nächstes an der Reihe ist der Vogeltanz, den Dunia gerne vorführt.

© Marko Mestrovic

Ihre Brüder wollen nun auch etwas von der Aufmerksamkeit und erzählen ein paar türkische Witze, die sie auf ihrem Weg nach Österreich aufgeschnappt haben. Nun lachen auch sie inbrünstig.

Ausgerechnet in diesem Moment wird der Vater zum ersten und einzigen Mal ernst, lehnt sich rüber und sagt: "Sehen Sie, deswegen sind wir nach Österreich gekommen. Damit ich meinen Kindern zusehen kann, wie sie hier unbeschwert spielen und ihr Leben genießen. Alles, was wir auf uns genommen haben, als wir unser Land verlassen mussten, hat sich doch gelohnt."

Kommentare

Rigi999 melden

Mit solchen Bildern manipuliert man die Leute statt die Tatsachen und die Wirklichkeit darzustellen und diese sieht erschütternd aus!!! Aber die Wahrheit darfst nicht mehr sagen, denn sonst bist ein Rassist oder wirst verfolgt!!!! Ein Armutszeugnis für fast alle Medien und Politiker!!!

marple
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Nur Manipulation... aha. Schon mal auf die Idee gekommen das sich die menschliche Spezies grundsätzlich in brauchbare Leute und unbrauchbare Leute teilt? Diese Familie zählt definitiv zu den brauchbaren. Du hingegen scheinst ehr in die Sparte "unbrauchbar" zu fallen. Idioten gibt's eben in jeder Nation und Religion. Aber alle über einen Kamm zu scheren strengt halt den Kopf nicht so an.

Wergznase melden

"Schon mal auf die Idee gekommen das sich die menschliche Spezies grundsätzlich in brauchbare Leute und unbrauchbare Leute teilt?" Nicht die menschliche Spezies teilt sich, sondern Menschenverachter teilen die menschliche Spezies derart.

Nette Leute die der Krieg hierhergespuelt hat. Fuer Aufrechterhaltung unseres Generationsvertrags definitiv eine Bereicherung.

was für eine bereicherung.

Die Zuwanderung nach A erfolgt zum Grossteil illegal und unkontrolliert. Die Migranten die da kommen, sind jene, die für Länder wie Amerika, Kanada, Australien oder Neuseeland die Einreise- und Visabestimmungen finanziell und qualitativ nicht erfüllen. Daher bleiben für diese Migranten und angeblichen Flüchtlinge als Einreiseländer lediglich die reichen europäischen Länder übrig.

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