So ist Indien wirklich

Frauen, Armut, Reisen und Co.: Der Insider-Bericht einer jungen Österreicherin

von
India Unplugged - So ist Indien wirklich

NEWS.AT: Aurelia, du und Indien: Was hat es für dich mit dem Land auf sich? Wie hat sich diese Leidenschaft ergeben?
Aurelia Zoss: Das erste Mal bin ich zufällig in Indien gelandet. Ich wollte ein Land bereisen, das so anders ist wie nur möglich. Indien war dafür sehr gut geeignet.

Aurelia Zoss - India Unplugged
© Aurelia Zoss Die Autorin Aurelia Zoss

NEWS.AT: Ist Indien mit irgendetwas vergleichbar?
Aurelia Zoss: Indien ist vergleichbar mit einem selbstorganisierenden System. Von außen gesehen herrscht Chaos, doch letztendlich funktioniert dann doch alles.

NEWS.AT: Was macht die Faszination dieses Landes aus?
Aurelia Zoss: Die Faszination Indiens liegt für mich in der Vielfalt. In diesem Land kann man sich wunderbar wohl fühlen und zehn Minuten später an seine äußersten Grenzen getrieben werden. Indien ist eine Lebensschule, die ihresgleichen sucht.

NEWS.AT: Was hat dich am meisten überrascht?
Aurelia Zoss: Ich habe nicht damit gerechnet, dass Reisen so eine persönliche und organisatorische Herausforderung sein kann. Da ich das erste Mal relativ spontan nach Indien flog, hatte ich kaum Vorstellungen oder Erwartungen. Es wurde mir viel Angst eingeredet, aber wenn man einmal dort ist, ist wirklich alles halb so schlimm.

NEWS.AT: Was für essentielle Tipps kannst du Leuten mitgeben, die das erste Mal nach Indien reisen?
Aurelia Zoss: Einen Gang runter schalten! In Indien laufen die Dinge selten so wie geplant, dafür oft interessanter als erwartet. Vor allem zu Beginn kann es eine Geduldsprobe sein, aber man kommt reich wieder nach Hause.

»Angst hatte ich nie«

NEWS.AT: Frauen und Indien, die beiden Begriffe wecken nicht nur positive Bilder im Kopf. Wie hast du das erlebt? Gab es Situationen, in denen du Angst hattest? Was kannst du weiblichen Indien-Reisenden mit auf den Weg geben?
Aurelia Zoss: Ich bin quer durchs Land gereist, oft auch allein, und auch nachts. Angst hatte ich nie – ich habe entsprechende Vorkehrungen getroffen (spezielle Frauen-Abteile gebucht, gute Busunternehmen gewählt, etc.) und mich selbstbewusst gegeben. Es hängt sehr davon ab, wo man unterwegs ist, aber grundsätzlich gilt: Wenig Haut zeigen und die Menschen – in Indien sind sie überall und die beste Sicherheit für allein reisende Frauen – in einem kurzen Gespräch kennenlernen und schon reist man gemeinsam mit Bekannten.

NEWS.AT: Natürlich ist die Situation für Touristinnen eine andere als für einheimische Frauen. Wie kann man als Ausländer den Frauen vor Ort helfen, ihre Situation zu verbessern?
Aurelia Zoss: Frauen sind noch immer sehr benachteiligt in Indien, aber in vielen Ehen haben sie auch die Hosen an. Sie haben gelernt, sehr stark zu sein. Allerdings ist es für Witwen und Waisenmädchen besonders schwierig und es gibt viele Hilfsorganisationen, die man lokal in ihrer Arbeit unterstützen kann.

NEWS.AT: Indien ist neben all den Schönheiten auch ein Land der extremen Armut. Wie geht man im täglichen Leben damit um?
Aurelia Zoss: Bangalore, die Stadt in der ich gewohnt habe, ist von der extremen Armut, die in vielen Teilen Indiens herrscht, weniger betroffen. Ich habe im täglichen Leben zum Beispiel selten Obdachlose gesehen. Es existieren unzählig viele Parallelgesellschaften nebeneinander und manchmal sind die Menschen mit mehr Geld nicht gleichzeitig die Glücklicheren.

NEWS.AT: Zurück zum „schönen Indien“: Du hast das ganze Land bereist, von den Himalayas zur Südspitze und vom äußersten Nordosten zu den Küsten Keralas. Wo ist Indien für dich am schönsten - und wo im Gegenzug würdest du nicht noch einmal hinreisen?
Aurelia Zoss: Ich mag die Berge, und die indischen Teeplantagen. Auch die Himalayas sind wunderschön, wenn sie in mystische Regenwolken getaucht sind. Typische Touristenorte wie Agra oder Varanasi werde ich in Zukunft vermeiden.

Iskcon Tempel in Mumbai
© Aurelia Zoss Iskcon-Tempel in Mumbai

NEWS.AT: Was muss man als Indien-Neuling unbedingt machen? Was ist überschätzt?
Aurelia Zoss: Je nachdem wofür man nach Indien reist: Spirituelle Suchende kommen hier genauso auf ihre Rechnung wie Bergsteiger oder kulturell Interessierte. Für mich immer wieder sehenswert sind die eindrucksvollen ISKCON Tempel in vielen Städten Indiens. Einige andere Tempel sind allerdings überschätzt. Indische Zoos sind auch nicht so imposant für Westler.

»Das Zauberwort in Indien ist nicht "Bitte"«

NEWS.AT: Du bist nicht nur gereist, sondern hast auch drei Jahre in dem Land gelebt: Wie kann man sich den Arbeitsalltag vorstellen? Was ist der größte Unterschied zu Österreich?
Aurelia Zoss: Wir haben länger gearbeitet, dafür unter weniger Hochspannung. Es ist wichtig, sich persönlich mit den KollegInnen auszutauschen. Wenn man Aufgaben mit einer persönlichen Art verteilt, wird die Arbeit viel schneller erledigt. Und wenn man mit Leuten anderer Abteilungen oder Firmen zusammenarbeitet gilt: Das Zauberwort in Indien ist nicht „Bitte“, sondern „Follow-up“. Hinterher telefonieren, hinterher mailen, und man kriegt rechtzeitig was man braucht.

NEWS.AT: Wie schwer ist es, Anschluss zu finden?
Aurelia Zoss: Ich finde, es in vielen Städten schwer, schnell Anschluss zu finden. Da für Inder die Familie einen viel höheren Stellenwert hat als Freunde, lernt man eher alleinstehende Leute mit einem westlichen Lebensstil kennen. Es gibt aber tolle „Expat Communities“, über die der Anschluss leichter fällt.

NEWS.AT: Wie schwer ist es, einen Sari anzuziehen?
Aurelia Zoss: Das ist eine super Frage! Meistens zieht man so ein Teil gar nicht allein an. Ich glaube, wenn man die Technik des Wickelns und sechsmaligen Faltens und alle Sicherheitsnadeln-Tricks einmal beherrscht, dann hat man so ein Ding in fünf Minuten an.

NEWS.AT: Du lebst jetzt wieder in Österreich, was hat dich zur Rückkehr bewogen? Wirst du hier bleiben? Was vermisst du am meisten?
Aurelia Zoss: Vorerst bleibe ich hier! Urlaub in Indien jederzeit, aber falls ich je wieder dort leben sollte, dann würde ich die Großstädte wegen dem Lärm, Verkehr und der Luftverschmutzung vermeiden. Ich vermisse das indische Essen wahnsinnig. Die indischen Restaurants in Wien kochen leider nicht sehr authentisch. Ich vermisse die kleinen Snacks am Straßenrand, in wenigen Stunden am Meer zu sein und frischen Zuckerrohrsaft!

India Unplugged Cover
© Aurelia Zoss

Info zum Buch:
"India Unplugged" von Aurelia Zoss
Taschenbuch, 110 Seiten, 9,99 Euro
Verlag: CreateSpace Independent Publishing Platform (30. Mai 2014)
Aurelia Zoss ist in Österreich aufgewachsen und liebte es bereits früh zu reisen. Sie hat Indien schon oft bereist und ist nach ihrem Universitäts-Abschluss nach Bangalore gezogen, wo sie lebte und arbeitete. In „India Unplugged“ schreibt Aurelia Zoss über ihre Zeit in Indien. „India Unplugged“ ist eine Sammlung ihrer lustigsten und verrücktesten Erlebnisse und eine Mischung aus Reisetagebuch, Reisetipps sowie Insider-Bericht (und „Seelen-Strip“) des Alltags einer Österreicherin in Indien.
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