"Ich habe Angelika niemals verurteilt": Miroslav D. bricht in NEWS sein Schweigen

Am 13. April 2010 tötete Angelika D. ihre Mutter 45-Jähriger: "Ich weiß - sie ist kein böser Mensch"

"Ich habe Angelika niemals verurteilt": Miroslav D. bricht in NEWS sein Schweigen

NEWS: Herr D., Ihre Tochter hat Ihre Ehefrau getötet. Trotzdem halten Sie fest zu Ihrem Kind.
Miroslav D.: Ich habe Angelika niemals verurteilt, und ich werde sie niemals verurteilen. Denn sie ist mein Fleisch und Blut – und ich liebe sie so sehr, dass nichts dieses Band, das zwischen ihr und mir besteht, jemals zerstören wird.

NEWS: Doch sie hat Ihnen und Ihrem Sohn Daniel entsetzliches Leid angetan.
Miroslav D.: Aber Angelika leidet ja ebenfalls. Sehr sogar. Und ich weiß – sie ist kein böser, kein schlechter Mensch.

NEWS: Sie und Ihr Sohn fanden damals, am 13. April 2010, die schrecklich zugerichtete Leiche Ihrer Frau. Ahnten Sie sofort, dass Ihre Tochter die Tat begangen haben könnte?
Miroslav D.: In dem Moment, als ich Svetlana tot vor mir liegen sah, gab es kein Denken, gab es gar nichts mehr in mir. Ich wurde in gewisser Weise zu einem "Automaten", trachtete instinktiv bloß noch danach, Daniel zu beschützen, ihn aus unserer Wohnung wegzubringen.

NEWS: Sie alarmierten dann die Kripo.Wenig später wurde Angelika festgenommen.
Miroslav D.: Und ich fuhr zur Polizeistation und nahm meine Tochter in die Arme und sagte ihr, dass alles gut wird. Aber sie sagte: "Nein, Papa, nichts wird gut, nie wieder." Erst da begriff ich, dass das die Wahrheit war. Dass alles zerstört ist, für immer.

NEWS: Und jetzt?
Miroslav D.: Jetzt gibt es für mich nur noch eine Aufgabe: meinen beiden Kindern zu helfen. Ihnen ein guter Vater zu sein.

NEWS: Wie geht es Ihrem Sohn?
Miroslav D.: Er befindet sich nach wie vor in Therapie, und ich spüre: Die psychologische Betreuung macht seine Seele laufend stärker, das Trauma zu verkraften.

NEWS: Woran merken Sie dies?
Miroslav D.: Dass er manchmal sogar schon wieder lachen kann. Dass er Spaß daran hat, mit mir in den Zoo oder zu McDonald’s zu gehen. Dass er im Schlaf kaum noch weint.

NEWS: Sprechen Sie mit ihm über das Geschehene?
Miroslav D.: Nein. Weil die Experten meinen, dass das derzeit noch nicht gut wäre.

NEWS: Weiß Daniel, dass Sie seine Schwester regelmäßig im Gefängnis besuchen?
Miroslav D.: Natürlich.

NEWS: Hasst er Angelika?
Miroslav D.: Ich hoffe, ich glaube: nein. Er erkundigt sich ja immer wieder nach Angelika bei mir, er richtet ihr Grüße aus – und dass er, solange sie von uns weg sein muss, ihre Kaninchen, die ihr so viel bedeuten, gut versorgen wird.

NEWS: Also hat auch Ihr Bub Ihrer Tochter verziehen?
Miroslav D.: Er liebt sie.

NEWS: Trotz allem …
Miroslav D.: Trotz allem.

NEWS: Und der Tod Ihrer Frau, seiner Mutter?
Miroslav D.: Daniel und ich werden sie immer lieben. Und irgendwie ist sie ja sowieso weiterhin bei uns, zumindest in unserer Vorstellung. Deshalb haben wir auch nichts, was ihr einmal gehörte – nicht ihre Kleider, nicht ihre Kosmetika, nicht ihre Einmachgläser –, aus unserer Wohnung entfernt.

NEWS: Auch Angelikas Habseligkeiten sind noch da.
Miroslav D.: Irgendwann wird sie wieder hier sein.

NEWS: Die Staatsanwaltschaft klagt Ihre Tochter des Mordes an, ergo droht ihr eine Strafe von bis zu zehn Jahren Haft.
Miroslav D.: Angelika ist keine Mörderin.

NEWS: Sondern?
Miroslav D.: Für mich steht mit hundertprozentiger Sicherheit fest, dass sie ihre Tat in einem psychischen Ausnahmezustand begangen hat.

NEWS: Erklärt Ihnen Angelika das so?
Miroslav D.: Nein. Sie ist nicht fähig, über ihr Verbrechen zu reden.

NEWS: Sie haben Ihr demnach noch nie die Frage nach dem "Warum" gestellt?
Miroslav D.: Ich denke, dass ich die Antwort selbst weiß.

NEWS: Was ist die Antwort?
Miroslav D.: Diese Antwort – hat eine lange Geschichte.

NEWS: Womit beginnt sie?
Miroslav D.: Darüber bin ich mir nicht im Klaren.

NEWS: Die Vita Ihrer Familie?
Miroslav D.: Ich wanderte mit meinen Eltern aus meiner Heimat Tschechien nach Österreich aus, als ich 13 war. Machte hier meinen Schulabschluss und danach eine Lehre als Maschinenschlosser, in dem Betrieb, in dem ich bis heute tätig bin.

NEWS: Wann und wo lernten Sie Ihre spätere Frau kennen? Miroslav D.: 1993, bei einem Urlaub in Nordmähren, in meiner Geburtsstadt. Sie war damals 21 und ich 37. Wir verliebten uns unsterblich ineinander. Und als sie mit unserem ersten Wunschkind, mit Angelika, schwanger wurde, heirateten wir – und Svetlana zog zu mir, in diese Wohnung, die ich damals schon besaß. Und ja, wirklich: Meine Frau war eine wunderbare Mutter, und bald schon bekamen wir unser zweites Baby, Daniel.

NEWS: Und dann?
Miroslav D.: Folgten wunderbare zehn Jahre. Wir waren eine glückliche kleine Familie. Hatten unser bescheidenes Auslangen, es fehlte uns an nichts. Wir machten Ausflüge; gingen viel spazieren, im Prater und in Schönbrunn; und leisteten uns mitunter sogar einen Urlaub am Meer.

NEWS: Und was geschah nach diesen „Jahren der vollkommenen Zufriedenheit“?
Miroslav D.: Meine Frau begann sich zu verändern.

NEWS: Inwiefern?
Miroslav D.: Sie schien ihr Leben, so wie es bisher gewesen war, mit einem Mal nicht mehr zu mögen. Sie wollte nicht mehr bloß noch Hausfrau und Mutter sein, sondern sich mehr verwirklichen. Ich verstand ihren Wunsch, ging mit ihr auf Arbeitssuche. In ihrem erlernten Beruf – Kürschnerin – fand sie keinen Job; und auch in keinem anderen.

NEWS: Warum nicht?
Miroslav D.: Einerseits erfuhr sie Ablehnungen, weil sie schlecht Deutsch sprach. Andererseits hatte ich mitunter auch das Gefühl, dass sie gar nicht ernsthaft dazu bereit war, eine Stelle anzunehmen.

NEWS: Woraus zogen Sie diesen Schluss?
Miroslav D.: Meine Frau war eben in sich so – fürchterlich zerrissen.

NEWS: Wie äußerte sich diese Zerrissenheit?
Miroslav D.: Plötzlich hasste Svetlana Wien, die Stadt, die sie immer so sehr geliebt hatte. Plötzlich wollte sie nur noch zurück nach Tschechien. Ich ließ sie ziehen, immer wieder, für mehrere Wochen; ich sagte zu ihr, ich will bloß, dass du glücklich bist. Sie fuhr also los und kam dann jedoch meist schnell wieder zurück. Und schimpfte über ihre Heimat. Blieb in der Folge einige Zeit hier, um letztlich abermals zu flüchten.

NEWS: Wovor?
Miroslav D.: Vor dem Alltag?

NEWS: Welche Auswirkungen hatten diese Gefühlsschwankungen auf das Verhältnis Ihrer Frau zu den Kindern, zu Angelika und Daniel?
Miroslav D.: Mit Angelika vertrug sie sich immer weniger.

NEWS: Jener Jugendpsychiater, der Ihre Tochter im Auftrag des Gerichts begutachtete, berichtet über schwere psychische und physische Misshandlungen, welche Ihre Gattin auf das Kind ausgeübt habe.
Miroslav D.: Ich muss leider zugeben, dass diese Angaben stimmen.

NEWS: Ihre Frau quälte Angelika also regelmäßig, seelisch und körperlich.
Miroslav D.: Es fanden Dinge statt, die ich schrecklich fand: Einmal etwa erklärte Svetlana meiner Tochter, sie sei hässlich, weil sie eine Brille tragen müsse. Ein anderes Mal verhöhnte sie Angelika wegen ihrer Zahnspange. Aber mehr möchte ich nicht erzählen, ich will meine Frau nicht schlechtmachen. Denn so viele Jahre ist sie mir ja eine gute Partnerin und unseren Kindern eine hervorragende Mutter gewesen.

NEWS: Aber als sie keine "liebende Mama" mehr war – warum sind Sie dann nicht eingeschritten und haben Angelika vor Ihrer Frau beschützt?
Miroslav D.: Ich bin doch eingeschritten, oft. Ich habe Svetlana erklärt, dass sie unser Kind nicht so schlecht behandeln darf; ich habe meine Tochter getröstet und ihr gesagt, dass die Mami schlimme Dinge sagt, die sie in Wirklichkeit gar nicht so meint.

NEWS: Das Fazit Ihrer Schlichtungsversuche?
Miroslav D.: Manchmal gingen Svetlana und Angelika sogar wieder gemeinsam shoppen. Und ich habe solche Handlungen als Zeichen dafür gesehen, dass wir vielleicht doch wieder irgendwann die glückliche Familie sein können, die wir einst einmal waren.

NEWS: Sie wollten nicht akzeptieren, dass es diese "glückliche Familie" nicht mehr gab.
Miroslav D.: Wahrscheinlich.

NEWS: Angelika führte seit 2008 ein Internet-Tagebuch, in dem sie über ihre Pein berichtete.
Miroslav D.: Davon wusste ich bis zu ihrer Verhaftung nichts.

NEWS: Aber ist Ihnen nicht – im Vorfeld der Tat – aufgefallen, dass sich Ihr Kind in einem seelischen Ausnahmezustand befand? Miroslav D.: Angelika war seit jeher eher still. Eine Eigenschaft, die sich sicherlich in den vergangenen zwei Jahren verstärkte. Ich führte dies auf Pubertätsschwierigkeiten zurück; ahnte nicht, was tatsächlich in ihr vorging.

NEWS: Machen Sie sich nun Vorwürfe?
Miroslav D.: Ich wollte immer nur das Beste.

NEWS: Und könnten Sie das Rad der Zeit um ein Jahr zurückdrehen …
Miroslav D.: Das ist nicht möglich, darum will ich über so etwas nicht nachdenken. Außerdem brauche ich Kraft für anderes. Für die Realität.

NEWS: Sie sprechen viel darüber, wie Sie Angelika und Daniel helfen. Wer hilft Ihnen?
Miroslav D.: Wären meine Kinder nicht – hätte ich mich am 13. April umgebracht. Als ich nachts im Bett lag und zu verstehen begann, dass mein Lebenstraum ausgelöscht wurde. Aber dann habe ich begriffen, dass ich eine große Verpflichtung habe und ich mich dieser nicht entziehen darf.

NEWS: Gibt es niemals Momente, in denen die Verzweiflung aus Ihnen herausbricht?
Miroslav D.: Doch, diese Momente gibt es.

NEWS: Wann?
Miroslav D.: Heute etwa. An Angelikas Geburtstag.

NEWS: Und sonst?
Miroslav D.: Jeden Sonntag gehe ich auf den Friedhof. Lege einen Blumenstrauß auf Svetlanas Grab, setze mich daneben hin – und weine.

NEWS: Sprechen Sie mit Ihrer Gattin?
Miroslav D.: Ja.

NEWS: Und was sagen Sie ihr?
Miroslav D.: Dass ich sie liebe. Und ich stelle ihr immer wieder dieselbe Frage: "Warum?" …

Martina Prewein

Kommentare

Möge Ihnen die Kraft ihrer Liebe zu Ihrer Tochter niemals ausgehen und dieser und ihnen und Ihren Kindern weiter hin Fachliche Psychotherapeutische Hilfe gewährt werden! Ihnen und Ihrer Familie wünsche ich Jegliche Untersützung! Und so mancher Österreicher könnte sich was abschauen von Ihrer Liebe zu Ihrer Tochter bzw Menschlichkeit!

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