Ibiza-Affäre: Ermittler haben ganzes Video

Polizei sucht per Fahndungsfoto wird nach "Lockvogel" und veröffentlicht Fotos von ihr

Ein Jahr nachdem die "Soko Tape" die Ermittlungen zur Aufklärung etwaiger strafrechtlicher Handlungen im Zusammenhang mit dem Ibiza-Video aufgenommen hat, gab die Staatsanwaltschaft Wien nun erste Erfolge bekannt. So konnte sowohl das gesamte Videomaterial als auch Equipment und Audiodateien sichergestellt werden. Nach dem "Lockvogel" wird per Fahndungsfotos gesucht. Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache freut sich über den Ermittlungserfolg.

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Erste Erfolge - Ibiza-Affäre: Ermittler haben ganzes Video

Die Ermittler haben nun sowohl das gesamte Ibiza-Video in der Länge von 12 Stunden, 32 Minuten und 38 Sekunden als auch Audiodateien in der Länge von 8 Stunden, 14 Minuten und drei Sekunden zur Verfügung, teilten sie am Mittwoch mit. Ausgehend davon veröffentlichte das Bundeskriminalamt über Anordnung der Staatsanwaltschaft Wien mehrere Lichtbilder zur Ausforschung des "Lockvogels". Die Ermittler erhoffen sich dadurch nähere Erkenntnisse zu den Hintergründen bezüglich der Herstellung und der Verbreitung des Ibiza-Videos.

40 Ermittlungsverfahren

Insgesamt werden derzeit mehr als 40 Ermittlungsverfahren im Auftrag der beiden Staatsanwaltschaften durch die Ermittler der "Soko Tape" abgearbeitet, hieß es in der Aussendung. Wegen des Verdachts auf 31 unterschiedliche Delikte wurden bereits kriminalpolizeiliche Maßnahmen gesetzt. In den vergangenen 365 Tagen wurden demnach 139 Anlassberichte über die Zwischenergebnisse erfasst, 55 Hausdurchsuchungen, zehn freiwillige Nachschauen und 259 förmliche Vernehmungen geführt. Fünf Festnahmeanordnungen sowie 13 Rechtshilfeersuchen wurden umgesetzt. Bis dato konnten bei den Ermittlungen 34 Terabyte an Daten sichergestellt werden, hieß es weiter.

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Seit einem Jahr laufen die Ermittlungen der "Soko Tape" nun bereits, wobei sämtliche Ermittlungsverfahren über Auftrag der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sowie der Staatsanwaltschaft Wien geführt werden. Die Ermittlungen wurden dabei in zwei Bereiche unterteil: Einerseits geht es um die Aufklärung der Hintergründe zur Entstehung des Ibiza-Videos und andererseits um die Überprüfung der im Video getätigten Aussagen auf strafbare Hintergründe, teilte die Staatsanwaltschaft Wien am Mittwoch mit.

Video bei Bekannten von Drahtzieher sichergestellt

Die "Soko Tape" hat bereits Ende April das komplette Filmmaterial sichergestellt. "Es wurde in Österreich bei einem Bekannten des mutmaßlichen Drahtziehers Julian H. sichergestellt", erklärte der Leiter der SoKo Dieter Csefan am Mittwoch im Gespräch mit der APA. Die rund zwölf Stunden umfassenden Video- und acht Stunden umfassenden Audio-Aufnahmen hätten sich auf einer Mikrospeicherkarte verborgen, die äußerst gut versteckt gewesen sei. Auf den Mann sei man im Zuge der Ermittlungen und unzähligen Einvernahmen aufmerksam geworden. Jetzt sei man gerade dabei, das Video auszuwerten.

"Was man bisher darüber sagen kann, ist, dass der gesamte Abend nahtlos aufgenommen wurde", sagte Csefan - vom Eintreffen des Ex-FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache und des ehemaligen FPÖ-Klubobmanns Johann Gudenus weg. Auch seien Teile der Vorbereitungen auf dem Band zu sehen. "Wir haben eine Dokumentation des gesamten Abends auf der Finca."

Zudem habe man bei der Aktion verwendetes Equipment wie etwa einen präparierten Lichtschalter oder Radiowecker sicherstellen können. "Beim Lichtschalter habe es sich um eine Attrappe gehandelt, in der eine Kamera verborgen war", so der Ermittler.

Fremdfinanzierung kann derzeit ausgeschlossen werden

"Laut dem derzeitigen Ermittlungsstand kann eine Fremdfinanzierung oder ein nachrichtendienstlicher Hintergrund ausgeschlossen werden", so Csefan. Diese Gruppe habe sich zu einer "kriminellen Vereinigung" zusammengeschlossen und den Plan über einen längeren Zeitraum entwickelt. Ziel sei es gewesen, das Video nach seiner Erstellung weiterzuverkaufen.

Erste Hinweise zu "Lockvogel" trudeln ein

Darüber hinaus habe man auch Material sicherstellen können, das die Vorgänge vor und nach der Erstellung des Videos dokumentiert, sagte der Kriminalist: "Etwa Fotos von Treffen im Vorfeld." Jetzt fahnde man mit Fotos nach der Frau, die in dem Video als Lockvogel auftrat. Ein Abgleich in den Datenbanken, auch international, blieb bis dato erfolglos, so Csefan: "Wir haben alle Mittel ausgeschöpft." Es würden aber bereits jetzt die ersten Hinweise eintrudeln. Jetzt gehe es darum, deren Gehalt zu überprüfen.

Csefan legte Wert darauf, dass jener Beamte, der Teil der Soko ist und Strache ein aufmunterndes SMS geschrieben hatte, ein "hoch qualifizierte Ermittler" sei. Außerdem habe er bereits bei seiner Rekrutierung gesagt, dass er Strache diese Nachricht geschrieben habe, erklärte der SoKo-Leiter: "Er hat dies von Anfang offen gelegt."

FPÖ will neuen Fahrplan für U-Ausschuss

Die FPÖ nimmt die Beschlagnahmung des Ibiza-Videos indes zum Anlass, den Fahrplan für den Untersuchungsausschuss zu hinterfragen. Eigentlich sollen die Befragungen mit "Falter"-Chefredakteur Florian Klenk und den beiden "Hauptdarstellern" Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus starten. FP-Fraktionssprecher Christian Hafenecker will stattdessen nun lieber das Video selbst sehen, wie er zur APA sagte.

»Das Vorliegen des gesamten Videos ändert die Lage dramatisch«

"Das Vorliegen des gesamten Videos ändert die Lage für den Untersuchungsausschuss dramatisch", meint Hafenecker. Er fordert daher, dass am ersten vorgesehenen Befragungstag kommenden Donnerstag nicht die vorgesehenen Auskunftspersonen geladen werden, sondern das Video im U-Ausschuss gezeigt wird. "Wozu sollen wir stattdessen einen Journalisten befragen, der behauptet, das Video gesehen zu haben. Das macht absolut keinen Sinn", so Hafenecker.

Laut dem FPÖ-Fraktionsführer haben die Abgeordneten "das Recht und die Pflicht, dieses Material zur Gänze zu sehen und daraus ihre Schlüsse zu ziehen". Es wird außerdem vermutlich nötig sein, andere bzw. zusätzliche Personen in den U-Ausschuss zu laden.

Laut Hafenecker muss das Innenministerium außerdem offenlegen, "auf welche Weise und aus welchen Händen es jetzt wenige Tage vor Ausschuss-Start in den Besitz des Videos gekommen ist, denn auch dahinter könnten gezielte politische und/oder kriminelle Interessen stecken". Interessant sei auch, ob es sich tatsächlich um einen aktuellen Ermittlungserfolg handelt. Hafenecker: "Vielleicht wurde es ja auch bei einer Datenträger-Inventur im Bundeskriminalamt 'wiederentdeckt'."

Auch die NEOS zeigten sich erfreut über die Ermittlungserfolge. "Die Kenntnis des kompletten Ibiza-Videos ist für die Beurteilung der Vorkommnisse unerlässlich", meinte deren Fraktionsführerin Stephanie Krisper. Klar sei auch, dass die Aufzeichnungen "umgehend und prioritär dem Untersuchungsausschuss übermittelt werden müssen". Auch für Krisper ist außerdem unklar, seit wann den Ermittlern die Aufzeichnungen bereits vorliegen.

Krisper kündigte an, das Thema bei einem Termin mit Justizministerin Alma Zadic (Grüne) am Freitag anzusprechen: "Ich hoffe, dass die Justizministerin als ehemalige Oppositionspolitikerin diesem Anliegen umgehend nachkommt - und dass auch die anderen massiven Lücken bei den Aktenlieferungen insbesondere durch das Justizministerium noch vor Start der Befragungen behoben werden."

Horten, Glock und Graf sagten bereits ab

Indes gab es erste Absagen aus gesundheitlichen Gründen. Heidi Goess-Horten sowie Waffenproduzent Gaston Glock, die für 5. Juni geladen waren, hätten aus Gesundheitsgründen abgesagt, meldete der "Kurier". Bei der SPÖ sah man sich dadurch am Mittwoch in der Kritik an Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) bestätigt. SP-Abgeordneter Jan Krainer sah die Entscheidung für die Abhaltung im Lokal 7 statt im Plenarsaal des Nationalrats als Grund für die Absagen. Die Abstände in Hinblick auf die Corona-Infektionsgefahr seien dort zu klein. Der Ball liege bei Sobotka, meinte Krainer in einer Pressekonferenz : "Seine Aufgabe ist es, dass der Untersuchungsausschuss so arbeiten kann, dass auch Personen, die zu einer Risikogruppe gehören, hier guten Gewissens kommen und aussagen können."

Und auch Novomatic-Eigentümer Johann Graf ließ nach den ersten Absagen wissen, dass er nicht kommen wird. Wie der "Kurier" unter Berufung auf Parlamentskreise berichtete, sagte der 73-Jährige ebenfalls ab. Alle drei hätten am 5. Juni aussagen sollen.