"Das ist eine richtige Menschenhatz"

Nach der Affäre um die Vermischung von Beruflichem und Privatem sind die Tage von Agnes Husslein als Belvedere- Direktorin gezählt. Die ebenso erfolgreiche wie umstrittene Museumsleiterin hält die Vorwürfe für ungerechtfertigt

von Kulturpolitik - "Das ist eine richtige Menschenhatz" © Bild: Format/ Ilgner Lukas

Frau Husslein, sollten für Kunst-und Kulturbetriebe andere Regeln gelten als im normalen Wirtschaftsleben?
Per se sollen natürlich die Gesetze gelten. Wenn wir aber über "Compliance" (Einhaltung gesetzlicher Regeln in Betrieben, Anm. d. Red. ) sprechen, bräuchte es eine gewisse Flexibilität.

Meinen Sie mehr Spielraum?
Ja, man muss sich bewegen können. Künstler, Sammler, Kunstschaffende funktionieren und ticken anders als ein Businessman, der einen Deal macht. In der Kunst sind persönliches Engagement und Beziehungen wahnsinnig wichtig. Und dieses Beziehungsgeflecht bildet sich am besten auch in einer privaten Atmosphäre. Deshalb habe ich zum Beispiel kostenlos meine Wohnung am Wiener Ring zur Verfügung gestellt, weil sich kunstaffine Menschen in einer Wohnung wohler fühlen als in einem Hotel.

Sie haben Künstler auch zu sich nach Kärnten eingeladen und Privates und Berufliches vermischt. War das notwendig?
Kunstschaffende müssen sehen, wie sehr dem Repräsentanten des Museums, dem sie etwas schenken oder leihen sollen, die Kunst am Herzen liegt. Ihnen muss ich mich als Mensch nahebringen. Bilder sind für Menschen, die ihr Leben lang gesammelt haben, wie ihre Kinder. Sie lieben sie, geben sie nicht einfach ab. Sie wollen wissen, wem man sie überträgt und wie dieses Museum funktioniert. Da verschwimmen die Grenzen manchmal ganz einfach.

»Am Ende des Tages haben die Republik und unsere Kinder und Kindeskinder von solchen Schenkungen einen Mehrwert, nicht ich persönlich«

Sie nehmen in Anspruch, immer im Sinn des Belvedere gehandelt zu haben?
Ja. Am Ende des Tages haben die Republik und unsere Kinder und Kindeskinder von solchen Schenkungen einen Mehrwert, nicht ich persönlich. Weil ich auf diese Weise gearbeitet habe, bin ich für das Belvedere entsprechend erfolgreich gewesen. So habe ich um die 2000 Schenkungen erhalten und bedeutende Dauerleihgaben an das Museum binden können. Wenn ich einen Nine-to-five-Job gemacht und im Sommer alles stehen und liegen gelassen hätte, um in die Ferien zu fahren und vielleicht noch das Telefon abzuschalten, dann hätte das Belvedere seit meinem Amtsantritt nicht jene steile Aufwärtsentwicklung genommen, die es hinter sich hat.

Ein Vorwurf an Sie lautet, Sie hätten Ihren Wohnsitz im Sommer von Wien nach Kärnten verlegt. Wie sieht Ihre Arbeit in Kärnten aus?
Von Mitte Juli bis Ende August ist in Wien nichts los. Hier am See sind sehr viele Sammler, Künstler und Unterstützer. Ich habe in Kärnten gearbeitet wie in Wien. Hier verkaufe ich Tische für unser Fundraising-Dinner -das bringt immerhin über 200.000 Euro. Im Kuratorium war das bekannt. Ich unternehme von hier aus auch dienstliche Reisen wie zum Beispiel nach Salzburg zu den Festspielen, um Künstler zu treffen. Ich muss zudem in private Häuser gehen, in Schlösser, um gute Leihgaben zu bekommen.

War es notwendig, 365 Tage im Jahr zu arbeiten?
Ich habe sowohl eine kunsthistorische als auch eine wirtschaftliche Ausbildung genossen. Mein Großvater war Künstler. Als kleines Kind habe ich erlebt, wie schwer es für einen Künstler ist, zu reüssieren, den richtigen Sammler, Kunsthändler und vor allem das richtige Museum zu finden. Es war mir ein Herzensanliegen, meine Kenntnisse für Kunst und Künstler einzusetzen. Das ist beinharte Arbeit. Als ich begonnen habe, war das Belvedere sehr national orientiert. Heute schaut jeder auf uns, wir sind - im Gegensatz zu anderen -international vernetzt. Deshalb habe ich das mit Herz und Seele gemacht. Ich wollte der österreichischen Kunst den Stellenwert geben, den sie verdient.

Also 80,90 Stunden, jede Woche?
Auch samstags, sonntags. Ich habe auch sehr viel Privates eingebracht, Menschen ins Theater, in die Oper mitgenommen. Wenn man sich 40 Jahre lang international eine Freundes- und Interessengemeinschaft aufbaut, dann muss diese Klaviatur gespielt und darf nicht vernachlässigt werden. Das ist mit sehr viel Arbeit und Energie verbunden. Ich glaube, ich habe ein gewisses Gespür für Qualität und interessante Künstler, aber da muss man halt ständig "alert" sein, Chancen nutzen und wie ein Seismograph durch die Welt gehen.

»Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, dass ich etwas Inkorrektes mache«

Was antworten Sie, wenn ein Compliance-Experte meint, die Vorwürfe gegen Sie seien gravierend?
Ich bin bestürzt. Ich habe die Compliance-Agenden der juristischen Mitarbeiterin als unabhängige Instanz übertragen. Der Bereich ist, wie ich jüngst festgestellt habe, vor einiger Zeit von der Prokuristin Ulrike Gruber-Mikulcik an sich gezogen worden, zu der ich die längste Zeit eine gute Beziehung und Vertrauen hatte. Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, dass ich etwas Inkorrektes mache. Sie oder der Kuratoriumsvorsitzende, der eng mit ihr zusammengearbeitet hat, hätten mir nur einmal sagen müssen: "Das können Sie nicht machen" - dann hätte ich es selbstverständlich geändert. Im Übrigen habe ich auf den mir zustehenden Dienstwagen verzichtet und für Fahrten mit meinem Auto in Wien kein Kilometergeld verrechnet. Ich wollte für das Haus sparen und habe auch persönliche Schenkungen vorgenommen.

Warum haben Sie Geld an das Belvedere bezahlt, wenn Sie kein Fehlverhalten erkennen?
Weil ich bereit gewesen bin, alles auch nur irgendwie Zweifelhafte auszuräumen. Mir liegt daran, alles aufzuklären. Ich habe bis jetzt keinen Einblick, wie sich diese Forderungen im Detail zusammensetzen.

Waren Sie vielleicht zu unbequem, auch in Ihrem Auftreten gegenüber der Politik?
Ich bin unabhängig und stolz darauf. Ich war neuneinhalb Jahre für das Belvedere allein verantwortliche Geschäftsführerin. Natürlich habe ich mein Haus und meine Künstler in allen Richtungen verteidigt. Dabei kommt es durchaus zu Meinungsverschiedenheiten mit offi ziellen Stellen. Es gibt sicher bequemere Menschen als mich. Aber was jetzt passiert, ist eine richtige Menschenhatz.

»Der Fundraising-Ball im September ist abgesagt. Es gibt nichts zu feiern«

Der Kulturminister will im September bereits eine neue Führung für das Belvedere bestellt haben. Ist das realistisch?
Ich würde mich freuen, wenn eine kompetente Person gefunden wird. Die große Herausforderung wird sein, jemanden zu finden, der sich sehr gut mit österreichischer Kunst auskennt, gleichzeitig aber auch international vernetzt ist. Das Programm für die nächsten zwei Jahre ist geplant. Wer auch immer bestellt wird, findet ein geordnetes Haus mit einem kompletten Programm vor. Die Frage ist, ob es finanziell möglich ist. Es ist auf der Sponsorenseite mit Einbrüchen zu rechnen, weil viel an meine Person gebunden ist. Auch der Fundraising-Ball, der im September stattfinden sollte, ist abgesagt. Es gibt nichts zu feiern.

Theoretisch dürften Sie sich an einer Neuausschreibung der Geschäftsführung beteiligen.
Ich gehe davon aus, dass ich Persona non grata bin.

Ihr Vertrag läuft noch bis Ende Dezember. Werden Sie bis dahin weiterhin mit vollem Einsatz für das Belvedere tätig sein?
Das weiß ich nicht. In jedem Fall ist es für alle Beteiligten, auch für meine Mitarbeiter, eine sehr schwere Situation.


Agnes Husslein

Die studierte Kunsthistorikerin, geboren 1954 in Wien, führt seit 2007 das Belvedere und sollte eigentlich für weitere fünf Jahre bestellt werden. Im Juni meldete ihre Prokuristin plötzlich Compliance-Verstöße (Kilometergeldabrechnungen u. a.), die zu teuren Untersuchungen und einer Anzeige bei der Staatsanwaltschaft führten. Husslein spricht von "öffentlicher Desavouierung". Ende Juli gab Kulturminister Drozda bekannt, dass er das Belvedere neu aufstellen werde. Der Kuratoriumsvorsitzende trat ab, Husslein bleibt bis Ende 2016 im Amt.

Kommentare

Dieter Draxler

also wer 6000 euro oder mehr plus spesen im monat verdient und sich dann noch "jede rolle privates häuslpapier" vom belvedere bezahlen lässt gehört weg, egal wie gut oder wie toll er fürs haus ist, wobei husslein eh nie ganz unumstritten bei ihrem führungsstil war

Roland Mösl

Eine hevorragende Direktorin wurde von Compliance Idioten verjagt. Regeln die von komplett weltfremden Idioten aufgestellt wurden und zum Maß aller Dinge ernannt wurden.

Es ist Schade, wie rückwätsgewant und leistungsfeindlich Österreich ist.

Sie haben einen guten Job gemacht. Irgendeine unwichtige und unnütze Beamtin hat sich hier wichtig gemacht. Ihr Name wird bestehen, der dieser Person morgen schon wieder vergessen sein. Gehen Sie ins Ausland, in Ö haben Menschen wie Sie keine Luft zum Atmen. Ö ist ein Gartenzwergstaat geworden. Leider.

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