Hohe Fluktuation am Arbeitsmarkt - Karenzangst der Firmen unbegründet

Ganz wenige junge Frauen gehen in den ersten zwei Jahren in Karenz

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Für die neue Erhebung hat sich die Statistik Austria jene Menschen angesehen, die im Jahr 2010 einen neuen Job begonnen haben. Geringfügig Beschäftigte, Lehrlinge, Beamte und Praktikanten wurden nicht berücksichtigt, ebenso wenig die 600.000 Saisonarbeiter, die wieder beim selben Dienstgeber begonnen haben, erklärte Statistik-Austria-Chef Konrad Pesendorfer am Donnerstag im Klub der Wirtschaftspublizisten. Von den 2,2 Millionen Menschen, die eine unselbstständige Beschäftigung aufgenommen haben, blieb dann nur mehr eine Grundgesamtheit von rund 1 Million. Für die Job-Startjahre 2011 und 2012 habe sich die Struktur nicht stark verändert, so Pesendorfer.

Ein für viele vielleicht überraschendes Ergebnis: Frauen bleiben über alle Altersgruppen hinweg länger im selben Job - auch im sogenannten Hauptfertilitätsalter, wie es die Statistiker nennen. So sind 28 Prozent der 25- bis 34-jährigen Frauen nach zwei Jahren noch beim selben Arbeitgeber, bei den Männern sind es nur 22 Prozent.

Frauen in dieser Altersgruppe anzustellen, ist für Dienstgeber gar kein so großes Risiko: Lediglich 9 Prozent der 25- bis 34-jährigen Frauen gehen in den ersten Jahren in Elternkarenz. Bei den 35- bis 44-jährigen Frauen sind es überhaupt nur 3 Prozent. Die Elternkarenzwahrscheinlichkeit bei Männern ist verschwindend gering.

Generell sind junge Leute "job hopper" und auch immer wieder einmal ohne Arbeit. Ganze 24 Prozent der Männer und Frauen, die kürzer als zwei Jahre an ein und demselben Arbeitsplatz waren, wurden arbeitslos, 22 Prozent haben ihren Dienstgeber gewechselt. 6 Prozent zogen ins Ausland, 16 Prozent wurden als "Nicht-Erwerbspersonen" ausgewiesen, suchten also nicht offiziell nach einer Arbeit. Meist handelt es sich dabei um ganz kurze Übergangsphasen, so die Statistik Austria. Ältere Menschen bleiben statistisch gesehen länger im Job.

Sieht man genauer hin, gibt es sowohl zwischen den Geschlechtern als auch nach Brachen und Bildungsstatus Unterschiede. So ist bei den 25- bis 34-Jährigen mit Hochschulabschluss die Wahrscheinlichkeit, dass ein Beschäftigungsverhältnis nach zwei Jahren noch besteht, am höchsten. Jedoch ist hier der Anteil bei Männern (43 Prozent) höher als bei Frauen (37 Prozent).

Junge Menschen, die maximal einen Pflichtschulabschluss haben, bleiben viel kürzer in einem Job (13 Prozent sind nach zwei Jahren noch da). Der Frauenanteil ist hier aber deutlich höher (17 Prozent) als der Männeranteil (11 Prozent). Auch bei den 25- bis 34-Jährigen mit Lehre oder Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule (BMS) sind die Frauen länger im Job. Bei Personen mit Matura gibt es kaum einen Geschlechterunterschied.

Heißt dies, dass Frauen länger in "miesen Jobs" bleiben als Männer, wurde der Statistik-Chef gefragt: In den vergangenen Jahren sei die Beschäftigung von Frauen angestiegen. Aber rund 47 Prozent der Frauen arbeiten Teilzeit und nur 10 Prozent der Männer. Das sei gut und schlecht gleichzeitig: Einerseits seien Frauen jetzt überhaupt am Arbeitsmarkt und fänden nach der Babypause rasch in den Job zurück. Andererseits könnten sie auch, etwa im Fall einer Trennung, schnell in die Armutsfalle tappen und bekämen nur eine geringe Pension.

Dennoch, betonte Pesendorfer, ist die "erzwungene Teilzeit eher ein Minderheitenproblem". Nur 12 Prozent jener, die Teilzeit arbeiten, hätten lieber eine volles Beschäftigungsverhältnis. Offensichtlich gingen Frauen aus Kinderbetreuungsgründen freiwillig in Teilzeit. Die Männer schraubten ihre Stunden übrigens eher wegen Weiterbildungen oder Sabbaticals zurück.

Apropos Bildung: Pesendorfer rät allen, vor allem jungen Menschen, in Bildung zu investieren. Je höher die Bildung, desto eher findet man einen Job und desto länger behält man diesen auch. "Sonst läuft man in Gefahr, in einer Branche zu arbeiten, die früher oder später ausgelagert wird." Betriebe, denen es schlecht geht, gingen ins (benachbarte) Ausland, da dort die Lohnkosten vielfach niedriger seien.

Aufgrund der Migration nach Österreich wird sich die Struktur am Arbeitsmarkt in den kommenden Jahren stark verändern. Es versuchten vor allem junge Menschen zwischen 20 und 30 Jahren, in Österreich Fuß zu fassen und einen Job zu bekommen, so Pesendorfer. Den "Sondereffekt" aus der Flüchtlingskrise ließ er dabei außen vor. Die Qualifikationsstruktur der Migranten sei sehr unterschiedlich. Während zum Beispiel die Deutschen, eine große Zuwanderergruppe, ein höheres Ausbildungsniveau als die Österreicher hätten oder hier studieren, seien die Rumänen und Ungarn formell schlechter ausgebildet.

Nach Branchen betrachtet ist die Fluktuation in der Gastronomie und am Bau am höchsten - und das, obwohl die Saisonarbeiter herausgerechnet wurden, wie Pesendorfer betonte. Nur 8 Prozent der Gastro-Jobs der 25- bis 34-Jährigen dauern länger als zwei Jahre, am Bau sind es 15 Prozent.

Dagegen ist der Anteil derer, die mindestens zwei Jahre im selben Job sind, im Finanz- und Versicherungsbereich mit 52 Prozent am höchsten. Im Handel, eine weitere wichtige Branche, hat nach zwei Jahren noch knapp jeder Dritte denselben Job.

Bei den Banken dürften die Zahlen heute aber nicht mehr so rosig aussehen - für die Erhebung haben sich die Statistiker ja im Jahr 2010 aufgenommene Beschäftigungsverhältnisse angesehen. Es sei ein offenes Geheimnis, dass die Bank Austria massiv Jobs abbaue und es in den vergangenen Jahren eine Bereinigung der Bankenbranche gegeben habe, so Pesendorfer.

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