H&M-Werbung spaltet Gemüter

Videoclip zeigt erstmals Muslima mit Kopftuch - Erntet Kritik bis Begeisterung

von H&M-Werbung zeigt erstmals Model mit Kopftuch © Bild: H&M

Ein kurzes Mode-Werbevideo mit mehr als untypischen Models sorgt derzeit für Aufmerksamkeit. In dem H&M-Clip treten in schnellster Bildfolge etwa ein Transgender auf, eine Seniorin im kurzen Röckchen, eine Sikh-Turban-Truppe, ein Socken-In-Sandalen-Träger, ein Übergewichtiger - und eine Muslima. Und eben diese junge Schöne mit modischer Sonnenbrille und Minipiercing löst Wirbel aus, denn sie trägt ein Hidschab-Kopftuch.

Lamya Kaddor, Gründerin des Liberal-Islamischen Bunds, kann den Wirbel um das Hidschab-Model gut nachvollziehen: "Ja, ich verstehe die Aufmerksamkeit. Man schaut deshalb zweimal hin, weil man ein weibliches Muslim-Model nicht vermutet." Damit würden nun gezielt auch fromme Muslime von der Modebranche angesprochen, meint Kaddor, die auch islamische Religion unterrichtet - und fragt: "Warum darf man sein Haupthaar nicht bedecken und dabei gut aussehen?"

Und was sagt das Model Mariah Idrissi selbst zu diesem Thema? In einem "NBC News"-Beitrag erläutert sie ihre persönliche Sichtweise.

Der Experte für sozialwissenschaftliche Marktforschung, Kai-Uwe Hellmann, wiederum sieht die Sache etwas kritischer. Er spricht von einem künstlichen Hype. Der Clip sei "ästhetisch glattgebügelt". Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Kopftuch, seiner Rolle oder mit dem Islam erwartet er nicht. Dem Hersteller gehe es nur um Absatzzuwachs. Die schmale Botschaft laute, in der Mode sei alles erlaubt. "Das ist eine Nulldurchsage."

Bruch mit vermeintlichen Moderegeln

Die Kette H&M wirbt mit dem Slogan "Verpasse nicht den Film, der alle Regeln bricht." Auf Anfrage erklärt eine Sprecherin, es gehe um "den Bruch mit vermeintlichen Moderegeln". Der Clip solle die Vielfalt der Kunden widerspiegeln. Ein Model im Hidschab in der Mainstream-Mode sei eine Errungenschaft, meint das Magazin "Elle". In anderen Medien ist von Toleranz die Rede. Das in England lebende Modell erzählt in einem Interview von massenhaften Zuschriften. Viele wollten schlicht wissen, wie sie ihren Hidschab binde. Es gibt auch Kritik - so eine Stimme auf Facebook. Das mit dem Kopftuch-Model sei ja schön, aber: "Wenn es darum geht, in H&M zu arbeiten mit einem Kopftuch, kriegt man (...) nur Absagen."

Der Hidschab ist das islamische Kopftuch, das Haare, Hals und Ohren bedeckt, mitunter auch die Schulter. Viele muslimische Frauen tragen es selbstbewusst und aus Modegründen. Andere sehen das Kopftuch als Zeichen der Unterdrückung. Die Kölner Islamexpertin Lale Akgün kritisiert, dass H&M zwar Mode-Normen aufheben und hier Freiheit propagieren will. "Aber das islamische Kopftuch ist gerade das Gegenteil davon", sagt die frühere SPD-Bundestagsabgeordnete. "Der Hidschab ist in den Augen der orthodoxen Muslime kein Modeaccessoire, sondern eine religiöse Pflicht."