Die Highlights der
Salzburger Festspiele

Heute Vormittag wurden sie von Konrad Paul Liessmann ganz offiziell eröffnet

Wann die Salzburger Festspiele eigentlich beginnen, ist Gegenstand kontroversieller Erörterungen, seit der (jetzt in Mailand amtierende) Intendant Alexander Pereira die „Ouvertüre Spirituelle“ ersonnen hat. Diese Serie sakraler Musik leitet die Festspiele eine Woche lang ein, und damit Publikum kommt, wurde auch der kampfbigotte „Jedermann“ ins fromme Frühgeschehen transferiert. Also haben die Festspiele eigentlich schon begonnen, als am Donnerstagvormittag der Philosoph Konrad Paul Liessmann, einer der brillantesten Köpfe des Landes, die Eröffnungsrede hielt. Gewinnerin der ersten Woche ist die komplexbefreit explizite Buhlschaft Miriam Fussenegger. Der zunächst zögerliche Zulauf hat nach der Premiere gewaltig angezogen, zumal Titelprasser Cornelius Obonya die Rolle mit dieser Saison zurücklegt: Der „Jedermann“ ist ausverkauft, was er in den vergangenen Jahren nicht immer war.

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Leben - Die Highlights der
Salzburger Festspiele

Überhaupt scheint es, als widerfahre dem scheidenden Interimsintendanten Sven-Eric Bechtolf zumindest in seiner Eigenschaft als Schauspielverantwortlicher jene Genugtuung, die ihm ein gehässiges Feuilleton seit längerem versagt. Seit er das Amt 2015 vom Frühabgänger Pereira übernahm, wurde Bechtolf als lahmer Traditionalist und Fortschrittsfeind vorgeführt. Seine Inszenierungen der Mozart-Opern „Figaro“, „Don Giovanni“ und „Così fan tutte“, die er zum Abschied als Trotzpaket anbietet, wurden von der Kritik schon anlässlich der Premieren verworfen. Nun sind – ein Unikum bei drei Hauptwerken Mozarts in dessen Weltverwertungszentrale – für sämtliche Reprisen Karten verfügbar. Der Opernregisseur Bechtolf hat sich am unbezwinglichen Mozart schwer abgearbeitet.

Dafür greift, zumindest, was die Publikumsakzeptanz betrifft, sein Schauspielkonzept wie nie zuvor. Es ist von größter Einfachheit: Die bekanntesten unter den besten Schauspielern treten unter altmeisterlicher Anleitung in populären Werken auf.

- Shakespeares Abschiedswerk „Der Sturm“ mit Alt-Jedermann Peter Simonischek als Prospero wurde der vergleichsweise jungen Britin Deborah Warner (Jahrgang 1959) anvertraut, einer inspirierten Traditionalistin. Premiere ist am 2. August auf der nicht hochpopulären Perner Insel in Hallein. Sämtliche Karten sind verkauft.

- Für eine einzige Reprise der Aufführungsserie von Samuel Becketts „Endspiel“ standen bei Redaktionsschluss noch vier Karten im Angebot (Premiere am 1. August). Michael Maertens, favorisiert als nächster Jedermann, den sein Partner Nicholas Ofczarek schon hinter sich hat, verkörpert in dieser Konstellation eine offenbar unwiderstehliche Spielklasse. Regie führt der achtzigjährige Dieter Dorn, der vielleicht Letzte aus der textversessenen, allen Interpretationsexhibitionismus verabscheuenden Generation. Maertens und Ofczarek nannten die Arbeit mit Dorn im News-Interview ein Geschenk und ein Aufatmen.

- Am 14. August folgt Thomas Bernhards Groteske „Der Ignorant und der Wahnsinnige“, die Hommage an einen 44 Jahre zurückliegenden Salzburger Tumult: Der damals 35-jährige, noch freischaffende Regisseur Claus Peymann verfügte, Bernhards Anweisung folgend, das Ausschalten der Notbeleuchtung in der letzten Szene. Zur Generalprobe war das noch kein Problem, zur Premiere schritt die Feuerpolizei ein. Worauf Peymann die Reprisen absagte und Großschauspieler wie Bruno Ganz, Ulrich Wildgruber und Otto Sander abreisten. Eine DVD dokumentiert das im Wortsinn einzigartige Ereignis, das in die Garderobe einer Koloraturdiva führt: Ihr Vater und ein ihr verfallener Mediziner räsonieren sich in den Aberwitz, die Bezüge zu Salzburg sind nicht zu übersehen. Die aktuelle Salzburger Produktion inszeniert der 75-jährige, in den vergangenen Jahren unauffällige Deutsche Gerd Heinz. Intendant Bechtolf und Christian Grashoff spielen, um die wenige Restkarten sollte man sich rasch bemühen.

Die drei Mozart-Opern und Gounods „Faust“ – eine schütter vorverkaufte Produktion, deren Notwendigkeit sich allenfalls durch den Tenor Piotr Beczala belegen lässt – ausgenommen, ist das Opernprogramm ebenso spannend wie sperrig.

- Ab 28. Juli ist das Auftragswerk „The Exterminating Angel“ des Briten Thomas Adès – nach dem surrealistischen Filmkunstwerk von Louis Bunuel aus dem Jahr 1962 – zu überprüfen. Der Komponist dirigiert selbst, der irische Adès-Spezialist Tom Cairns führt Regie. In der riesigen Besetzung finden sich auratische Veteranen wie Anne Sofie von Otter und John Tomlinson. Eine exklusive Gesellschaft treibt da nach einer Opernpremiere auf einem Floß ins Nichts, obwohl man sich gleichzeitig bei einem exklusiven Diner in der Villa eines Millionärs befindet. Das Angebot an Karten für sämtliche Reprisen verdient es hochrechenbar, genutzt zu werden.

- Am 1. August folgt Richard Strauss’ mythologisches Spätwerk „Die Liebe der Danae“. Von der Umsetzung der selten gehörten Oper durch die Philharmoniker und Franz Welser-Möst wird Phantastisches kolportiert, Krassimira Stoyanova und Thomas Konieczny sind erstklassige Protagonisten, und der Lette Alvis Hermanis verkörpert die attraktive Variante traditioneller Regiekunst. Das Werk führt in die finsterste Epoche der Salzburger Festspiele. Dort erlebte es 1944 in gigantischer Besetzung unter Clemens Krauss bloß eine öffentliche Generalprobe, da die Festspiele wegen des Attentats auf Hitler abgesagt wurden. Den Text um den brünftigen Jupiter, der sich in der Gestalt eines Goldregens der Prinzessin Danae nähert, hätte noch Hugo von Hofmannsthal schreiben sollen. Er war 1929 verstorben, unterlag aber auch posthum rassischer Diskriminierung. Das „rassenreine“ Libretto von Joseph Gregor entbehrt jeder Genialität, was dem Aufkommen des musikalisch reizvollen Werks nicht zuträglich war. Auch für sämtliche Reprisen dieser Produktion sind Karten im Angebot.

Im also nicht überrannten Opernprogramm prunken, einsam überbucht, Leonard Bernsteins „West Side Story“ mit Cecila Bartoli als Übernahme von den Pfingstfestspielen und, dreimal Konzertant, Puccinis „Manon Lescaut“ mit Anna Netrebko und Gemahl Yusif Eyvazov (ab 1. August). Und am 31. August ist alles vorbei, und die Ära Markus Hinterhäuser, die womöglich wirklich eine solche wird, beginnt.

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