Herren-RTL in Adelboden: Raich siegt trotz Steher 0,49 Sek. vor Nyberg, Görgl Dritter!

ÖSV stark: 7. Maier, 8. Bechter, Miller weit zurück<br>Reiter zog sich bei Sturz Gehirnerschütterung zu PLUS: Benjamin Raich rettet Schweizer das Leben!

Benjamin Raich hat am Samstag in Adelboden seine sensationelle Riesentorlauf-Form eindrucksvoll bestätigt. Der 27-Jährige gewann trotz eines "Stehers" im Finale 0,49 Sekunden vor dem schwedischen Routinier Fredrik Nyberg, den dritten Platz teilten sich der Steirer Stephan Görgl und der Finne Kalle Palander (jeweils +1,22). Mit Hermann Maier (Siebenter) und Überraschungsmann Patrick Bechter (Achter) landeten im letzten Riesenslalom vor den Olympischen Winterspielen in Italien zwei weitere ÖSV-ler in den Top-10.

Da Hannes Reichelt, nach dem ersten Lauf Fünfter, ausschied, kündigt sich nun für den Olympia-RTL am 20. Februar folgendes Quartett an: Raich, Maier, Görgl sowie Rainer Schönfelder, der vor 20.500 Fans (neuer Adelboden-Rekord) im ersten Lauf ausschied.

18. Weltcup-Erfolg für Raich
Raich hat mit seinem 18. Weltcup-Erfolg, dem achten im RTL, zum ersten Mal in dieser Saison die Führung in Gesamt- und RTL-Weltcup übernommen. Nach seinem zweiten Saisonsieg nach dem Kranjska-Gora-RTL liegt der 27-Jährige jeweils 57 Punkte vor den US-Boys Bode Miller (am Samstag 14.) und Daron Rahlves (wie im Vorjahr in Adelboden gestürzt). Und Raich, der 24 Stunden zuvor mit WC4-Coach Christian Höflehner auf einer Schweizer Raststation das Leben eines Mannes gerettet hatte, zählt auch am Sonntag im Slalom zu den Topfavoriten.

Apropos Topfavorit, zu diesem hat sich Raich nämlich mit zwei RTL-Siegen in Folgen auch bezüglich Olympia gemacht. Raichs kühle Antwort: "Wenn man als Österreicher bei Olympia an den Start geht, zählt man ohnehin zum Favoritenkreis." Doch der Tiroler kostete zunächst einmal seinen Premieren-Triumph im Klassiker aus. "Adelboden ist der schwerste Riesentorlauf auf der Tour. Den wollte ich immer schon gewinnen. Jetzt hab' ich es geschafft."

Steher im Steilhang kostete "locker sieben Zehntel"
Nach Einschätzung von ORF-Chefanalytiker Hans Knauß (Adelboden-Sieger 2003) kostete Raich der Fehler im zweiten Lauf "locker sieben Zehntel". "Mir hat es den Innenski gefangen, das war knapp. Gott sei Dank war es danach gleich wieder steil, dadurch habe ich gleich wieder Geschwindigkeit aufgenommen", erklärte Raich, der im RTL derzeit in einer eigenen Liga fährt. In Kranjska Gora hatte der Tiroler genau eine Sekunde Vorsprung gehabt.

Damit segelt das Liebespärchen Raich/Marlies Schild sportlich weiterhin auf unglaublichem Erfolgskurs. Schild gewann die jüngsten beiden Slaloms, Raich die jüngsten beiden Riesentorläufe. "Bei uns gibt es aber keinen internen Kampf, das wäre nicht gut. Ich freue mich, dass es bei uns beiden so gut läuft, denn das Skifahren ist bei uns natürlich eine wichtige Sache." Görgl meinte zur Leistung seines Teamkollegen: "Benni ist in so bestechender Form, dass er sogar mit solchen Fehlern gewinnt."

Nyberg knackte Eberharter-Rekord nicht
Der einzige Läufer, der halbwegs mit Raich mithalten konnte, war Oldboy Nyberg. Der 36-Jährige wäre im Falle eines Erfolges zum ältesten Weltcupsieger aller Zeiten avanciert. Somit bleibt dies jedoch der Tiroler Stephan Eberharter, der im Alter von 34 Jahren in Kvitfjell (Abfahrt) triumphiert hatte. Der siebente und weiterhin letzte Weltcup-Erfolg war Nyberg im Dezember 2001 im Kranjska-Gora-RTL gelungen.

Nyberg aber ältester Podestfahrer
Nyberg ist der älteste Podestfahrer der alpinen Ski-Weltcup-Geschichte. Der Schwede löste mit 36 Jahren und 290 Tagen den Italiener Kristian Ghedina als "Stockerl-Methusalem" ab. Ghedina war bei seinem zweiten Platz in der Chamonix-Abfahrt am 8. Jänner 2005 36 Jahre und 49 Tage alt und damit rund acht Monate jünger als Nyberg, der am 23. März bereits seinen 37. Geburtstag feiert, während Italiens Speed-Star erst am 20. November dieses Alter erreichen wird. Im Gegensatz zu Ghedina, der nach den Olympischen Winterspielen in seiner Heimat am Saisonende zurücktreten wird, möchte Nyberg auch 2007 weiterfahren.

Während der Skandinavier, der seinen ersten Podestplatz vor fast 16 Jahren (!) am 3. März 1990 mit dem Riesentorlauf-Triumph in Veysonnaz errungen hatte, für positive Schlagzeilen sorgte, setzte es für die Schweizer Gastgeber das schlimmste Adelboden-Debakel der Ski-Historie. Didier Cuche und Marc Berthod landeten ex aequo nur auf Platz 21 und holten damit als einzige Swiss-Ski-Läufer im Heimrennen Weltcup-Punkte. Der Schweizer Cheftrainer Martin Rufener sprach von der "schwersten Enttäuschung" seiner Laufbahn als Coach.

Görgl und Reichelt, die die zwei heißesten Kandidaten auf das vierte Olympia-Ticket waren, hatten in den vergangenen Wochen mit tollen Trainingsfahrten beeindruckt. Doch nur Görgl kam im Berner Oberland ins Ziel. "Dieser dritte Platz ist so etwas von atemberaubend und überwältigend. Mir fällt ein Riesenstein vom Herzen. Mit dieser Leistung habe ich mich praktisch selber für Olympia aufgestellt. Nach der schweren Zeit bin ich glücklich, dass das neue Jahr so beginnt."

Görgl mit guten Olympia-Karten im RTL
Zu seinen Problemen in den vergangenen Monaten meinte der Steirer: "Nach meinem Riesentorlauf-Sieg beim Saisonfinale im März in Lenzerheide, wo ich zwei Mal Laufbestzeit gefahren bin, habe ich versucht noch schneller zu fahren und noch mehr aus dem Material rauszuholen. Das ist leider in die falsche Richtung gegangen." Herrenchef Toni Giger legte sich punkto Olympia natürlich noch nicht fest, meinte aber: "Görgl hat eindrucksvoll seine Riesentorlauf-Visitenkarte bei mir hinterlegt. Und das, obwohl er unter Druck gestanden ist. Das hat mir imponiert. Er hat sehr gute Karten."

Nach der Kuonisbergli-Show Raichs zog auch Hermann Maier den Hut: "Seine Form ist unglaublich, ich bin schwer beeindruckt. Man merkt bei jedem Schwung wie der in Form ist. Da muss man sich die Videos ansehen, was der Benni anders und besser macht als wir." Zu seiner eigenen Leistung meinte der Salzburger, der am Samstagabend zu Gast im ZDF-Sportstudio war und am Dienstag nach Wengen reist: "Nach meinem schweren Sturz in Kranjska Gora habe ich diesmal nicht alles riskiert."

Als Achter nur viertbester Österreicher
Der Vorarlberger Bechter legte nach den ersten Weltcup-Punkten seiner Karriere in Alta Badia (17.) in der Schweiz noch ein Schäufelchen nach - Platz acht, damit war er viertbester Österreicher. Und das, obwohl der 23-Jährige seit einigen Tagen krank ist. "Ich krieg' kaum Luft. Aber die Piste ist super, ich habe voll attackiert und es ist mir zum Glück aufgegangen. Endlich hab ich auch im Rennen mein Können bewiesen." International überraschte ein junger Franzose, der 24-jährige Thomas Fanara führ mit Nummer 48 als sensationeller Fünfter das mit Abstand beste Ergebnis seiner Karriere (bisher Platz 14 in Kranjska Gora) ein.

Hannes Reiter zog sich bei Sturz Gehirnerschütterung zu
Hannes Reiter hat sich bei seinem schweren Sturz eine Gehirnerschütterung zugezogen. Der Salzburger hat sich während seiner Fahrt mit der Faust selbst k.o. geboxt und blieb danach benommen im Schnee liegen. "Er kann sich an den Sturz nicht mehr erinnern", meinte ÖSV-Alpinchef Hans Pum. Der 24-Jährige hat sich zudem in die Zunge gebissen.

Endstand Riesentorlauf in Adelboden:
1. Benjamin Raich AUT 2:23,25 Minuten 1:12,87 1:10,38
2. Fredrik Nyberg SWE +0,49 Sekunden 1:13,01 1:10,73
3. Kalle Palander FIN +1,22 1:14,22 1:10,25
. Stephan Görgl AUT +1,22 1:14,08 1:10,39
5. Thomas Fanara FRA +1,43 1:14,18 1:10,50
6. Thomas Grandi CAN +1,57 1:14,50 1:10,32
7. Hermann Maier AUT +1,81 1:14,62 1:10,44
8. Davide Simoncelli ITA +1,95 1:13,68 1:11,52
. Joel Chenal FRA +1,95 1:15,46 1:09,74
. Patrick Bechter AUT +1,95 1:15,18 1:10,02
11. Massimiliano Blardone ITA +1,97 1:15,20 1:10,02
12. Manfred Mölgg ITA +2,26 1:15,26 1:10,25
13. Ted Ligety USA +2,27 1:15,10 1:10,42
14. Bode Miller USA +2,39 1:15,15 1:10,49
15. Erik Schlopy USA +2,45 1:13,75 1:11,95
. Marco Büchel LIE +2,45 1:14,75 1:10,95
. Mario Matt AUT +2,45 1:15,35 1:10,35
18. Chip Knight USA +2,47 1:15,61 1:10,11
19. Arnold Rieder ITA +2,53 1:14,77 1:11,01
20. Jean-Philippe Roy CAN +2,66 1:16,08 1:09,83
21. Didier Cuche SUI +2,67 1:14,62 1:11,30
. Marc Berthod SUI +2,67 1:16,15 1:09,77
23. Giorgio Rocca ITA +2,73 1:15,37 1:10,61
24. Mitja Valencic SLO +3,10 1:16,09 1:10,26
25. Aksel Lund Svindal NOR +3,19 1:15,74 1:10,70
26. Ales Gorza SLO +3,23 1:16,02 1:10,46
27. Raphael Burtin FRA +3,48 1:15,81 1:10,92

* Nicht für den zweiten Durchgang qualifiziert: Andreas Schifferer (AUT/32.)

* Ausgeschieden:
Im 2. Durchgang: Hannes Reichelt (AUT), Daron Rahlves (USA), Marc Gini (SUI)
Im 1. Durchgang: Michael Walchhofer (AUT), Rainer Schönfelder (AUT), Christoph Gruber (AUT), Hannes Reiter (AUT), Alberto Schieppati (ITA), Bruno Kernen (SUI), Dane Spencer (USA), Didier Defago (SUI), Francois Bourque (CAN), Lasse Kjus (NOR)

Raich und WC4-Coach Höflehner als Lebensretter
Benjamin Raich und WC4-Trainer Christian Höflehner wurden auf der Anreise zum Weltcup-Riesentorlauf zu Lebensrettern. Auf einer Autobahnstation in der Schweiz brach ein 35-jähriger Einheimischer zusammen, Raich informierte die Rettung und Höflehner startete sofort die Mund-zu-Mund-Beatmung.

Raich assistierte dem Steirer danach bei der Beatmung, gemeinsam holte man den Schweizer wieder ins Leben zurück. In Adelboden erreichte das Duo dann am Freitagabend die Nachricht, dass der Patient bereits auf dem Weg der Besserung ist.
(apa/red)